Update

Schwere Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Lindemann: Hilfe für bedrohte Fans gefordert – Band wendet sich an ihre Fans

Gleich viermal treten die Brachial-Rocker von Rammstein Anfang Juni im städtischen Olympiastadion in München auf. Doch nun erheben junge Frauen schwere Vorwürfe gegen die Musiker. Die Band dementiert entschieden. Finden die Konzerte trotzdem statt?
Clara Westhoff,
Jan Krattiger
Jan Krattiger
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
39  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Immer mehr Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann.
Immer mehr Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann. © Malte Krudewig/dpa

München – Sex-Castings und Tequila-Shots mit K.O.-Tropfen – die Band Rammstein sieht sich aktuell mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Immer mehr junge Frauen melden sich in den sozialen Medien und berichten von angeblichen traumatisierenden Erlebnissen auf den Konzerten der Band.

Juni 2023: Vier Rammstein-Konzerte im Olympiastadion in München

Die Band rund um Frontsänger Till Lindemann ist gerade auf Stadion-Tour in Europa unterwegs. In München spielt Rammstein gleich vier Konzerte: am 7., 8., 10. und 11. Juni im Olympiastadion – also an einer Konzertlocation, die der Stadt gehört.

Alle Termine sind ausverkauft. Kein Wunder, denn in München finden neben zwei Terminen in Berlin die einzigen Deutschland-Konzerte der international erfolgreichen Gruppe statt.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Tourauftakt von Rammstein: Das Konzert in Vilnius

Ob die Vorfreude, gerade bei den weiblichen Fans, immer noch so groß ist? Nach dem Auftaktkonzert der Rammstein-Tour am 22. Mai in Litauens Hauptstadt Vilnius kursieren harte Vorwürfe durch die sozialen Medien – ausgelöst von Rammstein-Fan Shelby Lynn und ihren Twitter- und Instagram-Postings nach dem Konzert. 

Anzeige für den Anbieter Instagram über den Consent-Anbieter verweigert

Was geschah mit Shelby Lynn beim Rammstein-Konzert?

Es geht um die sogenannte "Row Zero", also den Bereich direkt vor der Bühne, zu dem nur ausgewählte Fans Zugang haben. Im Fall von Rammstein ist es offenbar übliches Vorgehen, Fans auszuwählen und in die "Row Zero" zu bringen. Da soll ihnen auch angeboten werden, vor, während und nach dem Konzert an Partys mit der Band teilzunehmen.

Die junge Irin wurde nach eigenen Angaben noch vor dem Konzert zu einer solchen privaten Party eingeladen, bei der Rammstein-Sänger Till Lindemann wohl Sex mit ihr eingefordert haben soll, was Lynn abgelehnt habe. Was danach passierte, wisse sie nicht mehr genau.

Hat Till Lindemann Shelby Lynn mit Drogen betäubt?

Lynn sei am nächsten Morgen in ihrem Hotelzimmer mit großen blauen Flecken aufgewacht, habe sich immer wieder übergeben müssen und sich kaum mehr bewegen können – dabei habe sie bei der Party kaum Alkohol getrunken. Lynn hat aber auch festgehalten, dass sie nicht von Lindemann vergewaltigt worden sei und das auch nie behauptet habe.

Anzeige für den Anbieter X über den Consent-Anbieter verweigert

Sie sei sich jedoch sicher, dass sie mit Drogen betäubt wurde. Nachdem sie notärztlich betreut wurde, meldete sie sich bei der Polizei und machte einen Test. Dieser ergab keine Ergebnisse.

Es gibt allerdings Substanzen wie Liquid Ecstasy, die schon nach wenigen Stunden nicht mehr nachweisbar sind, weshalb sie trotzdem Anzeige erstattete. In den sozialen Medien dokumentierte Shelby Lynn ihre Vorwürfe haargenau – schnell meldeten sich weitere Frauen.

Auch andere Frauen berichten von Übergriffen bei Rammstein-Konzerten

Auf Twitter und Instagram berichten nun immer mehr Frauen, dass sie vor den Konzerten unter anderem von der Tourmanagerin für exklusive Partys gecastet worden seien, bei denen Lindemann angeblich Sex von ihnen erwartet habe.

