Kinderpalliativzentrum: Viel zu jung zum Sterben

. . . sind alle Patienten, die im Kinder- palliativzentrum in Großhadern auf den Tod warten. Ihren Weg erleichtern die Ärzte so gut es geht.
von  Moritz Tostmann
Eine Teddybär und ein Pulsoximeter in einem Patientenzimmer: Im Vordergrund eine Mutter, die ihren erkrankten Säugling im Arm hält.
Eine Teddybär und ein Pulsoximeter in einem Patientenzimmer: Im Vordergrund eine Mutter, die ihren erkrankten Säugling im Arm hält. © dpa

. . . sind alle Patienten, die im Kinderpalliativzentrum in Großhadern auf den Tod warten. Ihren Weg erleichtern die Ärzte so gut es geht.

Auf einem Tisch türmt sich buntes Plastikspielzeug, auf den kleinen Betten sind Giraffen und andere wilde Tiere abgebildet. Im Kinderpalliativzentrum in München-Großhadern erinnert nur wenig an ein Krankenhaus, hinter den bunten Wänden vermutet niemand das große Leid der kleinen Patienten.

Seit Mitte April bietet das neue Zentrum Platz für bis zu acht Kinder und deren Familien, am Freitag wurde es offiziell eröffnet. Es ist das erste Kinderpalliativzentrum Süddeutschlands, ein zweites gibt es in Datteln in Nordrhein-Westfalen. Rund 7200 Familien in Deutschland haben betroffene Kinder. „Die meisten haben eine angeborene Krankheit, am häufigsten sind Nervenkrankheiten“, sagt Leiterin Prof. Monika Führer.

Wichtigstes Ziel der Ärztin und des 25-köpfigen Teams sei es , die Kinder so zu stabilisieren, dass sie nach Hause können. Dort würden sie am liebsten sterben. Doch nicht immer kommt es dazu. „Manche sterben auch hier“.

„Werde ich nie mehr rausgehen, nie mehr die Sonne sehen können?“, fragte einmal die kleine leukämiekranke Nora. Was sollten die Ärzte darauf antworten? Dieser Satz, so Führer, sei der Anlass gewesen, überall große Fenster einzubauen. Überhaupt wirken die verschiedenen Bestandteile des Gebäudes nicht wie die eines Krankenhauses. Helle, warme Farben, hohe Decken, viel Holz, ein grünes Sofa und sogar bepunktete Stoffvorhänge prägen das Bild der Einrichtung. „Die Familien sollen sich wie zu Hause fühlen“, sagt die Leiterin. Das Sofa kann man ausklappen, um Geschwistern oder Eltern einen Schlafplatz zu bieten.

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Anders als bei erwachsenen Palliativpatienten spiele für Kinder vor allem die Anwesenheit der Eltern eine große Rolle, so Führer. Sie können rund um die Uhr hier sein und werden auch psychologisch betreut. Wenn das eigene Kind von einem selbst gehen müsse, dann sei das „immer falsch herum – einer der schwersten vorstellbaren Schicksalsschläge“.

Bereits seit 2003 gibt es am Klinikum der Münchner Ludwig-Maximilian-Universität eine ambulante Versorgung für Kinder mit einer lebensverkürzenden Krankheit. Das Team betreut rund 50 junge Patienten aus der Region und fährt am Tag bis zu 100 Kilometer.

Ein kleiner Junge denkt, ein roter Drache würde ihn abholen

Gespräche helfen den Kindern neben der palliativmedizinischen Versorgung zu verstehen. „Jüngere fragen nicht nach der Zukunft, sie leben im Jetzt“, sagt Führer. „Ich kann mich an einen kleinen Jungen erinnern, der die Vorstellung hatte, dass ihn ein roter Drache abholen würde.“ Dieses tröstliche Bild habe dem Kind sehr geholfen, aber auch seiner Familie.

Jugendliche verstünden den Tod hingegen vollständig, sagt die Ärztin. „Sie fragen danach, was sie nicht mehr erleben können.“ Oft gehe es darum, noch etwas Bestimmtes zu erreichen, „zum Beispiel den 18. Geburtstag, den Führerschein oder einen Freund oder eine Freundin gehabt zu haben“.

Führer selbst weiß sehr genau, warum sie heute hier ist. Früher als Ärztin habe sie stets das Gefühl bekommen, Familien mit dem bevorstehenden Tod des Kindes alleine zu lassen. Aber heute weiß sie: „Auch wenn wir als Ärzte nicht mehr heilen können, gibt es noch sehr viel, was wir tun können.“

 

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