"Ohne sie könnten wir München nicht am Laufen halten": OB Reiter startet Kampagne gegen rechts
München – In den 90er Jahren hatte Nelson Rajendran manchmal Todesangst. Wenn er in der Disco war und es hieß, die Skinheads kommen. "Da musstest du rennen, so schnell du kannst", sagt der 51-Jährige. Er ist in der Pfalz geboren, seine Eltern sind in den 60er Jahren von Südindien nach Deutschland eingewandert.
In München arbeitet Nelson Rajendran als Lehrer für Chemie, Bio und katholische Religion an einem städtischen Gymnasium in Neuperlach. Er hatte hier noch nie Angst um sein Leben, aber das heißt nicht, dass sich nichts verbessern müsste. Seit ein paar Jahren erlebe er, dass diffuse, pauschale Behauptungen lauter werden. "Es ist genug", "Jetzt reicht's mit Multikulti", solche Sprüche höre er in letzter Zeit immer häufiger – auch von den eigenen Kumpels, sagt Nelson Rajendran. "Als Naturwissenschaftler würde ich da gerne Beweise hören – aber wenn ich nachfrage, was genau sie stört, kommt gar nichts."

Tausende Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten für die Stadt München
Nelson Rajendran hofft, dass sich bald etwas ändert und die Menschen mehr darüber reden, wie viel Migration beiträgt, dass München lebenswert ist. Denn Nelson Rajendran ist so wie 17 andere Beschäftigte der Stadt München Teil einer neuen Plakat-Kampagne. Von Erziehern über Kanalarbeitern bis hin zu Stadtplanern, Ingenieuren, IT-lern oder eben Lehrern wie Nelson Rajendran arbeiten für die Stadt München Tausende Menschen mit einem Migrationshintergrund. 43.000 Beschäftigte hat die Stadt, sie kommen aus 116 Nationen, schildert der städtische Personalchef Andreas Mickisch (SPD). "Ohne alle diese Menschen aus den verschiedenen Nationen könnten wir die Stadt nicht am Laufen halten."
Wer alles für die Stadt arbeitet, ist nun auf Plakaten, aber auch auf Social Media zu sehen. Abgebildet ist immer ein Mitarbeiter mit und einer ohne Migrationsgeschichte. Neben Nelson Rajendran steht seine Kollegin Michaela Hoffmann, auch eine Bio- und Chemie-Lehrerin. Auf dem Plakat ist außerdem der Titel der Kampagne abgedruckt: #nurgemeinsam.

Die Kampagne ist Teil des Engagements von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gegen rechts. Nachdem Anfang des Jahres die Pläne der AfD, Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu vertreiben, öffentlich wurden, nachdem Tausende in München gegen rechts auf die Straße gingen, startete Reiter einen Dialog mit verschiedenen Gruppen aus der Stadtgesellschaft.
Bisher fand der Dialog einmal statt, doch das soll nicht das Ende gewesen sein, betont Reiter: "Wir werden alles tun, um das Thema wach zu halten", sagte der OB am Montagvormittag, als er im Rathaus die Plakate präsentierte.
Es ist für die Stadt München ein Vorteil, dass sie so bunt ist
Immer wieder müsse man laut sagen: "München lebt von seiner Vielfalt. Es war für die Stadt immer ein Vorteil, dass sie so bunt ist." Über 60 Prozent der unter 18-Jährigen haben in München eine Migrationsgeschichte, sagte Reiter. Und: Wenn der "verblödete Plan einer Remigration" verwirklicht würde, würde München nicht mehr funktionieren.
Auch Brigitte Sebureze ist auf den Plakaten zu sehen. Die studierte Elektrotechnikerin wanderte mit 20 Jahren aus Ruanda ein. Sie arbeitet schon seit 2002 für die Stadt. So lange, dass sie von sich selbst sagt, dass sie zum Inventar gehöre. Inzwischen ist sie Projektmanagerin im IT-Referat. Zum Beispiel ist sie dafür verantwortlich, die Bewerbungsverfahren bei der Stadt zu digitalisieren. "Es war für mich selbstverständlich, dass ich bei der Plakatkampagne dabei bin. Da musste ich nicht zweimal überlegen", sagt sie.

Mit dem Plakat wolle sie auch ein Zeichen setzen, dass Vielfalt funktioniert. Den Rechtsruck lasse sie persönlich nicht so sehr an sich heran, sagt sie. "Aber immer wenn ich den Fernseher anschalte, bin ich damit konfrontiert. Es um geht gar nichts anderes mehr", sagt sie. Doch, auch wenn sich das manchmal anstrengend anfühle, habe es doch auch etwas Positives: Plötzlich wird auch sichtbar, wie viele Menschen ein buntes München schätzen.