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Olympia-Attentat: Familien finden Entschädigung beleidigend

Die Bundesregierung ist zu mehr Entschädigungen nach dem Olympia-Attentat von 1972 bereit. Die Hinterbliebenen halten sie für nicht ausreichend, sie seien "verärgert und enttäuscht".
AZ/dpa |
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Ein Polizeibeamter im Trainingsanzug im Einsatz im Olympischen Dorf.
Ein Polizeibeamter im Trainingsanzug im Einsatz im Olympischen Dorf. © Horst Ossinger/dpa/Archivbild

München - Die Hinterbliebenen der Opfer des Olympia-Attentats von 1972 in München halten vom Bund angebotene weitere Entschädigungszahlungen für völlig unzureichend.

"Die deutsche Bundesregierung hat uns eine völlig unakzeptable und beleidigende Summe angeboten als abschließende Entschädigung", sagte die Sprecherin der Opferfamilien, Ankie Spitzer, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in München. "Wir sind verärgert und enttäuscht", zumal es sich nicht um ein offiziell unterschriebenes Angebot gehandelt habe, sondern um ein sogenanntes Arbeitspapier."

Spitzer: "Müssen nach internationalen Standards entschädigt werden"

Zuvor hatte sich Spitzer dazu auch in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) geäußert. Darin erklärte sie, es sei von zehn Millionen Euro die Rede gewesen. Darauf sollten Zahlungen aus den Jahren 1972 und 2002 in Höhe von rund viereinhalb Millionen Euro angerechnet werden.

"Nachdem das Münchner Attentat nach internationalem Recht ein Akt des internationalen Terrorismus war, müssen wir nach internationalen Standards entschädigt werden und nicht nach lokalem, deutschem Recht", sagte Spitzer weiter.

Bundesregierung: "Derzeit laufen vertrauensvolle Gespräche mit den Vertretern der Opferfamilien"

Spitzers Ehemann André war bei einem Anschlag palästinensischer Terroristen am 5. September 1972 gestorben, ebenso wie zehn weitere Sportler und Trainer der israelischen Olympiamannschaft sowie ein Polizist.

Das Bundesinnenministerium hatte am Mittwoch "erneute finanzielle Leistungen des Bundes, des Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München" angekündigt - das bedeutet nach einem jahrzehntelangen Streit um Entschädigungszahlungen eine Wende.

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Die Bundesregierung wolle die "gravierenden Folgen für die Hinterbliebenen der Opfer in immaterieller und in materieller Hinsicht" neu bewerten. Derzeit liefen "vertrauensvolle Gespräche mit den Vertretern der Opferfamilien".

Der Schmerz sitzt auch 50 Jahre nach dem Attentat immer noch tief. In München wird derzeit bei zahlreichen Veranstaltungen der Toten und Verletzten gedacht. So hatte am Mittwoch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einen Kranz am Erinnerungsort im Olympiapark niedergelegt, unweit der Unterkunft der israelischen Sportler, wo die Terroristen am frühen Morgen angegriffen und Geiseln genommen hatten.

Ankie Spitzer: "Wir werden nicht akzeptieren, dass Deutschland uns zu Bettlern macht"

Das am 5. September geplante Gedenken will die Bundesregierung zum Anlass für eine klare politische Einordnung der Geschehnisse nehmen. "Anlässlich des bevorstehenden Jahrestages und noch immer offener Fragen der historischen Aufarbeitung und Einordnung hat die Bundesregierung diese Ereignisse und den Umgang mit ihnen in den vergangenen Wochen einer Neubewertung unterzogen", sagte der Sprecher des Innenministeriums.

Ankie Spitzer kann mit diesen Plänen des Bundes wenig anfangen. "Diese sogenannte politische Einordnung des Anschlags muss nicht während der Gedenkfeiern stattfinden. Sie hatten 50 Jahre lang Zeit, dieses Attentat einzuordnen!", sagte sie. "Wir werden nicht akzeptieren, dass Deutschland uns zu Bettlern macht."

Wenn die Bundesrepublik ihren Kurs nicht korrigiere, würden die Opferfamilien nicht an dem Gedenken teilnehmen, stellte Spitzer klar. Bereits am Dienstagabend war sie nicht zu einem Termin in München erschienen, den Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (CSU) daraufhin absagte.

Er warf der Bundesrepublik Staatsversagen vor. Deutschland müsse seine historische Verantwortung annehmen und die Angehörigen der ermordeten Terror-Opfer sowie die Überlebenden angemessen entschädigen. Um eine angemessene Entschädigung wird seit Jahrzehnten gerungen.

Bereits 1994 klagten die Hinterbliebenen auf Schadenersatz in Höhe von rund 40 Millionen Mark

Unmittelbar nach dem Attentat waren dem Bundesinnenministerium zufolge rund 4,19 Millionen Mark (rund zwei Millionen Euro) aus Deutschland an die Angehörigen gezahlt worden. Rund 3,2 Millionen Mark davon seien humanitäre Leistungen durch die Bundesrepublik gewesen, teilte das Ministerium 2001 mit. Der Rest seien Spenden des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und Leistungen des Nationalen Olympischen Komitees gewesen.

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2002 gab es weitere drei Millionen Euro als humanitäre Geste im Hinblick auf das besondere Verhältnis zu Israel, erklärten damals Bundesregierung, der Freistaat Bayern und die Stadt München. 1994 hatten die Hinterbliebenen zudem unter Verweis auf massive Fehler beim Polizeieinsatz während des Anschlags und der Geiselnahme auf Schadenersatz in Höhe von rund 40 Millionen Mark (rund 20,45 Millionen Euro) geklagt.

Wegen Verjährung scheiterten die Kläger aber, die Revision zum Bundesgerichtshof nahmen sie im Februar 2001 zurück. Neben den Zahlungen soll eine Kommission deutscher und israelischer Historikerinnen und Historiker eingesetzt werden. Sie sollen die Ereignisse und die Erinnerung aus heutiger Perspektive umfassend aufarbeiten und politisch neu bewerten und einordnen.

 

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3 Kommentare
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  • TheBMW am 27.07.2022 17:23 Uhr / Bewertung:

    Was in keinem Bericht erscheint: wieso muss die BRD zahlen, wenn Palästinenser Israelis töten?
    Sollen die sich doch mal an Palästina wenden!

  • giesing_muc am 27.07.2022 17:21 Uhr / Bewertung:

    Nachdem die Tat in 1972 passierte, wäre eine Entschädigung nach dem Standard von 1972 angemessen.
    Das ist wohl den Opfer-Familien zu wenig.

  • Sarkast am 28.07.2022 14:58 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von giesing_muc

    Deshalb haben sie ja auch 50 Jahre gewartet.
    Damit der Preis hoch geht wie bei Immobilien.
    Bleed sans ned...

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