Pfleger zockt Rentnerin ab: "Ich dachte, ich verliere ihn"

Roswitha Hanker (71) ist nach zwei Unfällen auf Krankenpflege angewiesen. Sie gerät an einen Mann, der anfangs sehr hilfreich und nett ist – doch dann beginnt er, die Frau abzuzocken.
Moritz Trostmann |
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Fast 100  000 Euro Schaden hat Roswitha Hanker erlitten, weil sie ihrem Krankenpfleger vertraut hat.
Katharina Alt/privat Fast 100 000 Euro Schaden hat Roswitha Hanker erlitten, weil sie ihrem Krankenpfleger vertraut hat.

Die Gutmütigkeit einer 71-jährigen ehemaligen Sozialpädagogin wird über Jahre hinweg von ihrem Pfleger ausgenutzt. Der erfindet immer neue Geschichten, um ihr achtmal Geld aus der Tasche zu ziehen. 50 000 Euro sind’s am Schluss – dann macht sich der Pfleger urplötzlich aus dem Staub. Ihre Altersversorgung ist damit futsch.

Alles begann mit zwei Unfällen in den Jahren 2010 und 2012. Die Rentnerin Roswitha Hanker verletzte sich zuerst am rechten Fuß, dann zwei Jahre später am linken Knie. Insgesamt fünf Operationen machten aus ihr einen Pflegefall.

Über einen Nachbarn bekam sie den Kontakt zu einem Pfleger, der einen vertrauenswürdigen Eindruck erweckte. Es handelte sich um einen jungen Kroaten, der von nun an für die Versorgung der Rentnerin zuständig war. Er kam drei- bis viermal am Tag, wurde zum Begleiter und Vertrauten.

 

„Er war so hilfsbereit, machte mir Komplimente“

 

Chauffeurdienste und kulturelle Ausflüge waren ebenso Teil seiner Beschäftigung wie gemeinsames Kaffeetrinken, Kochen, Einkaufen oder das Ausziehen von Schuhen. „Er war so hilfsbereit, machte mir Komplimente“, sagt Roswitha Hanker, „ja, er bauchpinselte mich richtig.“ Mit der Zeit war der Pfleger nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken.

In den nächsten Monaten trat der Krankenpfleger plötzlich mit Forderungen und Geschichten an sie heran. Zuerst brauchte er 500 Euro, um angebliche Verwandte in Kroatien zu besuchen. Dann 12 000 Euro, die seine ehemalige Lebensgefährtin ihm angeblich vom Konto gestohlen hatte.

Lesen Sie hier: Vorwürfe wegen Erpressung in Flüchtlings-Zentrum weiten sich aus

Weitere 15 000 Euro musste er dem Finanzamt dringend zurückzahlen, sonst würde er abgeschoben. „Was macht der dann mit seinem armen, kleinen Sohn, an dem hängt er so?“, habe Hanker sich dann gedacht. Sie gab ihm das Geld.

Zusätzlich gestand er ihr, über drei Jahre weder Kranken- noch Rentenversicherungsbeiträge eingezahlt zu haben. Auch all diese Beträge zahlte die Rentnerin – aus Angst, ihren Freund und Pfleger zu verlieren.

„So richtig sozialpädagogisch“ habe sie agiert, das sieht sie heute ein, „ich habe immer geholfen. Aber bis dahin nie mit Geld.“

 

Roswitha Hanker zahlte immer weiter - der Pfleger blieb immer länger weg

 

Für jeden Betrag erhielt sie einen Schuldenbeleg von ihm. „Ich war doch auf seine Hilfe angewiesen. Das war alles emotionale Erpressung.“ Das ist ihr nun klar.

Die Forderungen nahmen indes kein Ende. „Auf einmal sollte ich auch noch 3000 Euro Schulden begleichen, die er bei einem Freund hatte. Da war ich so sauer, dass ich ihm auch noch das zahlen sollte. Aber ich dachte, wenn ich das nicht mache, dann verliere ich ihn.“ Dazu kamen 7000 Euro für eine Operation, die sein Vater benötigte. „Ich konnte doch den Vater nicht sterben lassen“, erklärt die Rentnerin ihre Handlung. Und weitere 4000 Euro für Schulden, die er angeblich bei zwielichtigen und mafiösen Kroaten hatte.

Von da an blieb er immer öfter weg. Auf Anrufe reagierte er selten, und wenn er abnahm, erzählte er, er betreue Patienten in einer Beatmungsklinik in Rosenheim, um Geld zu verdienen, das er ihr anschließend zurückzahlen könne.

Im Dezember 2014 kam er dann mit der letzten Forderung auf sie zu: 7000 Euro müsse er zahlen, um seinen Pass wiederzubekommen, sonst würde man ihn abschieben. Am 19. Dezember übergab sie ihm das Geld. Das war das letzte Mal, dass sie ihn gesehen hat.

 

Nicht nur Geld war weg - auch Uhren, Schmuck, Brillanten, Münzen

 

„Dann kam der Tierarzt für meine zwei Katzen zu mir nach Hause. Den wollte ich bezahlen – und dann waren 500 Euro aus meinem Portemonnaie verschwunden.“ Der Einzige, der Zugang dazu hatte, sei der Pfleger gewesen. Sie stellte ihm eine Falle, fragte, wie das Krankenhaus in Rosenheim heiße, in dem er arbeite. Er wusste die Antwort nicht. Roswitha Hanker rief die Polizei. Das war Ende 2014.

„Danach erst habe ich gemerkt, was noch alles fehlte: Uhren, Schmuck, Brillanten, Münzen, ein altes Fischbesteck aus dem 19. Jahrhundert. Das habe ich alles angegeben bei der Polizei, aber da fehlt natürlich jeder Beweis.“

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Sie erstattete Anzeige und engagierte vor gut einem Jahr eine Anwältin. Die Münchner Juristin Michaela Geissler beauftragte den zuständigen Gerichtsvollzieher. Es ging um einen Vollstreckungsbescheid über 44 000 Euro. Der von der Anwältin eingeschaltete Gerichtsvollzieher aber habe nach ihrer Aussage „leider nur eine einmalige Teilzahlung von etwas über 300 Euro“ eintreiben können. Die Konten des Kroaten seien „bereits leergeräumt“ gewesen.

Rechtsanwältin Geissler: „Seit Herbst 2015 ist der Krankenpfleger abgetaucht und für die Gerichtsvollzieher nicht mehr zu erreichen. Da Kanzleien und Gerichtsvollzieher nur beschränkte Möglichkeiten haben, einen Schuldner ausfindig zu machen – etwa mittels Anfrage beim Einwohnermeldeamt – verweisen wir in solchen Fällen als letzte Möglichkeit an Detekteien.“

 

Roswitha Hanker weiß nicht, wie sie weitermachen soll

 

Die Strafsache bearbeitet jetzt die Staatsanwaltschaft München I (Aktenzeichen: 251 Js 227344/14), Roswitha Hankers Geld bleibt aber weiterhin verschwunden.

Und nicht nur das: Der Wert der weiteren Gegenstände, die der Krankenpfleger aus ihrer Wohnung entwendet hat, beläuft sich auch noch einmal auf geschätzt 50 000 Euro.

Ihre Altersvorsorge ist damit verloren. Wie die Rentnerin jetzt weitermacht, weiß sie auch nicht. Und das alles nur, weil sie einem Mann „in Not“ helfen wollte. Obwohl doch eigentlich sie diejenige war, die Hilfe nötig hatte.

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