Interview

Glücklich im zweiten Anlauf: Neuer Gainsborough für die Pinakotheken

Mit dem Neuzugang kommt ein altes Ehepaar wieder zusammen. Hinter diesem Coup steckt ein engagierter Verein, der das Rampenlicht scheut.
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Sophia Hibbert kam 1978 durch den Pinakotheks-Verein nach München, ihr Ex-Mann ist ihr nun gefolgt, und jetzt hängen die beiden vereint im Saal II des Erdgeschosses hin zum Klenze-Portal.
Sophia Hibbert kam 1978 durch den Pinakotheks-Verein nach München, ihr Ex-Mann ist ihr nun gefolgt, und jetzt hängen die beiden vereint im Saal II des Erdgeschosses hin zum Klenze-Portal. © Bayerische Staatsgemäldesammlungen / Neue Pinakothek

AZ-interview mit Elisabeth zu Sayn-Wittgenstein: Die studierte Kunsthistorikerin und Betriebswirtin aus München engagiert sich seit langem für den Pinakotheks-Verein, den sie seit neun Jahren ehrenamtlich leitet.

Mit der Kunst ist sie eng verbandelt. Das merkt man, wenn Elisabeth zu Sayn-Wittgenstein eben mal über das flirrende Spiel der Naturtöne auf dem Porträt von Mrs. Sophia Hibbert spricht. Sie hat Kunstgeschichte studiert, aber da ist auch das früh geschulte Auge, der Großvater war ein passionierter Sammler. "Können wir das nicht rauslassen?", bittet Sayn-Wittgenstein, "es geht doch um den Pinakotheks-Verein" - und weist auf den neu angekauften Gainsborough, das heißt Mrs. Hibberts Ehemann im tiefroten Rock. Ein Gespräch über Großzügigkeit und konsequentes Sparen, rare Chancen und einen kuriosen Bildertausch.

AZ: Frau Sayn-Wittgenstein, der Pinakotheks-Verein ist in der Öffentlichkeit kaum präsent. Tue Gutes und schweige darüber?
ELISABETH ZU SAYN-WITTGENSTEIN: Der Verein zeichnet sich tatsächlich dadurch aus, dass wir engagierte Mitglieder haben, die mäzenatisch im Stillen Großes tun. Wir, der ehrenamtliche Vorstand, sind mit vielen von ihnen in direktem Kontakt, aber auch die Museumsmitarbeiter sind nahe bei unseren Mitgliedern.

Nun können Sie ja auch keine spektakulären Auktionen veranstalten.
Events sind in den Sammlungen der Alten Pinakothek leider nicht im großen Stil möglich. Dafür laden wir unsere Mitglieder zu Kunstführungen, Vorträgen und zu Kunstreisen ein, die immer sehr gut besucht sind. Oft gibt es sogar eine Warteliste. Vor ein paar Jahren haben wir deshalb eine Partnerkarte eingeführt, wobei uns Gäste immer willkommen sind, wenn Platz ist.

Die Pinakotheken haben einen minimalen Ankaufsetat, damit macht man keine großen Sprünge.
Für Häuser mit erstklassigen Sammlungen kann man aber nur Erstklassiges erwerben, und da sind die Preise nun mal durch die Decke gegangen. Deshalb bedarf es privater Initiativen. Dass Spitzenwerke auf den Markt kommen, die zum Bestand der Pinakotheken passen, ist dennoch extrem selten der Fall. Wir kaufen ja nicht fürs Depot.

"Die Porträts waren fast 140 Jahre lang getrennt"

Wie sind Sie auf den Gainsborough aufmerksam geworden?
Uns wurde das Bild angeboten. Und zwar von einer Galerie, die das Gemälde für die Nachkommen der Auftraggeber veräußern sollte. Dieses Kunstwerk war quasi durchgehend in Familienbesitz und hing zuletzt über Jahrzehnte als Leihgabe in Gainsborough's House. Das ist das zum Museum umgebaute Geburtshaus des Malers im englischen Sudbury, nordöstlich von London.

Hatte denn Gainsborough's House kein Interesse?
Großes sogar, das habe ich allerdings erst vor ein paar Tagen vom Gainsborough-Experten Hugh Belsey erfahren, der beim Pinakotheks-Verein einen Vortrag zum Bild gehalten hat.

Immerhin kommt es jetzt in München zur "Familienzusammenführung".
Die Porträts waren fast 140 Jahre lang getrennt, sie jetzt nebeneinander zeigen zu können, ist ein Glücksfall. Das Paar hat sich zwar 1796 getrennt, aber jeder hat dem anderen sein Bildnis mitgegeben. So schlecht werden sich Mr. und Mrs. Hibbert wohl nicht verstanden haben, und wer weiß, weshalb die Ehe wirklich auseinanderging.

