Interview

Schmuckkünstler Karl Fritsch ist der Herr der Ringe

Ein Nagel im Edelstein? Der Schmuckkünstler Karl Fritsch kennt keine Tabus. Das zeigen seine Objekte, die aktuell wieder in München zu sehen sind - etwa in der Pinakothek der Moderne und auf der IHM, die am Mittwoch in Riem beginnt
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Der Goldschmied Karl Fritsch, Jahrgang 1963, aus Sonthofen hat an der Münchner Kunstakademie studiert und ist mit seinen expressiven Ringen in den wichtigsten Kunstsammlungen der Welt präsent. Mit seiner Frau, der Schmuckkünstlerin Lisa Walker, lebt Fritsch in Wellington in Neuseeland.
Der Goldschmied Karl Fritsch, Jahrgang 1963, aus Sonthofen hat an der Münchner Kunstakademie studiert und ist mit seinen expressiven Ringen in den wichtigsten Kunstsammlungen der Welt präsent. Mit seiner Frau, der Schmuckkünstlerin Lisa Walker, lebt Fritsch in Wellington in Neuseeland. © Christa Sigg

München - Die Insel tut ihm gut. Vielleicht liegt es aber auch am Jetlag, dass Karl Fritsch so entspannt wirkt und doch dauernd etwas anstellen möchte. In der Galerie Artcurial ist das schwer möglich, da steht und hängt alles nach Plan. Aber würden vor dem Schmuckkünstler, den es aus dem Allgäu nach München und dann nach Neuseeland verschlagen hat, Drähte, Gummis oder irgendetwas zum Wegwerfen liegen, könnte er sich kaum zurückhalten.

Bereits in der Schule hat Karl dauernd an etwas herumgeformt. Und wahrscheinlich war es kein Fehler, dass er in seiner weltvergessenen Verspieltheit versäumt hat, sich rechtzeitig an der Holzbildhauerschule anzumelden. Ein guter Herrgottsschnitzer wäre sicher aus ihm geworden, aber der Schmuck und das Tüfteln und Fummeln am Überschaubaren liegen ihn schon sehr. Andernfalls wären seine Objekte auch nicht im Metropolitan Museum of Art, im Stedelijk oder im Victoria & Albert Museum gelandet.

Karl Fritsch über die "Entwertung" von Edelsteinen

Jetzt hat Fritsch wieder einen großen Auftritt in verschiedenen Ausstellungen in München - und in der Oberpfalz, wo ihm ein Galerist so ziemlich alles ermöglich, was zu seinen irren Ringen passt. Bis hin zu rosarot getünchten Wänden.

Autsch! Auf dem Goldring sitzt ein Diamant, den Karl Fritsch 2008 mit Stahlnägeln durchbohrt hat.
Autsch! Auf dem Goldring sitzt ein Diamant, den Karl Fritsch 2008 mit Stahlnägeln durchbohrt hat. © Erich Spahn / Galerie Zink Waldkirchen

AZ: Herr Fritsch, Sie schlagen einen rostigen Nagel mitten in einen Smaragd oder Diamanten. Tut Ihnen das nicht weh?

KARL FRITSCH: Nein, das ist sogar ein Vergnügen. Es geht ja um das Fassen von Steinen, und die Aussage dabei ist: So kann man das auch machen. Dann entsteht etwas ganz Einfaches, aber auch völlig Neues. Dazu kommt die Zerstörung. Normalerweise wird ein Stein geschliffen, um ihn möglichst wertvoll zu machen. Bohrt man ein Loch hinein, ist der Stein quasi entwertet. Aber dadurch regt er zum Nachdenken an: Was ist an einem solchen Stein nun so wertvoll? Und wer bestimmt diesen Wert? Interessanterweise kostet mich bei manchen Steinen das Loch mehr als der ganze Stein.

Bei Diamanten wird das Bohren schnell teuer

Ist das Bohren so teuer?
Durch einen Saphir kann man noch relativ einfach bohren. Für einen Diamanten braucht es dann einen Laser, und je mehr man vom Volumen des Steins herausnimmt, desto teurer wird das Loch. Lustig, oder? Es ist auch nicht einfach, jemanden zu finden, der das übernimmt. Da heißt es sofort, der spinnt doch.

