Rathaus-Kracher: Stadtrat Marian Offman (CSU) wechselt zur SPD
München - "Das Geheimnis ist gelüftet durch persönliches Erscheinen", sagt SPD-Fraktionschef Alexander Reissl zur versammelten Presse, die sich auf eine sehr vage gehaltene Einladung am Montagnachmittag im Rathaus eingefunden hat.
Reissl und die Münchner SPD-Chefin Claudia Tausend haben ein wohlbekanntes Gesicht bei sich: Stadtrat Marian Offman (71), eigentlich CSU. "Vor 50 Minuten hat die SPD-Fraktion Marian Offman einstimmig in ihre Reihen aufgenommen", verkündet Reissl. Offman, seit über 20 Jahren CSU-Mitglied, seit 18 Jahren Stadtrat, Sozialpolitiker und Mitglied des Vorstands der Israelitischen Kultusgemeinde, ist ab sofort ein Genosse!
"Wir freuen uns", kommentiert Tausend die Situation. "Wir kennen uns schon sehr lange, und er ist mir nie aufgefallen durch Positionen, die nicht mit unseren in Einklang zu bringen wären." OB Dieter Reiter lässt wenig später ebenfalls verlauten: "Ich schätze Marian Offman als profunden Sozialpolitiker und freue mich, dass er meine Fraktion ab sofort verstärkt. Er ist ein Mahner und ein Vermittler und zeigt, was Zivilcourage heißt!"

Offman selbst scheint sich noch nicht so richtig zu freuen, er wirkt sichtlich angefasst. "Es war kein leichter Schritt, es war ein sehr, sehr schwerer Schritt", betont er. "Auch weil ich viele Freunde in der CSU habe, die ich jetzt wohl verloren habe. Das sehe ich an den Mails, die ich jetzt bekomme“. "Ich will gar nicht aufzählen, wie viele schlaflose Nächte ich gehabt habe in den letzten Wochen."
Während er ausführlich seine Beweggründe und seinen Entscheidungsprozess erklärt, macht er immer wieder lange Pausen. "Ich bitte um Verständnis, dass das kein leichter Tag für mich ist."
Im Kreisverband abgesägt - Vorwürfe von der Basis
Was ist also passiert zwischen Offman und seiner (Ex-)Partei? Anfang Juli hatte ihn sein Kreisverband Bogenhausen fallengelassen. Zugunsten jüngerer Kandidaten wurde er nicht mehr als Kandidat für die Kommunalwahl 2020 empfohlen. "Ich bin mit 16:4 Stimmen im Kreisvorstand durchgefallen, das ist traurig und es ist respektlos", sagte Offman damals zur AZ. Offman wechselte in der Folge wütend und enttäuscht zunächst in einen anderen CSU-Kreisverband, wo er theoretisch aufgestellt noch werden könnte.
Auch von der Basis gab es schwere Vorwürfe gegen Kreisverbands-Chef Robert Brannekämper, dieser habe die Entscheidung über den Rauswurf im kleinen Kreis fällen lassen, statt von Delegierten. Auch Offmans Vize im Ortsverband Bogenhausen-Ost, Venanz Schubert, sprach von einem "abgekarteten Spiel" gegen Offman und schmiss sein Amt hin.
Offman: "In der CSU konnte ich das nicht mehr"
Anders als etwa Kollege Richard Quaas, der im Kreisverband München-Mitte ebenfalls seinen Platz räumen muss und am Montag betonte, er werde deshalb nicht aus der Partei austreten, reifte in Offman dann wohl die Entscheidung zu dem weit drastischeren Schritt.
Auch, weil er viel Zuspruch aus der Bevölkerung erhalten habe, wie er sagt. Wildfremde Menschen hätte ihn angesprochen und appelliert, er möge seine Arbeit doch bitte fortsetzen. Ähnliches habe er in der jüdischen Gemeinde gehört und bei vielen anderen Anlässen seitdem. Er wolle "die Rolle, die ich in der Stadtgesellschaft ausfülle als Politiker, auch als jüdischer Politiker, irgendwie weitermachen. In der CSU konnte ich das nicht mehr, das ist ausgeschlossen", so Offman.
