So haben Sie das Westend noch nie gesehen: Ein Spaziergang zu unbekannten Orten in München
Schwanthalerhöhe — Die Westendstraße durchquert den Stadtteil Westend — und endet in Sendling. Sie beginnt nördlich der Theresienwiese. Ruhig ist die schmale Straße auf der Schwanthalerhöhe.
Das neue französische Restaurant auf Hausnummer 29 kann gut vier Tische auf den Gehweg stellen. Dieser AZ-Stadtviertel-Spaziergang führt Richtung Ring, an der Backstein-Rückseite der Augustiner-Brauerei vorbei.
Dann ein harter Cut: Durchschnitten vom tosenden Mittleren Ring verläuft die Westendstraße in der nächsten Etappe über dem Trappentreutunnel bis zur Ridlerstraße. Es duftet nach hausgemachten Fladenbrot vor "Westends Best Döner" (Trappentreustraße 17). Anwohner haben der Reporterin den Imbiss empfohlen.
Friedliche Kleinstadtstimmung: Das Westend in München gilt als Geheimversteck
Auf der zweiten Hälfte der Westendstraße nach dem Ring lädt eine dichte Allee zum Spazierengehen und Radeln ein. Die stillen Kreuzungen sind hier charmant gepflastert. Ehemalige Schusterwerkstätten und Schneiderstuben wurden zu Büros für Individualisten.
Von einem geheimen Eck an der Westendstraße schwärmen Kreative im Viertel: Die Kreuzung zur Astallerstraße ist der neue Treffpunkt der Anwohner. Hier sind die Gehsteige etwas breiter, es gibt Sitzbänke und eine friedliche, kommunikative Kleinstadtstimmung. "Wir befinden uns im Wurmfortsatz des Westends. Dieser Abschnitt wirkt wie ein Geheimversteck, wie abgetrennt vom Rest der Straße. Altmodisch ist es hier", erklärt ein Anwohner. Der junge Mann mag die "Bäckerei Schütz", die seit 99 Jahren in der Westendstraße 135 ihre Brezn bäckt.
Altbau-Fassaden, mal schlicht, mal im Jugendstil, und eine familiäre Atmosphäre, zeichnen die Westendstraße vom Ring bis zur Ridlerstraße aus. Die ganze lange Westendstraße misst übrigens 3,9 Kilometer.
Station 1: Feiner Mittagstisch im "Coup de Coeur"
Das winzige französische Restaurant "Coup de Coeur" serviert seit Februar einen feinen Mittagstisch: Auf der Tafel stehen Petersilienwurzeln, Kabeljau mit Apfel-Zitronensauce und Johannisbeerbaiser. Ungewöhnlich: Gekocht wird im kleinen Gastraum, direkt hinter der Theke.

"Wir haben innen 16 Plätze. Alles bei uns passiert direkt vor der Nase", erklärt Mona John. Die 28-jährige Köchin hat in Nantes ihre Ausbildung gemacht — und in Paris gearbeitet. Die Westendstraße gefällt ihr: "Die Straße ist nicht spießig, sie ist entspannt. Am liebsten würde ich hier wohnen." (Westendstr. 29)
Station 2: Auf einen Teller Bohnensuppe in der Taverne Kreta
Ti Kanis — wie geht es dir? steht auf den Papierservietten in der Taverna Kreta. Der Gast kann so ein wenig griechisch lernen. Im Schatten der roten Markise entlang der Westendstraße, an Tischen mit rotkarierten Decken, serviert Dimitrios Tellios seine hausgemachte frische Bohnensuppe für sechs Euro.