Wer sich mit Fotos für die Pre- oder Aftershow Party von Rammstein "qualifiziert" habe, dürfe in der ersten Reihe beim Konzert stehen und werde mit Getränken versorgt – die angeblich mit Drogen versetzt seien.

Das sagen Till Lindemanns Ex-Freundinnen zu den Vorwürfen

Bei diesen Partys sind Till Lindemanns Bandkollegen wohl selten dabei. Derweil haben sich zwei seiner prominenten Ex-Freundinnen bereits zu den Vorwürfen geäußert, die in erster Linie ihn betreffen.

Podcasterin Leila Lowfire, die sich 2017 als Begleiterin von Lindemann auf dem roten Teppich ablichten ließ, äußerte sich nur kryptisch. In einer Instagram-Story solidarisierte sie sich allgemein mit Opfern sexueller Übergriffe.

Sophia Thomalla verteidigt Ex-Freund Till Lindemann

Ex-Freundin Sophia Thomalla schlug gegenüber der "Bild" andere Töne an. Obwohl sie selbst nicht dabei war, sagt sie: "Diesen 'Vorfall' in Vilnius hat es nie gegeben! Das ist frei erfunden von einer Person, die sich auf dem Rücken eines Rockstars für 5 Minuten Fame verschaffen möchte. Einem selbsternannten Opfer gebe ich weder Bühne, noch unterstütze ich das für eine Sekunde. Till ist ein Mann, der Frauen beschützt."

"Keine Ermittlungen bekannt": Statement der Band Rammstein

Die Band selber hat sich ebenfalls auf Twitter zu den Vorwürfen geäußert und dementiert diese: "Zu den im Netz kursierenden Vorwürfen zu Vilnius können wir ausschliessen (sic!), dass sich was behauptet wird, in unserem Umfeld zugetragen hat. Uns sind keine behördlichen Ermittlungen dazu bekannt".

Anzeige für den Anbieter X über den Consent-Anbieter verweigert

Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Auch der Münchner Konzertveranstalter Propeller beantwortet eine AZ-Anfrage lediglich mit einem Verweis auf das offizielle Statement der Band. 

Rammstein-Statement: Band von schweren Vorwürfen "sehr getroffen"

Am Samstag wies die Band die Vorwürfe in einem zweiten offiziellen Statement erneut entschieden von sich. "Durch die Veröffentlichungen der letzten Tage sind in der Öffentlichkeit und vor allem bei unseren Fans, Irritationen und Fragen entstanden. Die Vorwürfe haben uns alle sehr getroffen und wir nehmen sie außerordentlich ernst", heißt es in der Mitteilung, die via Social Media veröffentlicht wurde.

Der Band sei es wichtig, dass sich die Fans "bei unseren Shows wohl und sicher fühlt – vor und hinter der Bühne", heißt es dort weiter. Man verurteile jede "Art von Übergriffigkeit und bitten euch: beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge. Wir, die Band, haben aber auch ein Recht – nämlich ebenfalls nicht vorverurteilt zu werden".

Anzeige für den Anbieter Instagram über den Consent-Anbieter verweigert

Lesen Sie auch

Konsequenzen für die Rammstein-Konzerte in München?

Hat dieser Wirbel aber nun Konsequenzen für die großen Rammstein-Konzerte in München? Die Konzerte finden im Olympiastadion statt, das der Stadt gehört. Sie verdient also über die Olympiapark GmbH, eine städtische Tochtergesellschaft, an den Konzerten mit. Die sagt auf AZ-Anfrage: "Sollten sich die von der 24-jährigen Irin erhobenen Vorwürfe bestätigen, wäre dies natürlich furchtbar und verachtenswert", so die Sprecherin der Olympiapark GmbH.

Die Angelegenheit sei aber "im Moment offensichtlich noch ungeklärt". Die Olympiapark GmbH gehe "derzeit davon aus, dass die vier Rammstein-Konzerte im Olympiastadion stattfinden werden" und möchte festhalten, dass sie lediglich Vermieterin des Stadions ist. "Für die Security und Zugangsberechtigungen in Backstage-Bereich ist der Veranstalter zuständig".

