"Platooning": Fahren Münchens Busse bald halb autonom in Kolonne?
München - Vermutlich hat jeder dieses Phänomen schon einmal erlebt: Zu Stoßzeiten, etwa morgens und abends, sind viele Busse in München gesteckt voll. Zu Randzeiten hingegen fahren manche Linien fast leer durch die Stadt.
Gerade Gelenkbusse oder solche mit Personenanhänger brauchen zudem (zu) viel Energie und sind nicht flexibel genug einsetzbar, um auf derlei stark schwankende Fahrgastzahlen reagieren zu können. Dieses Problem wollen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nun in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken München (SWM) lösen.
Platooning: Busse sollen autonom hintereinander fahren
Die Wissenschaftler setzen dabei auf das sogenannte "Platooning": Dabei fahren mehrere Fahrzeuge mittels elektronischer Steuerung in engem Abstand hintereinander. Diese Kolonnen können beliebig an den jeweiligen Bedarf angepasst werden. "Beim Platooning muss nur das vorderste Fahrzeug durch einen Fahrer gesteuert werden, alle nachfolgenden können diesem automatisiert folgen", erläutert Professor Eric Sax, Leiter des Instituts für Technik der Informationsverarbeitung (ITIV) am KIT, einen weiteren Vorteil des Systems.
Verbunden sind die Busse dabei nicht physisch, sondern nur informationstechnisch. Die "elektronische Deichsel" kann leicht entkoppelt und Platoons somit leicht geteilt und wieder verbunden werden. "Durch Platooning können wir den Busbetrieb optimal an den Bedarf je nach Tageszeit oder Linie anpassen – besonders im städtischen Umland", sagt Dr. Svenja Reiß von den Stadtwerken München (SWM). "Da sich die Platoons teilen und verbinden, wie es die Nachfragesituation erfordert, können wir unseren Fahrgästen ein passgenaues Angebot bieten."
SWM lassen neues Bus-System erforschen
In München werden bei den Bussen bislang Anhänger eingesetzt, um auf Nachfrageschwankungen zu reagieren.
Bis Mitte 2022 sollen die Platooning-Konzepte und die entsprechenden Algorithmen für die Automatisierung fertig sein. Dann beginnt Phase zwei des Tests. Die Software wird dann in einem Bus des niederländischen Elektrobushersteller Ebusco auf dem neuen "Tempus"-Testfeld für urbanen automatisierten Straßenverkehr im Norden Münchens getestet.
Bürgermeisterin Katrin Habenschaden sagte zur Eröffnung der Teststrecke: "Tempus ist eine große Chance für München. Wir können direkt auf unseren Straßen testen, welche Möglichkeiten das automatisierte und vernetzte Fahren bietet – nicht zuletzt im öffentlichen Nahverkehr mit virtuell gekoppelten Fahrzeugen. Uns ist es wichtig, mit solchen Kooperationen Unternehmen und Forschungseinrichtungen ein reales Testlabor vor der eigenen Haustür zu ermöglichen. Als Stadt gewinnen wir dabei wichtige Erkenntnisse für die Verkehrsplanung der Zukunft."
So sollen Erfahrungen gesammelt werden, wie die technischen Rahmenbedingungen für selbstfahrende Fahrzeuge gestaltet sein müssen und wie andere Verkehrsteilnehmer auf die neue Technologie reagieren. "Unser Ziel ist es, die neuen Fahrzeuge ab Mitte des Jahrzehnts auf die Straße zu bringen", sagt Kit-Professor Sax. Der Bund fördert das Projekt mit rund 12 Millionen Euro.