"Suppe ist gesund für den Magen", weiß der Wirt. Von der Karte seines Lokals kommen auch die Dorade und die vegetarische Moussaka im Viertel gut an. Die Taverne Kreta bietet einen luftigen Platz für einen Stopp, gegenüber vom Spielplatz des Kindergartens. (Schnaderböckstr. 6).
Station 3: Zeitung holen im Kiosk Biromiro
Zur Institution im Viertel, lohnt ein Mini-Abstecher von der Westendstraße in die Astallerstraße 16. Treten Sie doch ein - und kaufen Sie eine Abendzeitung bei "Biromiro". Kalte Getränke gibt es übrigens auch.
Denn seit 38 Jahren betreibt Miroslav Balunovic seinen Zeitungskiosk mit Lotto Toto und Schreibwaren. Wegen Limo, Bier und Tabak kommen viele Kunden. Und die Schüler wegen dem Papier: Miroslav hat vor 20 Jahren die Kinder aus der Gegend erlebt, die Schulsachen bei ihm kaufen gingen.

Jetzt freut er sich, dass deren Kinder wieder bei ihm Hefte, Stifte, Kleber und Radiergummis besorgen. "Miro" ist eine Institution im Viertel, weil er jeden kennt und die News aus dem Viertel weiß: Im Blumenladen wurde eingebrochen, ein Feinkostgeschäft macht zu, ein Friseur um die Ecke ist stadtbekannt. Miro stellt gelassen fest: "Im Gemüseladen sitzt jetzt der Architekt". Und er freut sich auf die Rente — Biromiro übernimmt sein Sohn.
Station 4: Besuch beim Kreativen von der VFX Manufaktur
Eine dichte Kastanienallee und Kopfsteinpflaster vor der Tür — so lässt es sich glücklich arbeiten. Hannes Gerl (45) hat lange in Berlin-Kreuzberg und acht Jahre in Barcelona gelebt. Doch mit Kindern findet er es in München am Schönsten, sagt der Inhaber der VFX Manufaktur.
"Ich bin absolut verliebt ins Westend und die schöne Mischung an Leuten hier mit Alten, Ausländern, Künstlern und Kindern. Das hat etwas. Woanders ist die Gentrifizierungs viel stärker."

In München hat er schon an 15 verschiedenen Orten gewohnt. Doch an der Westendstraße mag er jetzt das Familiäre: "Die Leute halten an und reden, man kennt sich." An der Straßenecke Westend-/Astallerstraße stehen vier Bänke, zwei haben die Anwohner aufgestellt. "Den ganzen Tag über sitzen hier Menschen." Und abends werde Musik gemacht.
"Zwei Jahre habe ich nach einem Laden gesucht und viele mit Efeu überwachsene Hinterhöfe gesehen." Sein Büro mit Laden hat eine alte Schaufensterscheibe und ist in der Westendstraße 142. Dort arbeitet er an Computeranimationen und zeigt Geschenke aus dem 3D-Drucker.
Station 5: Wo noch Brennholz in München lagert
Spektakulär unspektakulär: der große Hinterhof in der Westendstraße 147. Eine grüne Regentonne, Rankpflanzen und bemalte Autoreifen als Pflanztröge lassen in diesem Eck des Viertels eine stille Kleinstadtatmosphäre aufkommen. Besonders auffällig und ungewöhnlich.

Der Blick in den Innenhof fällt auf Holz: auf den großen dunklen Holzbau der Zelt- und Planenfirma Chalo im Hof. Holzscheite sind entlang der Fassade des blauen Hinterhauses aufgestapelt. Dort haben Designagenturen und Fotografen Ateliers.
Station 6: Bei der spanischen Gemeinde in der Kirche Maria Heimsuchung
Direkt dörflich wirkt das Ensemble der Kirche Maria Heimsuchung an der Westendstraße 155. Am Vorplatz stehen viele Bänke. An den Radlständern parken Lastenräder, ein klarer Hinweis auf den Kindergarten im lauschigen Innenhof. In der Kirche trifft sich übrigens die spanischsprechende Gemeinde Münchens.

Die Aushänge bieten Infos zum Treff der Senioren-Gymnastikgruppe. Und, sehr korrekt, es gibt einen Hinweis auf ein Beratungstelefon für Betroffene von sexuellem Missbrauch. Wer beim Vorbeiflanieren zufällig die Glocken läuten hört, fühlt sich beim Stadtspaziergang eigentlich fast wie am Land.
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