Soko Nightlife: Das Sündenregister des Münchner Altstadtreviers
München - Die Sonderkommission "Nightlife" ermittelt seit rund zwei Jahren im Drogenskandal im Polizeipräsidium München. Die Staatsanwaltschaft und das LKA stießen dabei auf Hunderte Vergehen. Eine Anfrage der SPD-Abgeordneten Stefan Schuster und Doris Rauscher im Landtag macht nun weitere Details in dem Skandal öffentlich.
Viele Beschuldigte vom Revier in der Altstadt
Gegen 37 Angehörige der Münchner Polizei wurde oder wird ermittelt. 30 der Beschuldigten waren im Wach- und Streifendienst eingesetzt, hauptsächlich betroffen waren Beamte der PI 11 (Altstadt). Die Vorwürfe reichen von Bestechlichkeit und Freiheitsberaubung, über gefährliche Körperverletzung bis hin zu Geheimnisverrat, Volksverhetzung und Strafvereitelung.
Die Antwort auf die Landtagsanfrage der SPD liegt der AZ vor. Demnach wurden von der Soko "Nightlife" insgesamt 235 Einzeldelikte erfasst. "Die Zahl der Delikte ist erschreckend", sagt Stefan Schuster, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.
Detailliert sind die einzelnen Straftaten und Vergehen von Münchner Polizisten aufgelistet: darunter 25 Fälle von Körperverletzung im Amt, zwei Fälle sexueller Belästigung, 26 Verstöße im Zusammenhang mit Kokain, 15 im Zusammenhang mit Cannabis, acht Fälle von Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen, vier Fälle der Volksverhetzung, drei Verstöße gegen das Waffengesetz.
Ermittler werten Millionen Bilder aus
Fahnder beschlagnahmten fast 100 Handys. Sie werteten etwa 6,7 Millionen Bilder aus und rund sieben Millionen Chatnachrichten. Manches davon entpuppte sich als purer Quatsch, als Gewaltfantasie ohne Bezug zur Realität. Einer der Polizisten prahlt im Chat, eine Frau zum Sex gezwungen zu haben. Als die Soko der Sache nachging, kam heraus, dass es sich nach Angaben der Frau lediglich um eine Knutscherei gehandelt habe.
Manches Chat-Geplauder unter Polizisten entpuppte sich dagegen als wahr, wie die Staatsanwaltschaft der AZ auf Anfrage bestätigte: In einem Fall ging es dabei um die unrechtmäßige Einweisung eines betrunkenen Mannes in die Psychiatrie. Er hatte die Beamten schlicht genervt.
Ein anderer Polizist hat sich laut Chatprotokoll bei einem Ausflug mit Kollegen zu einer Polizei-Praktikantin ins Bett gelegt und der Frau in den Nacken gebissen. Das Verfahren gegen den Täter wurde gegen die Zahlung einer hohen Geldstrafe eingestellt. Das Opfer arbeitet in der Zwischenzeit nicht mehr bei der Polizei.
Ein weiterer Polizist hatte bei einem Biergartenbesuch den Hitlergruß gezeigt. Bei einer Kontrolle hatte ein Polizist den Führerschein eines berühmten Fußballspielers des FC Bayern fotografiert und das Bild anschließend im Chat an die Kollegen verschickt.
Staatsanwalt spricht von "Parallelwelt"
Andere Ermittlungen förderten weitere konkrete Straftaten ans Licht, die letztendlich vor Gericht verhandelt wurden. Ein Staatsanwalt sprach dabei in einem Prozess im vergangenen Februar von einer "Parallelwelt". Wie man darin so abdriften könne, so der Staatsanwalt damals, lasse ihn "immer noch sprachlos zurück". Das Verfahren endet für den angeklagten Polizisten mit einer Geldstrafe über 13.200 Euro. In dem Prozess ging es um Erwerb und Besitz von Drogen und Dopingmitteln, sowie der Weitergabe von Dopingmitteln.
Die Staatsanwaltschaft konnte inzwischen insgesamt 22 Polizisten ein strafbares Verhalten nachweisen. Gegen sie wurden Geldbußen verhängt, Strafbefehle erlassen - nicht alle mussten sich in einem Prozess verantworten.
Einer von ihnen wurde erst kürzlich zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Dabei ging es auch um Drogenerwerb, Beihilfe zum Handel mit Drogen und dem Verrat von Dienstgeheimnissen.
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