Prozess um Mord mit Kreissäge in München: Urteil am Freitag erwartet
München - Der arglose Mann ist mit den Händen ans Bettgestell gefesselt, er kann durch die zugeklebte Schwimmbrille nichts sehen. Sebastian H. erwartet Lustgewinn, stattdessen drückt ihm seine Freundin eine laufende Handkreissäge zwei Mal in den Hals. Wenige Augenblicke später ist der 28-Jährige tot.
Diese Horrorszenen spielten sich im Dezember 2008 in einem kleinen Haus in Haar ab. Gut acht Jahre später musste sich Gabi P. wegen des Todes ihres Freundes vor Gericht verantworten. Ihr neuer Freund hatte sich verplappert, eine Bekannte informierte im Dezember 2015 die Polizei. Gabi P. gestand die Bluttat und sagte den Ermittlern, wo die Leiche im Garten vergraben wurde.
Am Freitag ist das Urteil gesprochen worden. Vor der Urteilsverkündung sind sich die meisten Prozessbeobachter einig: Klare Sache, das war Mord. Die Studentin wird für ihre Tat lebenslänglich in Haft gehen müssen.
Doch zur Überraschung fast aller kommt das Schwurgericht zu einem anderen Ergebnis. Die Tat war lediglich Totschlag. Dafür sind 12 Jahre und sechs Monate die angemessene Strafe.
"Die Tötung ist skurril und bizarr", findet der Vorsitzende Richter Michael Höhne, spricht von einem "Horrorszenario". "Wer einem anderen eine laufende Handkreissäge zwei Mal gegen den Hals drückt, handelt mit absolutem Vernichtungswillen."
Aber Mord? Die Richter verneinen, weil sie der Angeklagten keine Heimtücke nachweisen konnten. Zwar war das Opfer wehr- und arglos, aber Sebastian H. hatte sich aus eigenem Wunsch fesseln lassen. Gabi P. hatte möglicherweise die Situation nur in diesem Moment ausgenutzt, um den wehrlosen Mann zu töten. Etwas anderes war ihr nicht nachzuweisen. Nur wenn die Studentin ihr Opfer bereits mit Tötungsabsicht gefesselt hätte, könnte man aber von Heimtücke und Mord sprechen. Verteidigerin Birgit Schwerdt hatte das Gericht in ihrem Plädoyer auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 2007 hingewiesen, das genau in diesem Sinne argumentierte.
Unklar bleibt auch das Motiv. Das Gericht konnte jedenfalls keine niedrigen Beweggründe erkennen. Am ehesten tauge noch ihre Unzufriedenheit mit der Beziehung als mögliches Motiv. Die Tat sei auch nicht grausam gewesen, da das Opfer sehr schnell gestorben sei.
Staatsanwältin Melanie Lichte sieht das anders. Sie hatte eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes gefordert und prüft eine Revision. Für die Adoptiveltern des Opfers, die als Nebenkläger dem Prozess folgten, ging es vor allem darum, dass ihr Pflegesohn rehabilitiert wurde. Das Urteil? Nebensache. Die leibliche Mutter von Sebastian H. ist dagegen erbost: "Das Urteil ist unglaublich."
Anders die Gefühlslage bei Pflichtverteidigerin Schwerdt. Für sie ist es der zweite große Erfolg innerhalb weniger Tage. Am Montag war ihr Mandant Robert B., der seine Schwester in einem Münchner Luxusapartment erdrosselt hatte, ebenfalls nur für einen Totschlag und nicht wegen Mordes verurteilt worden. Bei ihm fiel die Strafe mit sieben Jahren Haft sogar noch milder aus.
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