Social Media und Heizöl: Franziska Böhnlein steht für eine neue CSU-Generation
Berchtesgaden – "Gehst du wie 'ne Schlampe raus, musst du dich nicht wundern", singt Shirin David. Franziska Böhnlein tanzt dazu und ahmt die Sängerin in einem Instagram-Reel nach. Und zwar im bauchfreien Top, darüber hat sie eine schwarze Lederjacke an. Man muss sich schon ein bisschen die Augen reiben: Ist das wirklich eine Landtagskandidatin der CSU? Noch dazu jene, die auf Platz 7 der Oberbayern-Liste gleich hinter den Spitzenkandidaten kommt?
Ja, tatsächlich. Die CSU muss sich verjüngen. Bei der Bundestagswahl 2021 wählten nur 15 Prozent der 18- bis 24-Jährigen mit ihrer Zweitstimme die CSU. Grüne (21,1 Prozent) und FDP (19,5 Prozent) kamen dafür umso besser weg. CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder hat das begriffen und nutzt die Sozialen Medien, Stichwort #Söderisst. Sogar zwei eigene #Södersongs-Playlists gibt es auf Spotify. Nur bleibt er halt für viele der vielgescholtene "alte weiße Mann".
Franziska Böhnlein kam durch einen Zufall zur Politik
Die Berchtesgadenerin Böhnlein wirkt wie ein Gegenentwurf zu den alten Herren der CSU. Die 28-Jährige ist eher durch Zufall in die Politik gekommen, erzählt sie im Gespräch mit der AZ. "Vor zehn Jahren hat mich das null interessiert", sagt Böhnlein. Aber ein Gerichtsprozess zu einem Immobilienprojekt in ihrer Heimatstadt hat sie dann doch neugierig gemacht. Im Unternehmer-Verein sprach sie mit anderen Gewerbetreibenden über das Thema.
"Und da haben mir einige gesagt: Hey, du hast Ahnung und einen normalen Ansatz, wie du an Dinge rangehst, dich würden wir gern in der Politik sehen. Genau!", ruft die junge Frau ironisch aus. Aber letztlich ließ sie sich überzeugen. Bei der CSU kannte sie einfach am meisten Leute, fühlte sich wohl. 2018 wurde sie auf Anhieb in den Marktgemeinderat von Berchtesgaden gewählt.
Im Betrieb der Eltern durch noch Heizöl und Gas verkauft
Manchmal kann das politische Geschäft in so einem kleineren Ort schon auch schwierig werden: "Wenn dann einer sagt, die Entscheidung gefällt mir nicht, ich kauf nix mehr bei euch." Böhnlein scheint damit umgehen zu können. Sie arbeitet im Betrieb ihrer Eltern, die unter anderem Heizöl und spezielle Gase, etwa für die Industrie oder Kliniken, vertreiben. Sie sei aber keine "Cheftochter", sondern kriege ein viel deutlicheres Feedback als die anderen Angestellten.
Den Energiewandel erlebt sie quasi jeden Tag live im Betrieb: "Wir versuchen, weg von den fossilen Energien zu kommen", sagt Böhnlein. Nur sehe sie halt, wie schwierig das noch ist. Aber auch Strom und Pellets haben die Böhnleins im Angebot. "Man muss halt unternehmerisches Denken beweisen, weil ja viele Energieträger verboten werden. Aber das kriegen wir hin", sagt die 28-Jährige. Angefangen habe ihre Familie schließlich mit Kohle, die es so jetzt auch nicht mehr gebe.
Junge CSU-Kandidatin aus Berchtesgaden: "Beste Werbung, wenn Leute zu uns ziehen wollen"
Eine echte Männerdomäne ist es, in der Böhnlein arbeitet. Shirin David singt im eingangs erwähnten Lied von all den Dingen, die eine Frau so erdulden muss: "Lächel doch mal!" In den Untertiteln schreibt Böhnlein selbst davon, was sie sich schon so alles anhören musste von Männern. Etwa: "Es ist noch ein Platz auf meinem Schoß frei." Es sieht zwar spaßig aus, aber ihre Botschaft an ihre gut 2.000 Follower auf Instagram ist eine andere: "Lasst euch nicht unterkriegen, Mädels, es gibt auch nette Dudes und Dudettes, die euch unterstützen und akzeptieren, genau wie ihr seid!"
So witzig und augenzwinkernd wirkt Böhnlein auch im Gespräch mit der AZ. Sie ist keine, die zwar die modernen Medien nutzt, aber vom Kopf her noch in den 1980er Jahren steckt. Als es beispielsweise um Wohnraum für Einheimische in Berchtesgaden geht, ist sie tolerant: Das muss aus ihrer Sicht niemand sein, dessen Familie schon seit Generationen dort gelebt haben muss. Sie findet: "Ist doch die beste Werbung, wenn auch Leute von anderswo zu uns ziehen wollen!"
