Baustopp bei Benko-Projekten erschüttert München: Was ist los mit der Signa-Gruppe?

Schock in München: Vorläufiger Baustopp bei René Benkos Signa-Projekten versetzt die Stadt in Unruhe. Arbeiten an bedeutenden Standorten wie der Alten Akademie und dem ehemaligen Hertiekaufhaus am Hauptbahnhof sind zum Stillstand gekommen.
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Die Alte Akademie soll in neuem Glanz erstrahlen, doch es gibt Bauverzögerungen.
Die Alte Akademie soll in neuem Glanz erstrahlen, doch es gibt Bauverzögerungen. © Daniel von Loeper

München - Hinter den meterhohen Bauzäunen ist Ruhe. Ein paar vereinzelte Baufahrzeuge stehen noch herum, ein Kran ohne Kranführer ragt in den Novemberhimmel. Bis vor Kurzem wuselten hier noch viele Arbeiter herum, der Baulärm war weithin zu hören. Nun rührt sich hier nichts mehr: An der Alten Akademie mitten in der Fußgängerzone und am früheren Hertiekaufhaus am Hauptbahnhof, das saniert wird, sind die Arbeiten eingestellt. Ein Security-Mann hält als Letzter die Stellung: "Stopp", sagt er in gebrochenem Deutsch. "Stopp für immer" und überkreuzt dabei die Unterarme. Ein paar Meter weiter haben sich Obdachlose häuslich eingerichtet unter dem Vordach des Karstadtkaufhauses, das im Sommer im Zuge der Galeria-Insolvenz geschlossen wurde. Alle drei sind Objekte von René Benkos Signa-Gruppe.

An der Schützenstraße haben sich beim ehemaligen Karstadtkaufhaus Obdachlose eingerichtet.
An der Schützenstraße haben sich beim ehemaligen Karstadtkaufhaus Obdachlose eingerichtet. © Daniel von Loeper

Vorläufiger Baustopp erschüttert Münchens Bauprojekte der Signa-Gruppe

Wie auch das ehemalige Stammhaus des Schreibwarenfachgeschäfts Kaut-Bullinger in der Rosenstraße. Hier tut sich schon seit Monaten nichts: Wie eine Ruine steht das graue Gebäude hinter hohen Bauzäunen und Absperrgittern. Ein neues Geschäftshaus hatte Signa hier geplant. Aktivisten haben mit weißer Farbe groß "Abriss vermeiden" auf den Zaun gesprüht.

Die Nachricht von dem vorläufigen Aus aller Benko-Projekte erschüttert die Stadt. Bereits Mitte voriger Woche hatte die Signa dem Bauunternehmen Porr für die Arbeiten an der Alten Akademie einen vorläufigen Baustopp angeordnet. Das bestätigte eine Porr-Sprecherin der AZ. "Auf Wunsch und in enger Abstimmung mit Signa werden derzeit 'Sicherungsarbeiten' von uns durchgeführt", teilte die Sprecherin weiter mit. Als Reaktion auf den Baustopp hatte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Mittwoch auch noch einen Planungsstopp für alle Signa-Projekte veranlasst.

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Die Alte Akademie hatte der Konzern des Tiroler Selfmade-Milliardärs und einstigen Immobiliengurus 2013 im Erbbaurecht vom Freistaat Bayern erworben. "Eine einzigartige Verbindung von Vergangenheit und Zukunft, Tradition und Moderne", sollte entstehen.

Von der Fußgängerzone aus ist die Baustelle umhüllt mit riesigen bedruckten Planen, die eine Vorstellung davon geben sollen, wie's mal ausschauen soll, wenn alles fertig ist. Auf den Planen stehen große Worte: "Die Alte Akademie ist Ausdruck Münchner Identität", steht da etwa. Und dass Signa der Stadt etwas zurückgeben wolle, heißt es großspurig: "einen Ort der Identität".

Unsicherheit um René Benkos Signa-Projekte: Was passiert mit der Alten Akademie?

Der Blick von der anderen Seite, ist ein anderer: Gerüste stützen die alte Fassade wie eine feste Zahnspange ein riesiges, schiefes Gebiss, dahinter viel Erde und Sand und ein einzelner Bagger. Das Projekt wirkt noch lange nicht so weit fortgeschritten, wie viele dachten.