Inhaltlich stehe er für eine offensive Sozialpolitik, der soziale Ausgleich in der Stadt sei ein primäres Ziel. So stehe er auch für mehr geförderten Wohnungsbau, was auch ein Grund für die Ablehnung in Bogenhausen gewesen sei. Dort rückt nun unter anderen die SEM-Gegnerin Daniela Vogt nach. Und ein Mitarbeiter Brannekämpers.
"Ich bin gegen Ankerzentren und für den Ausgleich der Religionen, gerade auch mit den islamischen Verbänden." Ein Hauptthema sei außerdem der Kampf gegen Rechtsradikale und die AfD. Offman ist bekannt dafür, bei Demonstrationen gegen rechts präsent zu sein. "Ich will weiter da hingehen und Gesicht zeigen. "Die sollen sehen, dass da ein jüdischer Stadtrat ist, der keine Angst vor ihnen hat." Wie wichtig das sei, zeige auch der Mord am hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU). "Auch ich stand auf so einer Liste", sagt Offman.
Endgültige Entscheidung fiel erst am Montag
Den letzten Schubs zur Entscheidung habe es tatsächlich erst am Montag gegeben, als die CSU beschloss, sich nicht am Vorstoß mehrerer Fraktionen zur Seenotrettung zu beteiligen. In der vergangenen Woche hatte sich die SPD Grünen und Linken angeschlossen und einen Antrag gestellt, die Stadt solle wie mehr als 70 andere deutsche Städte aus Seenot gerettete Flüchtlinge aufnehmen. "Meine Großeltern waren auch Flüchtlinge. Es gab Schiffe mit jüdischen Flüchtlingen, die abgewiesen wurden, wie kann ich da gegen Seenotrettung sein", sagte er.
„Man hat meine abweichende Meinung in der CSU immer toleriert“, so Offman. "Man hat mich in der CSU gewähren lassen, obwohl es klar war, dass es überhaupt nicht Parteilinie war." Dies sei nun aber nicht mehr gegangen, so Offman. Er habe immer mehr an Mehrheiten und Zustimmung verloren.
Platz auf der SPD-Liste ist nicht sicher
Einen Listenplatz für die Kommunalwahl hat Offman aber auch bei der SPD keineswegs sicher: Das Verfahren sei sehr anders als bei der CSU, erklärt Parteichefin Tausend. „Das ist bei uns eine Basisentscheidung, alle Stadtrats-Kandidaten durchlaufen dieses Verfahren. Wir können keine Zusagen machen.“
Wirklich entschieden würden diese Fragen ohnehin erst nach der Sommerpause. "Wir haben einen Bewerberschluss bis 31. August", so Reissl. Fünf Plätze auf der Liste können jedoch OB Dieter Reiter und der Parteivorstand besetzen. Es sei möglich, dass Offman einen davon bekomme, aber keinesfalls gesetzt, denn es gebe viele Anwärter, so Tausend.
CSU reagiert mit Unverständnis
Seiner Ex-Partei hatte Offman seine Entscheidung am Montagmittag mitgeteilt, in einem Gespräch mit Fraktionschef Manuel Pretzl und Ludwig Spaenle. Pretzl ließ hinterher verlauten, Offman sei "in einem demokratischen Auswahlverfahren innerhalb seines Kreisverbandes nicht mehr als Kandidat für den nächsten Stadtrat aufgestellt worden." Dies sei keine Richtungsentscheidung gewesen, "sondern ein ganz normaler Vorgang innerhalb des zwangsläufigen Verjüngungsprozesses einer Partei."
Er respektiere die Entscheidung, sie stoße bei ihm aber auch auf Unverständnis. "Ich finde, dass man Parteien nicht wie ein Hemd wechseln sollte." Seiner Ansicht nach ging es bei dem Übertritt nicht um "inhaltliche Differenzen, "sondern um Marian Offmans ganz persönliche Perspektive für die Zeit nach dem März 2020".
Die SPD wird durch Offmans Schritt ganz nebenbei wieder stärkste Fraktion im Rathaus. Zumindest bis zur Wahl im März.
Lesen Sie auch: CSU - Diese Münchner Stadtrats-Urgesteine werden ausrangiert . Außerdem: Offmans Wechsel zur SPD: Nicht überzeugend
Außerdem: Sven Wackermann rückt in den Stadtrats-CSU nach