"So kann es nicht weitergehen": München hat genug von Gammelstraße mitten in der Altstadt

In der Altstadt vor den beiden ehemaligen Kaufhäusern haben sich Obdachlose niedergelassen. Die Stadt München kündigt nun Räumungen an.
Nina Job
Nina Job
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
37  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Trauriges Bild: Das alte Galeria-Karstadt-Haus in der Schützenstraße steht seit Monaten leer. Obdachlose haben sich eingerichtet.
Trauriges Bild: Das alte Galeria-Karstadt-Haus in der Schützenstraße steht seit Monaten leer. Obdachlose haben sich eingerichtet. © Daniel von Loeper

München - Obdachlose liegen dick eingemummelt am Boden, ein paar Meter weiter gammeln Speisereste, Ratten flitzen umher. Nach dem Aus für die ehemaligen Galeria-Standorte an der Schützenstraße sowie am Stachus entlang der Sonnen- und Bayerstraße sind Ärger und Wut groß: bei Anwohnern und Ladenbesitzern.

Bei einigen Gewerbetreibenden ist es auch die pure Verzweiflung: Die Kundschaft bleibe weg, die Umsätze seien dramatisch eingebrochen, weil die Gegend so verwahrlose. Insbesondere in der Schützenstraße klagen Geschäftsinhaber, dass kaum noch Laufkundschaft kommen würde.

Bettler richten sich an der Schützenstraße ein: OB Dieter Reiter prüft Räumung

"Da muss sich niemand wundern, wenn wieder Geschäfte schließen müssen", sagte eine Geschäftsfrau vorige Woche in der AZ. Nun will OB Dieter Reiter (SPD) gegen die Bettler dort vorgehen. Bereits am Freitag, als der AZ-Bericht über die Situation vor Ort erschienen war, ließ der OB eine Räumung der Obdachlosenstätten rund um die beiden früheren Galeria-Standorte anordnen. Eine erste Räumung hatte es bereits vor einigen Wochen gegeben.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Sowohl am Stachus als auch unter den Gebäudevorsprüngen des 70er-Jahre-Kaufhauses entlang der Schützenstraße haben sich Bettler mit Thermomatten, Decken und ihren wenigen Habseligkeiten eingerichtet. Nach Erkenntnissen von Streetworkern sind es allein am Stachus zwölf, die dort ständig nächtigen. Bei ihnen handele es sich vorwiegend um obdachlose Zuwanderer, die immer wieder über die Übernachtungs- und Beratungsangebote der Stadt informiert worden seien, aber "alle Angebote ablehnen".

Schützenstraße in München wird zur Gammelstraße: Gefühl der Unsicherheit macht sich breit

Für Geschäftsinhaber, Hoteliers und auch für Münchner, die dort entlanggehen, ist die Situation keine angenehme. Auch Touristen würden verwundert nachfragen, was in München los sei, berichteten Ladeninhaber. Vor allem die Schützenstraße sei zur Gammelstraße verkommen. Dabei ist sie für München-Besucher, die mit dem Zug anreisen, die direkte oberirdische Verbindung zur Altstadt.

Eine Hoteldirektorin berichtete, dass sich auch immer wieder Gäste beschweren, weil ihnen nachts lärmende, grölende Menschen den Schlaf rauben. Mitarbeiterinnen würden sich nachts unsicher fühlen und nicht mehr allein an der Rezeption arbeiten wollen.

Baustopp am Hermann-Tietz-Haus: Steht der Signa-Konzern vor dem Aus?

OB Reiter kündigte am Montag an, die Situation mit den Bettlern "menschenwürdig zu regeln, denn diese Menschen kommen aus größter Not zu uns". Er betonte aber: "Das heißt aber nicht, dass sie unsere Hilfsangebote einfach ignorieren und ihr Lager irgendwo aufschlagen können". In solchen Fällen seien Räumungen "das letzte Mittel der Wahl". Der OB weiter: "So kann es jedenfalls nicht weitergehen."

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Reiter kündigte zudem ein Treffen mit dem Polizeipräsidenten an, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Auch will die Stadt Kontakt zu den Eigentümern der Gebäude aufnehmen.

Mit dem Eigentümer des Areals an der Schützenstraße allerdings dürfte das schwierig werden. Der leerstehende alte Karstadt und das denkmalgeschützte Hermann-Tietz-Haus am Bahnhofsplatz gehören komplett René Benkos ins Trudeln geratenem Konzern Signa. Seit Kurzem stehen die Sanierungsarbeiten auf der Baustelle am Bahnhofsplatz still – wie auch die Arbeiten an der Alten Akademie.

Das Hermann-Tietz-Haus in München: Die Sanierungsarbeiten am früheren Hertie-Kaufhaus Hauptbahnhof, das schon vor über 100 Jahren ein Warenhaus war, wurden gestoppt.
Das Hermann-Tietz-Haus in München: Die Sanierungsarbeiten am früheren Hertie-Kaufhaus Hauptbahnhof, das schon vor über 100 Jahren ein Warenhaus war, wurden gestoppt. © Daniel von Loeper

Die Signa hatte einen Baustopp verhängt. Es steht offenbar gar nicht gut um den Konzern: Nachdem vorige Woche eine erste Signa-Tochter, die Signa Real Estate Management Germany GmbH, Insolvenz anmelden musste, heißt es mittlerweile, bei vielen der über 1000 Gesellschaften stünde das wirtschaftliche Überleben auf der Kippe – sogar der gesamte Konzern sei in akuter Gefahr.


Die Zeit für den ehemaligen Benko-Konzern wird knapp: Signa kämpft ums Überleben

Das Wasser steht Signa offenbar bis zum Hals. Der angeschlagene Konzern, zu dem die Kaufhauskette Galeria sowie Immobilien in Milliardenhöhe gehören, braucht dringend 500 Millionen Euro. Wie der "Spiegel" und das Magazin "News" berichten, sind alle potenziellen Retter abgesprungen – nur mit einem werde noch verhandelt: mit dem US-Hedgefonds Elliott Investment Management von Paul Singer. Am Freitag hatte die erste Signa-Tochter Insolvenz angemeldet. Angeblich sind Hunderte weitere in Vorbereitung.

Zu dem Konzern, den der Österreicher René Benko gegründet hat, gehören mehr als 1000 Gesellschaften. Verwirrung gibt es um Sanierungsexperten Arndt Geiwitz. Laut Berichten soll er noch keinen Vertrag unterzeichnet haben, als neuer Vorsitzender des Beirats, "nur" Berater sein.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
37 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Hausgeist am 29.11.2023 09:38 Uhr / Bewertung:

    Dann würde ich in eine Stadt gehen deren Kulturelles Highlight nicht jährliches Komasaufen ist…

  • pittomuc am 29.11.2023 10:16 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Hausgeist

    Was hat denn das Oktoberfest mit Kultur zu tun?

  • Hausgeist am 29.11.2023 09:32 Uhr / Bewertung:

    Warum Räumung?!?
    Die armen Menschen,erst die kulturellen Bereicherungen wollen und jetzt wo man sie hat geht man schon mit ihnen um??
    Ein EU Bürger hat ein Recht seinen Aufenthaltsort frei zu wählen oder hat sich da was geändert?
    Und wenn es dem Rumänischen Bettler da gefällt,darf er da sitzen würde ich sagen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.