Rammstein in München: Hilfe für bedrohte Frauen im Stadion gefordert

Doch tut die Stadt etwas dafür, dass sich Frauen bei den Konzerten sicher fühlen oder bei Bedarf Hilfe holen können? Eine AZ-Anfrage zeigt, dass die städtische Gleichstellungsstelle da durchaus Handlungsbedarf sieht. Sie habe als städtische Stabsstelle zwar "keinen direkten Orts-Zugriff", in erster Linie ist hier der Veranstalter Propeller verantwortlich. Und schlimmstenfalls die Polizei.

Trotzdem seien laut der Gleichstellungsstelle der Stadt Verbesserungen nötig. Sie nennt als positives Beispiel das Aktionsbündnis "Sichere Wiesn", das auf dem Oktoberfest eine solche Anlaufstelle darstellt. "Für andere Veranstaltungen greift bisher nach unserer Kenntnis kein vergleichbares Konzept, auch wenn dies, wie hier deutlich sichtbar wird, notwendig ist".

Geschulte Ansprechpersonen wären "auf jeden Fall wünschenswert"

Aus der Rave-Szene kennt man das Konzept der "Awareness-Teams", also speziell geschulte Ansprechpersonen, die auch gut sichtbar bei Veranstaltungen unterwegs sind. Für die städtische Stelle wäre es "auf jeden Fall wünschenswert", wenn diese Teams "bei solchen Veranstaltungen anwesend wären und Opferschutz großgeschrieben würde". Das könnte mit den Veranstaltern vertraglich geregelt werden.

Grünen-Stadtrat David Süß kennt das Thema "Awareness" aus dem Club-Kontext und von Festivals. Da gebe es "gute Erfahrungen" mit der Arbeit solcher Teams. Die städtische Fachstelle Pop hat zu dem Thema vor rund einem Jahr einen Fachtag organisiert. "Ich fände es ein lohnendes Ziel, die Awareness-Arbeit würde auch bei Großkonzerten begonnen."

Zumindest bei den vier Rammstein-Großkonzerten vom 7. bis 11. Juni im Olympiastadion sieht es noch nicht danach aus. Eine erneute AZ-Anfrage an den Veranstalter dazu blieb bislang (Freitag, 2.6., 18.00 Uhr) unbeantwortet.

Lesen Sie auch

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
39 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Der wahre tscharlie am 04.06.2023 14:26 Uhr / Bewertung:

    Wenn ich hier die Kommentare so durchgehe, muß ich nochmal was sagen......

    Für alle, die den Artikel gelesen und eventuell nicht verstanden haben, ich kann nicht erkennen, dass es von Seiten der Presse eine Vorverurteilung gibt. Alleine schon deswegen, weil BEIDE SEITEN zu Wort kommen.

    Und Till Lindemann hat ja ein Buch mit Vergewaltigungsphantsien veröffentlicht. Natürlich kann er schreiben, was er will, aber die Frage ist doch die.....was bewegt einen Sänger (männlich) dazu, ein solches Buch zu schreiben?
    Das Netz ist voll von männlichen Gewalt-und Vergewaltigungsphantasie-Pornos, wohlgemerkt, immer Gewalt von Männern gegenüber Frauen. Dafür gibts im engl. spezielle Begriffe.
    Und dann schreibt der Tyyp auch noch ein Buch über diese Phantasien. Das wird doch nur von Männern gelesen.

  • Noredundgreen13 am 04.06.2023 12:11 Uhr / Bewertung:

    Warum wird eigentlich kein Strafverfahren gegen Lindemann eröffnet? Wäre doch eigentlich konsequent, wenn an den Vorwürfen was dran ist!

  • AllesBesser am 04.06.2023 09:58 Uhr / Bewertung:

    Ich verstehe die Fragestellung nicht. Warum sollten die Konzerte denn nicht stattfinden? Mit welche Begründung? Das einige Frauen Vorwürfe unterschiedlichster Art vorbringen? Von moralisch fragwürdiger Handlung bis hin zur Vergewaltigung ist da Alles dabei. Ich möchte gar nicht in Abrede stellen, dass da was dran sein könnte. Aber es gilt eben die Unschuldsvermutung, bis die Schuld bewiesen ist. Und das ist gut so.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.