Auch das Klimareferat in München ist dagegen: Tempo 30 auf dem Mittleren Ring vor dem Aus?

OB Dieter Reiter hofft, durch ein Tempolimit Fahrverbote in München zu verhindern. In diesem Punkt widerspricht ihm nicht nur seine eigene Verwaltung.
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Die Tempo-30-Idee von OB Dieter Reiter polarisiert innerhalb der Stadtverwaltung. Nun findet sogar das Klimareferat den Plan sinnfrei.
Die Tempo-30-Idee von OB Dieter Reiter polarisiert innerhalb der Stadtverwaltung. Nun findet sogar das Klimareferat den Plan sinnfrei. © imago

München — Um weitere Fahrverbote für Diesel-Autos zu verhindern, brachten Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und seine Stadtratsfraktion eine Idee auf: Sie forderten das Klimareferat auf, zu prüfen, ob Tempo 30 auf einem Abschnitt der Landshuter Allee helfen könnte, die Schadstoffbelastung zu reduzieren.

Nun hat das Referat ein eindeutiges Ergebnis: Um die Belastung mit Stickstoffdioxid zu verringern, taugt ein Tempolimit nicht. Im Gegenteil — Tempo 30 könnte sogar dazu führen, dass die Luft noch schmutziger wird.

Referat rechnet bei Tempo 30 mit vielen Autofahrern, die Schleichwege suchen

Ein Grund dafür sei, dass auf der Landshuter Allee jeden Tag nicht nur 102.000 Autos, sondern auch rund 5400 Schwerlastfahrzeuge fahren. Studien zeigen laut Klimareferat außerdem, dass auf Hauptverkehrsstraßen nur dann Stickstoffdioxid-Immissionsminderungen nachgewiesen wurden, wenn "bedeutende Teile des Verkehrsaufkommens" auf geeignete Alternativrouten umgeleitet werden.

Doch solche Straßen, die eine ähnliche Menge wie der Mittlere Ring aufnehmen können, gibt es nicht. Das Referat rechnet damit, dass sich mit einem Tempolimit mehr Autofahrer Schleichwege suchen als bei einem Dieselfahrverbot. Schließlich betrifft das Tempolimit alle.

Außerdem erinnert das Referat an das Gerichtsurteil. Darin heißt es: Die Stadt sei verpflichtet, "weitere, über die bereits angeordneten Verkehrsverbote hinausgehende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge anzuordnen". Es sei "eine Verkehrsbeschränkung bzw. ein Fahrverbot festzusetzen", "das auch Dieselkraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5/V umfasst".

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Fazit des Klimareferats: Neben den fachlichen Gründen spricht auch das Urteil gegen ein Tempolimit

Übrigens ist das Klimareferat nicht die einzige Behörde, die davon ausgeht, dass ein Tempolimit auf dem Ring die Luft sogar noch schmutziger machen würde. 2015 hat sich damit die Regierung von Oberbayern beschäftigt. Auch sie rechnete mit Schleichverkehren.

"Zum anderen werden durch die geringeren Durchschnittsgeschwindigkeiten bei 30 km/h längere Verweilzeiten der Kraftzfahrzeuge und damit höhere klimarelevante CO2-Emissionen sowie höhere Auslastungen der ohnehin schon überfüllten Straßen verursacht", schrieb die Behörde damals.

Es sei absehbar gewesen, dass der "Pseudo-Tempo-30-Kompromiss" weder die Luftqualität verbessern noch den Anforderungen des Urteils genügen würde, sagt ÖDP-Chef Tobias Ruff. Aus seiner Sicht nehmen die Stadträte, die gegen eine Verschärfung der Fahrverbote stimmen, in Kauf, dass jährlich Hunderte bis Tausende Münchner schwer erkranken oder sogar versterben.

Entscheiden wird der Stadtrat am Mittwoch in der Vollversammlung. SPD und CSU prüften die Stellungnahme des Klimareferates am Montag noch.

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74 Kommentare
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  • Lindemann am 24.04.2024 06:46 Uhr / Bewertung:

    Dann hebt das dumme 50ger Limit auf mit den beiden Blitzern, davor wird gebremst = Feinstaub, danach wieder beschleunigt = NO3/CO2. Total kontraproduktiv das Ganze!!

  • Peter* am 23.04.2024 15:24 Uhr / Bewertung:

    Bei dieser ganzen Diskussion geht es um die geringfügige Überschreitung eines wissenschaftlich nicht belegbaren Grenzwertes, ab wann Abgase ungesund werden. Was mir nicht einleuchtet: Wenn ich am mittleren Ring wohne, habe ich nicht nur Annehmlichkeiten der Großstadt, sondern muss auch Belastungen akzeptieren. .
    Wenn ich neben ein Birkenwäldchen ziehe, muss ich auch mit meiner Pollenallergie zurecht kommen. Ich bin noch nicht auf die Idee gekommen, eine Fällung der Birken zu fordern.

  • doket am 24.04.2024 07:46 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Peter*

    Das ist doch Polemik. Kennen Sie denn irgendeinen gesetzlichen Grenzwert, der wissenschaftlich belegt, direkt bei Überschreitung irgendwelche Konsequenzen hätte. Zumal es sich bei diesem Luftschafstoffgrenzwert um einen Wert handelt, der der GesundheitsVORSORGE dient. Der dient dazu, dass man bei diesem Wert eben gerade nicht tot umfällt. Und ob die Überschreitung geringfügig ist, da lässt sich trefflich streiten. Immerhin müßte der Grenzwert seit 14 Jahren eingehalten werden. Und immer noch wird er um über 10% überschritten. Nun ist das aber ein Grenzwert und kein Richtwert.
    Im übrigen machen Gesetze zum Gesundheitsschutz keinen Unterschied zwischen Stadt- und Landbewohnern, Haupt- und Nebenstraßenbewohnern, Reich und Arm...

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