Sprengung am Münchner Hauptbahnhof: "Viel davonfliegen kann nicht"
München- In seiner 40-jährigen Karriere hat Eduard Reisch (63) Tausende Sprengungen durchgeführt. "Ich zähle da gar nicht mehr", sagt der Sprengmeister zur AZ. Diese ist dennoch eine besondere Herausforderung: Am Abend sollen am Münchner Hauptbahnhof Teile eines Weltkriegsbunkers gesprengt werden. Der Schutzraum muss der Zweiten Stammstrecke weichen. Die AZ ist am Donnerstagnachmittag dabei, als Reisch und sein Team die letzten Vorbereitungen treffen.
Weltkriegsbunker muss weichen – Sprengung am Hauptbahnhof
Seine spektakulärste Sprengung sei die des AfE-Towers in Frankfurt gewesen. Das 116-Meter-Hochhaus wurde 2014 gesprengt. Auch das Agfa-Hochhaus in Giesing brachte Reisch 2008 zum Einsturz. Der Einsatz am Donnerstag erscheint neben diesen Großprojekten eher klein. Die 150 Bohrlöcher mit den verkabelten Sprengladungen erstrecken sich, mit jeweils 50 Zentimetern Abstand zueinander, auf einer überschaubaren Fläche.
Trotzdem hat es die Teilsprengung des Bunkers in sich, wie Reisch erklärt. "Wir müssen den Schutz aller beteiligten und unbeteiligten Personen unter laufendem Betrieb gewährleisten." Heißt: Während es am Abend rund zwei Meter unter dem Boden knallen wird, laufen die Passanten beinahe direkt an der Sprengstelle vorbei. "Normalerweise haben wir einen Sicherheitsbereich von 200 bis 300 Metern – hier geht das nicht", sagt Reisch.

Das Schlimmste, was schiefgehen, könnte, wären zu große Erschütterungen. Selbst dann würde laut dem Sprengmeister aus Peißenberg aber nicht viel passieren. "Viel davonfliegen kann eigentlich nicht." Reisch ist ein Profi. Die Sicherheitsmaßnahmen bei diesem Projekt waren umfangreich: Über die Sprengstelle kommt eine Schicht aus schwerem Vlies und dicken Schutzmatten aus alten Autoreifen. Sie sollen Schall und Kleinteil-Emissionen in Zaum gehalten.
Ursprünglich hätte überhaupt nicht gesprengt werden sollen, sagt Florian Heigl. Der Bauleiter von der Firma Rädlinger aus Cham ist für den Rückbau des Bunkers zuständig. Eigentlich sei geplant gewesen, die Wände und Decken des Bunkers zu zersägen.

Durch die minderwertige Betonqualität des während des Zweiten Weltkriegs errichteten Baus, hätte sich das aber als schwierig erwiesen, erklärt Heigl. "Wir haben dann eine alternative Rückbauvariante gesucht", sagt er. Und schließlich auf die Idee gekommen, zu sprengen und Eduard Reisch dafür zu engagieren.
Luftschutzbunker hatte Platz für 796 Personen
Der Luftschutzbunker hatte ursprünglich Platz für 796 Personen. Die Decke 2,40 Meter stark und die Wände drei Meter dick. Von 1960 bis 1973 diente der Bau als Ankunftszentrum für Gastarbeiter aus Italien, Griechenland und der Türkei.

An der Stelle der Bunkeranlage wird ein temporärer Zugang von der Gleishalle zu den U-Bahn-Linien 4 und 5 entstehen. Der aktuelle Zugang muss für den Bau des U9-Vorhaltekörpers und des neuen Empfangsgebäudes weichen.
Sprengung am Donnerstagabend verläuft planmäßig
Am Abend ist die Sprengung planmäßig verlaufen. Gegen 19 Uhr betätigt der Eduard Reisch den Auslöser. "3, 2, 1, 0 – Zündung, ruft der Sprengmeister für gewöhnlich unmittelbar davor. Rund 30 Kilogramm Semtex-Sprengstoff wurde innerhalb weniger Millisekunden gezündet. Passanten und Bahnreisende werden wie geplant nicht viel mitbekommen haben. Der Knall werde sich anhören wie der Schuss einer Kleinkaliber-Waffe, erklärt Reisch Stunden zuvor.
Für den Sprengmeister wird die zigtausendste Zündung nichts Spektakuläres gewesen sein. "Man weiß ja, was passiert", antwortet Reisch auf die Frage, ob das nach wie vor ein besonderer Moment sei. "Da habe ich einen unwesentlich höheren Pulsschlag."
Auf der Baustelle werden noch weitere Sprengungen folgen, bis, wie geplant, rund ein Drittel des Bunkers entfernt sind. Und auch darüber hinaus wird Reisch viel zu tun haben. Von maroden Brücken über stillgelegte Kraftwerke und ausgedienten Windkraftanlagen werde in Deutschland gerade sehr viel gesprengt, sagt er.
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