Wie konnten Sie den Ankauf stemmen?
Gleich bei der Vorstellung im Kuratorium des Vereins hat ein Mitglied spontan eine hohe Summe zugesagt. Damit sind wir dann weitergezogen und haben innerhalb von drei Monaten über 400.000 Euro aus Kuratorium und Fördererkreis zusammenbekommen.

Das hat aber nicht gereicht.
Nach einigen Verhandlungen hat das Bild dann 1,8 Millionen Euro gekostet. Die Differenz konnte der Pinakotheks-Verein übernehmen, ohne ins Minus zu geraten. Wir arbeiten sehr zurückhaltend, unsere Geschäftsstelle ist halbtags besetzt, den Rest macht der Vorstand selber, und Spenden, die uns zufließen, werden konsequent angespart. Wir sind außerdem in engem Austausch mit unseren Mäzenen und können schnell reagieren, wenn sich eine solche Chance auftut. Seit Mitte der 1960er Jahre ist das jetzt die 18. Erwerbung in so hoher Qualität.

1,8 Millionen Euro sind kein Schnäppchen, aber hat die Möglichkeit des Ankaufs auch mit der aktuellen Krisensituation zu tun?
Nein, denn wir haben das Gemälde bereits im letzten Jahr erworben. Im Gegenteil, die seit Jahren niedrigen Zinsen beflügeln den Kunstmarkt ja weiterhin.

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Sie unterstützen die Alte und die Neue Pinakothek, für die Pinakothek der Moderne übernimmt das PIN. Weshalb zwei Fördervereine?
Dies ist zuerst einmal historisch bedingt, denn der Pinakotheks-Verein wurde 1953 zum Wiederaufbau der Alten Pinakothek gegründet und erweiterte sein Spektrum 1978 in das 19. Jahrhundert, als die Neue Pinakothek gebaut wurde. PIN ist aus dem Galerieverein hervorgegangen, der schon 1964 zum Ankauf zeitgenössischer Kunst gegründet worden war.

Gibt es Bestrebungen, die beiden Vereine zu fusionieren?
Nein, beide Vereine sprechen ihre Mitglieder unterschiedlich an und sind jeweils für sehr verschiedene Sammlungen und Kunstepochen zuständig. Wir sind zu PIN auf positive Weise komplementär, ich nenne PIN immer den "Schwester-Verein". Und es gibt durchaus Kunstliebhaber, die sich in beiden wohl fühlen und engagieren. 


Die Bilder

Wieder vereint.
Wieder vereint. © Margarita Platis

Ein tolles Paar, muss man sagen. Thomas Gainsborough, der sehr angesagte Porträtist der englischen Upper Class, hat Mr. und Mrs. Hippert um 1785 so eindringlich in Szene gesetzt, dass das Auge sofort haften bleibt. Etwa, um über seinen zinnoberroten Rock zu gleitet, die weichen Lederhandschuhe oder ihre fast widerspenstigen grauen Locken, die mit Rouge belebten Bäckchen, ihren leicht koketten Mund und die wahrscheinlich nicht ganz glücklichen kleinen Augen. Doch leider wissen wir wenig über die beiden, nur, dass die Ehe auseinanderging und der finanzielle Hintergrund nicht der schlechteste war.

Die Hibberts aus dem Norden Englands haben im 18. Jahrhundert einen sagenhaften Aufstieg hingelegt: Die Handelsbeziehungen in die Karibik waren einträglich, Thomas’ Onkel hatte in Kingston auf Jamaika auch eine Plantage, die mit Sklaven bewirtschaftet wurde. Ganze 14 Jahre blieb der Neffe auf der britischen Kolonial-Insel, um sich nach 1780 auf seinen Landsitz Chalfont Park in Buckinghamshire zurückzuziehen, den er nach den neuesten Moden der Architektur und Gartenkunst vom Erfolgsduo Humphry Repton und John Nash gestalten ließ. 1784 kam dann auch die passende Frau – Sophia Boldero aus einer Londoner Bankiersfamilie – dazu.

Bei der Trennung überließen sich die beiden ihr jeweiliges Porträt. Damit blieb ein gewisses Band bestehen, und nun hängen Thomas und Sophia vereint in der Alten Pinakothek (Saal II EG), umringt von Turners Blick auf Ostende oder Thomas Lawrences Söhnen des Earl Talbot. Leicht möglich, dass die Hibberts einen zweiten Anlauf nehmen. 

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