Neueröffnung in München: Was das Besondere an dieser Bäckerei ist
München - Nähert man sich dem über und über mit buntem Graffiti besprühten Container, könnte man vielleicht erwarten, im Inneren ein kleines Kunstatelier zu finden, den Probenraum einer Band oder eine Werkstatt. Hinter der Tür entdeckt man in dem gerade einmal 28 Quadratmeter kleinen Raum tatsächlich Arbeitstische aus Holz. Sie sind aber nicht mit Farbklecksen gesprenkelt, sondern mit Mehl bestäubt.
In der einen Ecke steht eine riesige Knetmaschine, in der anderen ein hoher Ofen mit vier Etagen, davor ein Rollregal. An diesem Nachmittag ist es leer, doch von Donnerstag bis Samstag kühlt hier verlockend duftendes Gebäck ab. In dem bunten Container im Atelierpark des Bahnwärter Thiel hat Marie Herrmann vor Kurzem eine kleine Sauerteigbäckerei eröffnet, die Bageri – und sich damit einen Herzenswunsch erfüllt.
"Ganz andere Welt": Eine Pharmazeutin mit der Leidenschaft fürs Backen
Eigentlich war die 29-Jährige im medizinischen Bereich tätig. Sie hat eine Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Angestellten gemacht, anschließend Pharmazie studiert und in einer Klinik gearbeitet. Das hat ihr immer Spaß gemacht, wie sie sagt. Und doch fehlte etwas. Denn Herrmanns Leidenschaft war schon immer das Backen, früher hauptsächlich Süßes, vor rund sechs Jahren wagte sie sich schließlich an ihr erstes Brot mit Sauerteig – und war begeistert. "Das war eine ganz andere Welt." Der Traum, eine eigene Bäckerei zu eröffnen, entstand.
Um selbstgemachte Backwaren verkaufen zu dürfen, braucht es in Deutschland jedoch einen Meistertitel. Der eigene Laden schien für Herrmann also zunächst unerreichbar – bis sie im Austausch mit der Bäckerei Brotpuristen aus Speyer von einer anderen Lösung erfuhr: Wenn man in einer Prüfung seine Fähigkeiten unter Beweis stellen kann, erhält man eine Ausnahmebewilligung, um als Bäcker arbeiten zu dürfen.
Um Backwaren verkaufen zu dürfen, musste Marie Herrmann eine harte Prüfung bestehen
Herrmann nahm ihren gesamten Jahresurlaub, um sich bestmöglich auf die Prüfung vorzubereiten, und holte sich dafür Unterstützung bei der Tübinger Bäckerei Gehr. Trotz aller Übung beschreibt sie die Prüfung als anspruchsvoll: Im praktischen Teil bekam die angehende Bäckerin eine Liste mit Gebäckarten, die sie innerhalb von sechs Stunden herstellen musste.
"Ich habe die Liste gesehen und gelacht. Dann dachte ich, vielleicht muss ich mir nur etwas davon aussuchen", erzählt Herrmann. Aber nein, alles, was auf der Liste stand, musste gebacken werden, darunter 30 Brezen, fünf Baguettes, 30 Vollkornsemmeln, ein Hefezopf und Plundergebäck.
Das Ziel für die Apothekerin in Teilzeit war klar: eine eigene Bäckerei
Dank Vorsprung – Herrmann war eine Stunde schneller mit dem schriftlichen Teil der Prüfung fertig als vorgesehen und durfte daher früher mit dem Backen anfangen – und minutiöser Planung gelang der 29-Jährigen das Kunststück.
Ihre Stelle als Apothekerin behielt Herrmann vorerst in Teilzeit, die restliche Zeit nutzte sie, um Erfahrung als Bäckerin zu sammeln. Sie arbeitete für das Münchner Café Suuapinga, später auch in Schweden in einer Bäckerei im kleinen Ort Loshult. Nach ihrer Rückkehr, so sagt die 29-Jährige, sei ihr klar gewesen: Es ist Zeit für die eigene Bäckerei.
Der Traum geht in Erfüllung: Marie Herrmann eröffnete die Bageri im Bahnwärter Thiel
Die hohen Ladenmieten in München erschienen allerdings als kaum zu überwindende Hürde. Dass Herrmanns Traum schließlich doch in Erfüllung ging, ist dem Zufall zu verdanken. Bei einem Keramik-Kauf auf dem Gelände des Bahnwärter Thiel erfuhr die junge Bäckerin von dem freistehenden Container.

Bis zur Eröffnung war es noch immer ein weiter Weg: Der kleine Raum war völlig leer. Boden, Wände, alles musste Herrmann renovieren. Auch Starkstrom und Abwasserleitungen gab es nicht, erst recht keine Bäckereigeräte. Hilfe kam von Freunden, bis Herrmann Anfang September aufsperren konnte. Das hölzerne Schild, das über der Eingangstür schaukelt, erinnert an ihre Zeit in Schweden: Der Name Bageri bedeutet auf schwedisch "Bäckerei".
Der Renner in der Bageri in München sind die Kardamom-Knoten
"Ich habe am Anfang unterschätzt, wie viele Leute hierherkommen", sagt Herrmann und lacht. Allein 370 Kardamom-Knoten verkaufte sie kürzlich an einem Tag. Die süßen Hefeteigteilchen hat die 29-Jährige in Schweden kennengelernt und sie zählen zu den Gebäcksorten, die sie am liebsten backt: "Ich esse sie selbst sehr gern und das Flechten macht Spaß."

Ansonsten verkauft Herrmann unter anderem Focaccia, Sesambrötchen mit Käse und natürlich Sauerteigbrote. Damit scheint sie einen Nerv getroffen zu haben: Die Herstellungsmethode, mit der die Menschen bereits im antiken Rom Brot gebacken haben, erlebte in der Zeit der Pandemie einen wahren Aufschwung.
Ihren Sauerteig hat Marie Herrmann schon hat seit sechs Jahren
Das hat auch Herrmann beobachtet, wie sie sagt. Viele Bekannte hätten sie gefragt, ob sie ihnen ein paar Gramm von ihrem Sauerteig abgeben könne. "Ungefähr zwei von zehn sind dann auch dabei geblieben", erzählt die Bäckerin lachend. Denn viele unterschätzen die Zeit und Geduld, die das Backen mit Sauerteig erfordert. Der Teig muss regelmäßig gepflegt werden, dann kann er auch ein Leben lang halten. Herrmann selbst hat ihren eigenen schon seit sechs Jahren, sagt sie.
Das Gespür, das man beim Umgang mit Sauerteig braucht, macht für Herrmann den Reiz aus. "Man braucht relativ lang, bis man weiß, an welchen Stellrädern man drehen muss." Es ist viel Erfahrung gefragt, im Winter verhält sich der Teig aufgrund der kalten Temperaturen etwa anders als im Sommer. "Aber wenn man es mal raus hat, kann man aus wenigen Zutaten etwas Besonderes machen."
Wer diese Leidenschaft selbst einmal ausprobieren möchte, könnte Glück haben: Herrmann will ihr Wissen weitergeben und überlegt, im Winter Kurse in ihrer Bageri anzubieten.
Bageri, Tumblingerstraße 45, Do und Fr 11 bis 18 Uhr sowie Sa 8.30 bis 18 Uhr. Einen Innenbereich gibt es nicht, bei schönem Wetter kann man Herrmanns Kaffee und Backwaren aber auf zahlreichen Sitzgelegenheiten auf dem Gelände des Bahnwärter Thiel genießen.
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