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Oder der Stein ist womöglich nicht legal erworben und muss unkenntlich gemacht werden…
Auch. Aber der Markt für diese Steine ist eine ganz eigene Welt. Sie liegen ja nicht mit Preisschildern aus. In Antwerpen an der Diamantenbörse sitzen die Händler hinter verschlossenen Türen, das Besorgen des Materials ist durchaus ein Abenteuer.

Sie wollten mal hässlichen Schmuck schaffen.
Das war früher eine gewisse Auflehnung gegen die übliche Vorstellung von Schmuck als etwas grundsätzlich Schönem, Glänzendem, Glattem. Damit fällt man heute kaum mehr auf, dabei trägt man Schmuck doch auch, um etwas Besonderes zu sein, um sich herauszuheben. Da kam mir die Idee, das zu "verschandeln", denn dadurch schauen die Menschen wieder eher hin als bei einem Stück von Bulgari oder Cartier. Das "Verschandeln" hat eine ganz eigene Ästhetik, das fiel in den frühen 1990er Jahren auf, heute wird es oft eingesetzt.

Ringe mit Gravuren von Sauerbraten bis Klima

Ist das eine Art Dekonstruktivismus?
Ja, das könnte man sagen. Deshalb verwende ich nach wie vor gerne Gold, Silber und Edelsteine. Seit Jahrtausenden gibt es den Ring mit einem Stein. Mich treibt um, wie ich einen neuen Ring machen kann. Und mir wird einfach nicht langweilig dabei.

Ein Goldring von 2020 mit Bändern, die sich wie Spaghetti formieren.
Ein Goldring von 2020 mit Bändern, die sich wie Spaghetti formieren. © Erich Spahn / Galerie Zink Waldkirchen

Es steckt ja auch viel Witz in Ihren Ringen. Über manchen schwebt ein nudelartiges Geflecht, manchmal sind Sprüche, Titel oder Gerichte eingraviert wie Leberkäs, Nudelsuppe oder Roulade mit Spätzle.
Im Grunde ist das wie beim klassischen Siegelring mit einem Wappen oder einem Wahlspruch. Und Rouladen mit Spätzle sind mein Lieblingsgericht. Damit biete ich an, ein Schmuckstück zu schaffen, das mit der Trägerin oder dem Träger zu tun hat. Wer lieber Sauerbraten isst, kann sich das genauso draufschreiben lassen. Oder etwas Politisches. Ich habe auch einmal "Klima" auf einen Ring geschrieben. Aber kann man mit einem Schmuckstück die Welt verändern? Anspruch und Überbau sind mir da einfach zu groß.

Warum Ringe und keine Ketten oder Broschen?
Ich finde das Format gut. Einen Ring kann man leicht anprobieren und sieht sofort, ob er passt. Das ist mit Ohrringen schon sehr viel schwieriger. Man spürt den Ring ja auch, da gibt es ein Gewicht, und ich habe ihn quasi "greifbar".

Auch die "Nudelsuppe" gehört zu dem Stücken, die im Band "Ruby Gold" (Arnoldsche) veröffentlicht sind.
Auch die "Nudelsuppe" gehört zu dem Stücken, die im Band "Ruby Gold" (Arnoldsche) veröffentlicht sind. © Erich Spahn / Galerie Zink Waldkirchen

Sie haben oft alten Schmuck verwendet.
An der Akademie war das der Horror, da musste das Gold rein und fein sein. Ich habe dann in den frühen 1990ern angefangen, Altgold zu kaufen. Das glich dem Schmuck von meinen Tanten. Aber anstatt ihn einzuschmelzen, fing ich an, diese ausgemusterten und fast wertlosen Stücke zu reparieren und zu bearbeiten. Das entspricht mir, da steckt viel von mir drin. Ich muss mit meinen Ringen doch nicht unbedingt die Schmuckgeschichte verändern.

Vielleicht ist das ja der Schlüssel zum Erfolg. Sie sind in allen großen Museen vertreten.
Kann sein, jedenfalls ist es mein Bedürfnis, so zu arbeiten. Ich brauche keinen aufgeblasenen konzeptionellen Überbau.