Bis jetzt hat Franziska Böhnlein in der CSU nur Positives erlebt
Böhnlein ist zwar auch im Bauausschuss und im Rechnungsprüfungsausschuss. Aber ein echtes Anliegen ist ihr ihre Aufgabe als Jugendreferentin. Mit Kindern und Jugendlichen hatte sie bis dato "gar nix" am Hut gehabt. "Das ist eine absolute Herzensangelegenheit geworden!", sagt Böhnlein heute. Die Kinder seien einfach wahnsinnig dankbar.
Es gibt ja diesen Witz in der Politik, an dem auch viel Wahres hängt: "Feind, Erzfeind, Parteifreund." Bei Böhnlein klingen Parteiveranstaltungen eher so wie ein fröhlicher Kindergeburtstag, bei dem keiner weint. Bis jetzt habe sie nur Positives bei der CSU erlebt, sagt sie der AZ. "Das ist das Schöne daran, wenn man ein direkter Mensch ist." Ist das naiv? Oder bietet sie deshalb keine Angriffsfläche, weil es mit ihrem Listenplatz eh schwierig bis chancenlos wird – was Böhnlein durchaus bewusst ist?
"Das finde ich nicht in Ordnung": Die 28-Jährige redet auch mal Tacheles
So wie Böhnlein es wahrnimmt, werde sie dafür geschätzt, dass sie auch mal Tacheles rede. Etwa als es während der Corona-Pandemie sehr überraschende Parteiaustritte im Kreisverband gab: "So ohne konkretes Feedback auszutreten, das finde ich nicht in Ordnung." Letztlich sei ihre Position dazu ausschlaggebend gewesen, dass man sie zur Kandidatur aufgefordert habe.
Von ihr sei die Idee nicht gekommen: "Ich maße mir grundsätzlich nicht an, mich in Ämtern zu sehen." Entsprechen sei sie etwas verdutzt gewesen, als ihre CSU-Kollegen im Kreisverband sie fragten. Ein Wochenende lang nahm sie sich Bedenkzeit, hatte Zweifel wegen des Familienbetriebs, der ja weiterlaufen muss. Aber am Montag sei die Antwort klar gewesen.
Der Chef der Jungen Union in Bayern freut sich über den frischen Wind in der CSU
Böhnlein gibt auch zu, dass sie nicht gut in der Schule war. "Wenn von mir irgendwann mal ein Zeugnis geleakt wird, dann ist das halt so." Das wäre auch ihr Anliegen in der Politik: "Man muss nicht studieren, sondern kann auch durch Fleiß in einer Ausbildung viel erreichen!" Sie habe sich selbst lange geschämt, weil sie nicht studiert habe – heute sei sie stolz auf das Erreichte.
Für Böhnlein sind auch die Sozialen Medien ein Türöffner, gerne auch "mit a bisserl Schmäh". "Da erreicht man einfach sehr viele Leute", sagt Böhnlein und es klingt sehr pragmatisch. Bayerns JU-Chef Christian Doleschal freut sich, dass Böhnlein ein bisschen frischen Schwung in den Wahlkampf bringe: "Authentisch, charmant und direkt – das find ich gut!" Es sei auch mal ganz gut, dass ihre Sprache noch nicht so eingeschliffen sei wie bei vielen alteingesessenen Politikern, sagt er der AZ.
Franziska Böhnlein wünscht sich mehr Frauen in der Partei: "Schwierig, Strukturen aufzubrechen"
Aber Böhnlein kennt auch die Schattenseiten von Social Media. Persönlich verletzende Kommentare bis zu: "Ich hoffe, du stirbst!" Sie werde zudem schnell mal als sexualisiertes Objekt gesehen, sagt Böhnlein. Sie wolle aber schon als Mensch wahrgenommen werden, nicht als Marketingfigur. Mit den Frauen hat die CSU gewisse Probleme – der Frauenanteil der CSU im Landtag wird aller Voraussicht heuer noch niedriger liegen als in den Vorjahren. Und schon derzeit liegt er nur bei rund einem Fünftel.
"Es ist schon hart. Man wird unterschätzt und es ist schwierig, die Strukturen aufzubrechen", sagt Böhnlein. Die Vereinbarkeit von Job, Politik und irgendwann auch mal Familie ist schon ein Thema, über das sie viel nachdenkt. "Darauf muss man erst mal klarkommen. Und es dann trotzdem machen." Und die Quote? "Jetzt muss ich aufpassen, was ich sage", sagt Böhnlein. Doch, "dieses Quäntchen, das die Türen öffnet", das würde sie schon befürworten.