"Schönheit allein reicht nicht": So üben die Marktweiber für ihren Auftritt auf dem Viktualienmarkt
München - Der letzte Ton der schmissigen Polka ist verklungen. Die Damen verharren mit ihren bunten Puscheln in einer Art Ausfallschritt. Es ist mucksmäuschenstill. Alle blicken erwartungsvoll zu Christian Langer, der freudestrahlend sogleich seine Arme in die Höhe reißt. "Wow! Das war klasse! Ihr seid klasse! Einfach toll!", ruft er, und um ihn herum bricht Jubel aus. Einige fassen sich an den Händen und tanzen fröhlich im Kreis herum, einige genehmigen sich einen Schluck Sekt. Die Freude ist groß, dass er endlich synchron gelingt: der Tanz Nummer sieben, der bis zuletzt nicht so richtig klappen wollte.

Bis zuletzt - das heißt bis zur Generalprobe für einen ganz besonderen Auftritt, den man fraglos schon als legendär bezeichnen kann: den einzigartigen Tanz der Marktweiber am Faschingsdienstag.
Auftritt auf dem Viktualienmarkt in München: "Wir wollen auch was Gscheits auf die Bühnen bringen"
Auch heuer werden die Standlfrauen in ihren farbenfrohen Gewändern wieder die Massen auf dem Viktualienmarkt begeistern. Traditionsgemäß sorgt zwar bereits allein ihr Anblick beim Faschingspublikum für Jubelstürme und Applaus. "Doch wir wollen natürlich auch was Gscheits auf die Bühne bringen", sagt Christl Lang, die Chefin der tanzenden Marktweiber, der AZ und fügt schmunzelnd hinzu: "Schönheit allein reicht ja nicht!"
Damit der Auftritt wieder zum gefeierten Höhepunkt des Münchner Faschings wird, muss fleißig geübt werden. Schließlich präsentieren die Standlfrauen Jahr für Jahr ein neues Programm aus zehn bis zwölf verschiedenen Tänzen: eher klassisch, modern, fantasievoll, amüsant. Alles ist dabei. Für die Choreographien sorgt seit 20 Jahren der Münchner Tanzlehrer Christian Langer, der mit den Marktfrauen beziehungsweise seinen "Mädels" seit jeher trainiert. Seit einigen Jahren wird im Pfarrsaal von Heilig Geist geprobt. Die Lage ist ideal für die Tanzschülerinnen: Die Kirche ist direkt am Viktualienmarkt.
Die Proben der Marktweiber in München beginnen schon im Oktober
Los geht's mit den Proben alljährlich im Oktober. Bis Ende Dezember treffen sich die Damen mit ihrem Tanzlehrer einmal pro Woche für drei Stunden zum Training. Ab Januar wird das Pensum angehoben: "Dann üben wir Montag und Dienstag", sagt Christian Langer, dem man bei der Generalprobe die Aufregung ansehen kann - wie den meisten seiner 26- bis 70-jährigen Tanzschülerinnen.

Dabei sagt das Alter nicht unbedingt etwas über die Tanzkünste aus. Bei der Generalprobe brillierten oder vertanzten sich mal ältere, mal jüngere Marktfrauen. Die Beine von zwei Seniorinnen in der fröhlichen Zwölfergruppe wollen nicht mehr jeden schwungvollen Hopser mitmachen. Dafür trumpfen sie mit Rhythmus, Charisma und guter Laune auf. "Wir sind ja Marktfrauen und keine professionellen Tänzerinnen", stellt die Floristin Liane Willand-Schäfer klar, die nicht die älteste Marktfrau ist, sondern die dienstälteste. "Ich bin heuer das 39. Mal dabei und nach wie vor mit so großer Freude", sagt die Blumen-Fachfrau und drückt ihre Tochter Julia (26) an sich, die erklärtermaßen "das Küken" der Damenrunde ist: "Einst haben schon meine Mutter und meine Schwester mitgetanzt. Mit Julia ist bei uns die Familientradition bei den Marktweibern gesichert!"
München: Einige Marktweiber nähen die Kostüme selbst
Deren nimmermüde Chefin Christl Land bringt es schon auf 37 Jahre - und auf zwölf höchst fantasievolle Kleider mit passenden Hüten: "Das kommt mit den Jahren zusammen. Es fällt einem ja auch immer was Neues ein." Wie ihre farbenfrohen Gewänder aussehen sollen, entscheidet jede Marktfrau selbst. Einige setzen sich selbst an die Nähmaschine, andere gehen zum Schneider und wieder andere bekommen ihre Kleider von Vorgängerinnen quasi vererbt. Allen ist aber eines gemein. Alle Kleider und Hüte zeigen deutlich, in welcher Branche die jeweilige Standlfrau tätig ist. So finden sich zum Beispiel im Gewand von Petra Kager vom "Ho-nighäusl" Stoff-Bienen. Metzgerin Hella Friedl hat Plastikschweinchen am Kleid, Christl Lang Obst und Gemüse, Erika Schuster-Dik diverse Kunstblumen.
Was die Marktweiber heuer tragen? Eine Überraschung
Was die Marktweiber - die übrigens ausdrücklich so genannt werden wollen - heuer am Faschingsdienstag tragen werden, bleibt abzuwarten. "Wir überraschen uns auch öfter mal mit neuen Kreationen, die wir den anderen erst am Auftrittstag zeigen", erzählt Bäckerin Annemarie Doll. Fest steht, dass die Standlfrauen dem dieses Jahr recht kurzen Fasching die Krone aufsetzen. Wie heißt's doch so schön: Das Beste kommt immer zum Schluss. Das bunte Treiben auf dem Viktualienmarkt beginnt am Faschingsdienstag um 9.30 Uhr. Offiziell startet das Programm auf der Bühne um 10 Uhr. Um 11 Uhr sind dann die zwölf Marktweiber mit ihrem Tanzlehrer dran. Sie werden es ordentlich krachen lassen und dabei selbst die größte Freude dabei haben. Wie sagte doch Christl Lang: "Für uns ist das Ganze wie eine Sucht."
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