Silvester-Konzert: Rammstein klaut Theresienwiese-Nachbarschaft wichtigen Feierraum
München - Mit den Stimmen von SPD, CSU, FDP und Bayernpartei hat am Mittwoch der Stadtrat beschlossen, das geplante Konzert von Rammstein auf der Theresienwiese nicht sofort zu beerdigen. Jetzt soll das Kreisverwaltungsreferat prüfen, ob der Veranstalter ein Konzept vorlegen kann, das alle Kriterien hinsichtlich der Besuchersicherheit, der Verkehrssicherheit und des Lärmschutzes erfüllt.
Damit hat sich die Stadt auch von der Idee verabschiedet, dass die Theresienwiese außerhalb von Frühlingsfest, Oktoberfest und – in kleinerem Ausmaß – Wintertollwood die "Wiese" aller Bürger ist, die nicht weiter kommerzialisiert wird.
AZ-Leserin Lisa Kreuzer schreibt uns: "Ich wohne seit über 35 Jahren am Bavariaring. An Silvester gibt es das Treffen der näheren und weiteren Nachbarschaft, die sich jedes Jahr pünktlich ab 23.30 Uhr auf der Wiesn eingefunden hat. Um sich überwiegend friedlich ein gutes neues Jahr zu wünschen mit mitgebrachten Getränken und dem ein oder anderem Knaller."
Anne Hübner: "Eine Ruhestörung kann München an Silvester gut vertragen"
Das wird bei einer Genehmigung des Rammstein-Konzerts nicht mehr möglich sein. Das Thema Anwohner und ihre "Tradition" habe in der Diskussion wohl keinen Raum gefunden, beklagt sie. Die Politik hatte andere Prioritäten.
"Eine Ruhestörung kann München an Silvester gut vertragen", hatte SPD-Fraktionschefin Anne Hübner am Mittwoch in Anspielung auf einen Rammstein-Song und mit den Stadträten ihrer Partei für das Konzert gestimmt.
Aber ein Rammstein-Konzert ist eben kein Fest für die Münchner Bürger, sondern eine kommerzielle Veranstaltung, die auch die Leutgeb Entertainment wohl kaum unter 100 Euro pro Ticket anbieten kann.
Im Olympiastadion wäre das Silversterkonzert sehr gut aufgehoben. Auf der Theresienwiese raubt es den Bürgern ihren städtischen Raum zum Feiern.
Rammstein auf der Theresienwiese könnte noch juristische Folgen haben
Die im Vorfeld diskutierte Einmaligkeit einer solchen Großveranstaltung findet sich in der Beschlussvorlage allerdings nicht wieder: "Der Olympiapark bleibt der Standort für Großkonzerte in München", heißt es dort. "Veranstaltungen von großem öffentlichen Interesse auf der Theresienwiese und an anderen öffentlichen Spielorten in München bedürfen künftig einer frühzeitigen Befassung und Entscheidung des Stadtrats."
Das könnte noch juristische Folgen haben, wenn sich etwa andere Kulturveranstalter nach dem Prinzip der Gleichbehandlung die Theresienwiese für 2023 oder 2024 mit einem attraktiven Zugpferd sichern wollen. Und es wirft die Frage auf, wo Menschen, die sich keine Silvesterparty leisten können, dann ihren Platz haben werden.
"Der Veranstalter wird gebeten, im Rahmen eines Genehmigungsantrags an die Stadt München Überlegungen einzubringen, wie ein Silvesterkonzert an diesem Standort auch sozial-ökologischen Kriterien gerecht werden kann", heißt es in der Beschlussvorlage.
Aber das klingt eher hilflos, wenn die Stadtratsmehrheit gerade die sozial-ökologischen Kriterien verraten hat.