Aber langfristige Mietverträge hatte die Signa bereits abgeschlossen: Der Schweizer Pharmakonzern Novartis wollte in die Alte Akademie ziehen und sich eine Münchner Dependance in Bestlage schaffen. Auch an eine Modefirma hat die Signa bereits vermietet. Doch der geplante Einzugstermin von Novartis musste nach hinten verschoben werden, nun wurde Novartis von der Signa noch nicht mal über den Baustopp informiert - das teilte eine Sprecherin der AZ am Donnerstag mit. Novartis erfuhr es aus der Zeitung.

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Informationen von der Signa zu erhalten ist in diesen Tagen, in denen der Konzern in massiven Geldnöten steckt, generell schwierig. Als die AZ im Signa-Büro, das sich gegenüber vom Oberpollinger befindet, klingelt, öffnet niemand. Keiner da, sagt eine Frau durch die Sprechanlage. Und Auskünfte gebe es hier sowieso keine. Aber auch schriftliche Medien-Anfragen werden nicht beantwortet, schon seit längerem.

Hoteliers und Ladenbetreiber in Aufruhr: Auswirkungen des Baustopps spürbar

Zutiefst verärgert über die aktuelle Situation sind Hoteliers und Ladenbetreiber in der Schützenstraße. Seitdem der Karstadt schließen musste, habe sich die Situation extrem verschlechtert. "Ich will mir gar nicht vorstellen, dass das nun über Jahre so bleibt", sagt etwa Meghan Dinegar. Sie ist die Direktorin des Boutique-Hotels "Yours Truly" (73 Zimmer), dem Nachfolger des Anna-Hotels am Stachus.

"Viele Beschwerden": Hoteldirektorin Dinegar mit Kollege Duwel.
"Viele Beschwerden": Hoteldirektorin Dinegar mit Kollege Duwel. © job

Gegenüber, am früheren Karstadt haben sich Obdachlose breitgemacht. "Die sind hier quasi eingezogen." Nachts würden sich Hotelgäste über den Lärm beschweren, eine Mitarbeiterin wolle nachts nicht mehr alleine an der Rezeption arbeiten, da Obdachlose klingeln, um die Toilette zu benutzen. Es gebe immer öfter schlechte Online-Bewertungen.

Gewerbetreibende: "München hat seine Seele an Herrn Benko verkauft"

Restaurantleiter Patrick Duwel stört extrem, dass sich in der Schützenstraße nun vermehrt Ratten und Mäuse aufhalten. "Wenn man da zehn Minuten steht, sieht man 40", sagt er. Goldhändler Yahya Ajeel stört außerdem, dass die Schützenstraße, die eigentlich Fußgängerzone ist, zugeparkt wird.

"Katastrophe fürs Geschäft": Goldhändler Yahya Ajeel.
"Katastrophe fürs Geschäft": Goldhändler Yahya Ajeel. © job

Am allermeisten aber ärgert sich eine Gewerbetreibende, die nicht genannt werden will. Sie fühlt sich von der Stadt im Stich gelassen. "München hat seine Seele an Herrn Benko verkauft", meint sie. "Wir können schauen, wo wir bleiben. Und dann wundern sich alle, wenn wieder einer schließen muss."

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3 Kommentare
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  • blauerRealist am 24.11.2023 10:43 Uhr / Bewertung:

    Die ist Pleite ganz einfach. Tja liebes München und Land Bayern selber Schuld wenn man immer wieder Projekte an das gleiche Gebilde abgibt.

  • Wolff am 24.11.2023 13:30 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von blauerRealist

    Politik müsste halt mal aufhören, blauäugig an das Gute im Investor zu glauben. Da zählen aber nur Rendite und eigenes Vermögen - und wenn es nicht läuft wie gewünscht, dürfen Staat/Gesellschaft über die Klinge springen.

    Aber wenn man es mit grünen Träumern und Didi Ahnungslos zu tun hat, ist das natürlich auch sehr einfach.

  • Knitterface am 23.11.2023 23:50 Uhr / Bewertung:

    Im SPIEGEL steht dazu ein interessanter Artikel.

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