60 Flüchtlinge besetzen Sendlinger-Tor-Platz
Altstadt - Sie fordern mehr Solidarität mit Geflüchteten und ein "Bleiberecht für alle": Seit Mittwochabend campieren rund 60 Asylbewerber auf dem Sendlinger-Tor-Platz, um auf ihre oft schwierigen Lebensbedingungen in Deutschland aufmerksam zu machen. Zu dem Protest aufgerufen hat das Flüchtlings-Netzwerk "Refugees Struggle for Freedom".
Die überwiegend männlichen Teilnehmer der Aktion, die von der Polizei für eine Woche genehmigt wurde, stammen aus Pakistan, Afghanistan, dem Senegal, Gambia, Ghana sowie anderen afrikanischen oder zentralasiatischen Ländern. Auch eine Frau aus dem Iran ist dabei. Manche sind in Bayern untergebracht, viele aus Unterkünften im Rest der Republik angereist.
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Einige der Demonstranten waren schon beim Hungerstreik am Rindermarkt im Sommer 2013 mit von der Partie. Andere sorgten im Winter 2014 für einen Großeinsatz der Polizei, als sie – auch am Sendlinger-Tor-Platz – mehrere Tage lang die Nahrungsaufnahme verweigerten und dann aus Protest gegen die Räumung des Lagers auf umstehende Bäume kletterten, von denen sie stundenlang nicht herunterstiegen.
Für manche hätten sich die Zustände sogar verschlechtert
Einer der Baum-Besetzer von damals ist "Refugee"-Sprecher Adeel Ahmed. "Keiner von uns hat seine Heimat, seine Familie, seine Freunde freiwillig verlassen. Jeder hier ist aus einer schrecklichen Situation geflohen", sagt der 27-Jährige aus Pakistan. "In meinem Land zum Beispiel sind Tausende durch Selbstmordattentäter gestorben – oder durch Anschläge wie 2014 mehr als 130 Kinder in einer Schule in Peschawar. Deshalb wollen wir bleiben und hier in Freiheit und Sicherheit leben. Alle."
Eine Maximal-Forderung, die kaum zu erfüllen sein dürfte. Doch die Demonstranten wollen die Münchner auch darüber aufklären, dass sich seit den letzten Protesten kaum etwas geändert hat: Noch immer sei es für viele extrem schwierig, eine Arbeitsgenehmigung zu bekommen. Noch immer warteten Asylbewerber monate- oder gar jahrelang auf den Ausgang ihrer Verfahren. Noch immer seien viele von ihnen in Massenunterkünften ohne Privatsphäre untergebracht. Für Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern hätten sich die Zustände sogar verschlechtert: Die Möglichkeiten, gegen eine Ablehnung Einspruch einzulegen, seien minimiert worden. Arbeiten dürften viele gar nicht mehr.
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Auch, dass Asylsuchende aus Syrien, Eritrea und dem Irak schnellere Verfahren bekommen und früher als Flüchtlinge aus anderen Ländern einen Integrationskurs besuchen können, finden die Protestierenden unfair. "Wir sind doch alle Menschen", sagt Adeel Ahmed. Dass sich der Wind seit den "Welcome"-Wochen am Münchner Hauptbahnhof im Sommer 2015 gedreht hat, ist dem jungen Aktivisten bewusst. "Aber was sollen wir machen?", fragt er. "Mit unserem Protest warten, bis die Stimmung noch schlechter ist? Nein. Es geht einfach nicht mehr so weiter." Und überhaupt, sagt er und lacht, sei in der Welt von heute doch absolut alles möglich - "sogar, dass jemand wie Donald Trump in Amerika Präsidentschafts-Kandidat wird".
Das sagt die Stadt zur Protestaktion
Das Protestcamp der Flüchtlinge am Sendlinger Tor wird von der Stadt als Dauerversammlung vorläufig geduldet. Das KVR hat verschiedene Auflagen erlassen. Die Teilnehmer dürfen bis zu sechs Pavillons aufstellen. Weil es nachts bereits ziemlich kühl wird, sind auch Schlafsäcke und Isomatten erlaubt. Zudem wurde ein Megafon und Transparente gestattet.
Die Aktion ist befristet bis Mittwochnachmittag 15 Uhr. Dann sollen die Teilnehmer das Flüchtlingscamp wieder abbauen. Die Polizei hält sich im Hintergrund und beobachtet die Lage lediglich.
Protest Camp am Sendlinger Tor! #refugeeswelcome pic.twitter.com/Np2gyayIPK
— Holger Baumeister (@piratenflotte) 8. September 2016
Refugges still occupy #SendlingerTor Platz in #Munich. Come and show solidarity. #refugeestruggle pic.twitter.com/YDFR3AdKXP
— refugee struggle (@refugeestruggle) 8. September 2016
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