Olympia-Attentat 1972 in München: Endlich Licht ins Dunkel
München - Was wussten die Geheimdienste vor dem Anschlag durch die Terrororganisation "Schwarzer September" bei den Olympischen Sommerspielen 1972 auf das israelische Team? Hatten die palästinensischen Attentäter Unterstützung von deutschen Extremisten? Was geschah wenige Wochen später bei der Entführung einer Lufthansamaschine zur Freipressung der Attentäter im Hintergrund? Welche Folgen hatten die Geschehnisse für die deutsche Nahostpolitik?
Auch 51 Jahre nach dem Attentat in München, bei dem am 5. September 1972 elf israelische Sportler, ein deutscher Polizist und fünf Terroristen starben, sind noch sehr viele Fragen offen. Auch diese: Wo sind eigentlich die Asservate – die Waffen, die vielen Geschosse, die ausgebrannten Hubschrauber? Und schließlich: die Eheringe und Armbanduhren der ermordeten Geiseln?

Olympia 1972 in München: Internationales Forscherteam will Attentat erforschen
In dieser Woche ist ein internationales Forscherteam aus acht renommierten Professoren in München zusammengekommen, um damit zu beginnen, die Geschehnisse rund um das Attentat erstmals umfassend zu erforschen – und Licht ins Dunkel zu bringen. Das Team, dem drei israelische, ein britischer und vier deutsche Historiker angehören, arbeitet mit dem Institut für Zeitgeschichte (IfZ) München-Berlin zusammen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte die Kommission im April eingesetzt, der Bundestag hatte dafür 2,85 Millionen Euro Reise- und Personalkosten bewilligt. Die Historiker arbeiten unentgeltlich, die Personalkosten sind für Mitarbeiter des IfZ vorgesehen. Drei Jahre soll das Projekt dauern.
Bundesinnenministerium sichert den Forscher "größtmögliche Unterstützung" zu
Juliane Seifert (SPD), Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, sagte am Mittwoch zur ersten Sitzung des Forscherteams: "Wir sichern als Bundesinnenministerium größtmögliche Unterstützung bei der Aufarbeitung und bei dem Zugang zu staatlichen Akten zu." Um Akten und Dokumente, teils auch geheime, wird es an diesem Donnerstag im IfZ gehen. Dann treffen sich die Forscher mit Vertretern staatlicher Archive und Behörden.
Für den Historiker Christopher Young von der Uni Cambridge ist es wichtig, auch Antworten zu finden auf den Austausch der Nachrichtendienste vor dem Anschlag. Und hinterfragt werden müsse, warum von den deutschen Behörden abgelehnt wurde, dass eine israelische Eliteeinheit zur Befreiung der Geiseln einfliegt.

Forschung zum Attentat bei den Olympischen Spielen in München: Hohe Erwartungen in Israel
Kommissionsmitglied Shlomo Shpiro von der Bar-Ilan-Uni in Tel Aviv kündigte an, auch israelische Quellen und Archive in die Arbeit einzubeziehen. "Gerade auch in Israel ist die Arbeit der Kommission mit hohen Erwartungen verbunden." Zwei Mitglieder des Forscherteams kommen von der Ludwig-Maximilians-Universität: Margit Szöllösi-Janze, ehemalige Lehrstuhlinhaberin für Zeitgeschichte, und Michael Brenner, Lehrstuhlinhaber für Jüdische Geschichte und Kultur, wollen die Münchner Vorgeschichte des Attentats beleuchten.
Ihnen fehlen zum Beispiel Details zum 10. Februar 1970, teilen sie auf einer Internetseite der LMU zur Arbeit der Kommission mit. im Februar 1970 versuchten palästinensische Terroristen, am Flughafen Riem eine Maschine der israelischen Fluggesellschaft El Al zu entführen. Der Passagier Arie Katzenstein (32) wurde dabei getötet.
"Wendepunkt": Anschläge auf jüdische Gemeinden sollen endlich aufgeklärt werden
Drei Tage später starben bei einem Brandanschlag auf ein Altenheim der Israelitischen Kultusgemeinde München sieben Bewohnerinnen und Bewohner. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Michael Brenner ist sicher: "Die Terrorwelle in München begann spätestens 1970." Die beiden LMU-Professoren kritisieren die jahrzehntelange schlechte Informationspolitik: Insbesondere die deutschen Behörden hätten "schlicht und ergreifend gemauert," sagt Szöllösi-Janze. Das soll nun anders werden.
Die Arbeit, die die Forscher vor sich haben, will auch einen Schwerpunkt auf die Perspektive der Hinterbliebenen setzen, kündigte IfZ-Direktor Andreas Wirsching an. "Der Umgang der deutschen Behörden mit den Opferfamilien hat viele Dissonanzen erzeugt. Wir wünschen uns, dass dieses Projekt einen Wendepunkt markiert."