Bei den Preisen gibt es noch oben kein Limit

Wie wichtig ist Ihnen die gute Tragbarkeit?
Man muss einen Ring nicht den ganzen Tag und zu allen Jahreszeiten am Finger haben. Es gibt ja auch Exemplare, die ein halbes Kilo wiegen. Damit geht man schon ganz anders. Entscheidend ist der Anlass, und Schmuck bleibt ein Luxusgegenstand, die Aussage ist eine besondere.

Wer trägt Ihren Schmuck?
Das geht ziemlich querbeet vom Museumsdirektor in München über den Bäckerlehrling in Neuseeland oder Studenten in Amerika bis zu meinen Tanten in Gietlhausen.

In welchen Größenordnungen bewegen sich die Preise?
Das fängt in der Gegend von 1.000 Euro an, und dann sind nach oben kaum Grenzen gesetzt. Wenn jemand einen lupenreinen Fünf-Karäter will, übernehme ich das auch gerne. Viele Leute haben auch alten Schmuck und das Vertrauen in meine Vorstellung. Dann mache ich daraus etwas Neues.

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Sie sind 2009 mit der Familie nach Neuseeland und damit in die Heimat Ihrer Frau ausgewandert. Spielt die Umgebung eine Rolle bei Ihrer Kunst?
Ich merke, dass Neuseeland immer mehr in meine Arbeit einsickert. Die Kultur der Maori basierte auf Steinwerkzeugen, zumindest bis die Engländer kamen. Ich nehme mittlerweile am Strand Steine mit, die ich dann bearbeite. Das ist wie mit den herumliegenden Nägeln, die plötzlich in meinen Schmuck gekommen sind. In Deutschland würde ich sicher nichts mit zufällig gefundenen Steinen anfangen.

Karl Fritsch: In Neuseeland schmeckt Bier manchmal wie Obstsalat

Brauen Sie neuerdings nicht auch Bier?
Ja, da ist sicher auch ein bissl Heimweh mit im Spiel. In Neuseeland wird viel "Home Brewing" betrieben, man bringt sein eigenes Bier auf Feste mit, und da wird allerhand zusammengemischt. Es gibt ja kein Reinheitsgebot, deshalb kann das schon mal wie Obstsalat schmecken. Ich wollte aber ein normales Bier, also habe ich mit einem Freund eine "Brew Station" gemietet und angefangen, ganz klassisch zu brauen.

Karl Fritschs Ringe und Keramik von Gerry Wedd sind bis 9. Oktober 2022 in der Galerie Zink in Waldkirchen ausgestellt.
Karl Fritschs Ringe und Keramik von Gerry Wedd sind bis 9. Oktober 2022 in der Galerie Zink in Waldkirchen ausgestellt. © Erich Spahn / Galerie Zink

Und schmeckt es?
Super! Das ist ein normales Helles, von dem man schon zwei, drei trinken kann. Vor allem aus einem selbst gemachten Krug. Der australische Keramiker Gerry Wedd hat da den Anstoß gegeben - wir stellen zurzeit gemeinsam in der Galerie Zink in Waldkirchen aus. Und natürlich sind gerade die Deckel wieder ein schöner Spielplatz für mich. Die Roulade mit Spätzle wäre dort auch gut aufgehoben. Bierkrüge mit Deckel gibt es seit Ewigkeiten, und oft sind Geschichten dargestellt worden oder ein Motto. Solche Dinge ergeben sich einfach, sie kommen auf mich zu. Aber so geht es immer weiter, mir fällt ständig etwas ein.


Termine der nächsten Ausstellungen von Karl Fritsch

"Handwerk & Design" auf der IHM bis 10. Juli 2022, Messe München, täglich von 9.30 bis 18 Uhr
"Schmuck - Jewelry 2012 - 2022" bis 10. Juli 2022 in der Neuen Sammlung, Pinakothek der Moderne, Mo bis So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr
Artcurial Allemagne, Galeriestr. 2b, München, Mo bis Fr 9 bis 13 und 14 bis 18 Uhr
"Turf & Surf" bis 9. Oktober mit Werken von Karl Fritsch und dem Keramikkünstler Gerry Wedd in der Galerie Zink, Waldkirchen, Sonntag von 14.30 bis 18 Uhr und nach Absprache, www.zink-waldkirchen.de

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