Nach tödlichem Unfall in Trudering: Wie gefährlich sind Radwege in München wirklich?

Verschwinden die sogenannten Angstweichen aus München? Der Stadtrat informiert sich zum Thema Radstreifen in Mittellage.
Myriam Siegert
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Viele Radfahrer in München empfinden die Radwege in Mittellage – also zwischen zwei Autospuren – als sehr gefährlich.
Viele Radfahrer in München empfinden die Radwege in Mittellage – also zwischen zwei Autospuren – als sehr gefährlich. © IMAGO/Wolfgang Maria Weber

München - Noch keine zwei Wochen ist es her, dass eine Radfahrerin bei einem Unfall mit einem Lkw tödlich verletzt wurde. Ein tragischer Vorfall, der viel Anteilnahme, aber auch viele Forderungen nach verschärften Sicherheitsbedingungen für Radfahrer hervorrief.

Das vielleicht Besondere an dem Unglücksfall: Anders als bei vielen anderen Unfällen, war am Unglücksort an der Kreuzung Kreiller- und Bajuwarenstraße in Trudering eine recht frische Radinfrastruktur vorhanden. Die 65 Jahre alte Radlerin fuhr auf einem markierten Radstreifen, als der Lkw-Fahrer (66) sie beim Spurwechsel auf den Rechtsabbiegerstreifen erfasste. Die Frau starb noch an der Unfallstelle.

Gefährliche Radwege in München: Aktivisten sprechen von einer "Angstweiche"

Bei dem Radstreifen handelte es sich um einen sogenannten Radfahrstreifen in Mittellage, der zwischen zwei Autospuren, in dem Fall der Rechtsabbiegerspur, verläuft. Fahrzeuge müssen diesen also zum Spurwechsel überqueren. 

OB Dieter Reiter teilte nur wenige Tage nach dem Unglück mit, er habe das Mobilitätsreferat beauftragt, die Sicherheit auf Münchens Radwegen überprüfen zu lassen und gegebenenfalls Sofortmaßnahmen zu veranlassen. "Wenn die Anordnung des Radweges zu dem schrecklichen Unfall geführt hat, dann müssen wir in der Mitte verlaufende Radwege dringend überdenken", sagte er laut Mitteilung. Derlei Radwege stehen immer wieder als mögliche Gefahrenquelle in der Kritik. Radlaktivisten nennen sie auch "Angstweiche".

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Radstreifen in Mittellage in München auf dem Prüfstand: "Brauchen eine Fehler verzeihende Infrastruktur"

Am Mittwoch nun hat sich der Mobilitätsausschuss des Stadtrats zu dem Thema unterrichten lassen, wie es um die Sicherheit von Radstreifen in Mittellage bestellt ist. Die Fraktionen von Grüne/Rosa Liste, SPD/Volt und ÖDP/München Liste hatten dies zuvor in einem Antrag gefordert. 

Laut Mobilitätsreferat gibt es 45 davon im Stadtgebiet. Etwa an der Schweigerstraße, der Orleansstraße, der Kapuzinerstraße oder am Innsbrucker Ring. Das Referat erklärte, Radwege in Mittellage stellten keinen Unfallschwerpunkt dar, werden aber subjektiv von einigen Radfahrenden als unsicher wahrgenommen.

Grünen-Stadtrat Christian Smolka sprach der Familie der getöteten Radfahrerin sein tiefes Beileid aus und betonte im Nachgang der Sitzung, Radstreifen in Mittellage müssten in der ganzen Stadt auf den Prüfstand. "Sie erscheinen nicht geeignet, die Sicherheit aller zu gewährleisten", so Smolka. "Was wir brauchen, ist eine Fehler verzeihende Infrastruktur."

SPD-Stadtrat will in München "keine Schwerverletzten und Toten mehr betrauern müssen"

Zudem plädierte er für weitere Lösungen. "Es gibt Möglichkeiten, in München schnell für mehr Sicherheit zu sorgen. Zum einen reduziert Tempo 30 die Unfallgefahr erheblich. Andererseits zeigen Beispiele wie Kopenhagen, dass getrennte Ampelschaltungen an Kreuzungen für Auto- und Radfahrende das Verkehrsgeschehen für alle im Straßenverkehr sicherer machen", so Smolka.

Ähnlich sieht es SPD-Stadtrat Andreas Schuster: "Der Tod der Radfahrerin in Trudering hat uns alle sehr erschüttert. Umso wichtiger ist daher, dass wir mit dem Ausbau einer fehlerverzeihende Infrastruktur für alle Verkehrsteilnehmenden zügig vorankommen", so Schuster auf AZ-Anfrage. "Unser klares Ziel ist es, möglichst keine Schwerverletzten und Toten im Verkehr mehr betrauern zu müssen."

An vielen Stellen in München sei Radfahren sehr sicher, so Schuster. "Dort aber, wo Radwege mitten auf der Straße im Autoverkehr enden oder wo Radwege in Mittellage an großen Kreuzungen geführt werden, müssen wir die Planungen auf den Prüfstand stellen."

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Im Herbst will der Stadtrat einen Verkehrssicherheitsbericht vorlegen

Aus der CSU/FW-Fraktion äußerte man sich ein wenig zurückhaltender: Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer und insbesondere den Fuß- und Radverkehr sei von hoher Bedeutung, heißt es aus der Fraktion auf AZ-Anfrage. "Die bestgeeignete Lösung muss unserer Ansicht aber im jeweiligen konkreten Einzelfall gefunden werden."

Eine umfangreiche Analyse zu den Unfallzahlen und -ursachen im Straßenverkehr, gerade auch bei Radstreifen in Mittellage, soll zusammen mit dem Verkehrssicherheitsbericht erfolgen, der im Herbst dem Stadtrat vorgestellt werden soll. "Hiervon erhoffen wir uns neue Erkenntnisse und Vorschläge zum weiteren Vorgehen durch das zuständige Mobilitätsreferat."

An der Kreuzung Seidlstraße/Arnulfstraße etwa wurde ein Radweg in Mittellage vor zwei Jahren zurückgebaut, allerdings war dieser auch nur eine temporäre Lösung während des Umbaus der Paul-Heyse-Unterführung. Grünen-Stadträtin Gudrun Lux sagte damals dennoch zur AZ: "Radwege in Mittellage sind weniger sicher als andere. Es wäre unser Ziel, dass wir mittelfristig komplett auf diese Infrastruktur verzichten."           

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  • Sulzimal am 11.05.2024 08:22 Uhr / Bewertung:

    Ich radle dort auch öfter und demnächst mit meiner Enkelin. Doch, was soll man den Kindern da beibringen. Es gibt soviele verwirrende Regelungen, wie:
    Bis zum vollendeten 8. Lebensjahr müssen Kinder mit dem Fahrrad auf dem Gehweg fahren. Bis zum vollendeten 10. Lebensjahr dürfen sie den Gehweg noch benutzen. Aber: Ist ein Radweg vorhanden und baulich von der Fahrbahn getrennt, dürfen ihn auch Kinder unter 8 Jahren benutzen. Farblich markiete Fahrbahnen auf der Straße dürfen von Kindern nicht benutzt werden.

    Doch eines weiß ich sicher, meine Enkelin lasse ich niemals zwischen LKWs auf einem schmalen Streifen fahren, wo die StVO mit der Regel mit 1,5 m Abstand vorbeifahren sowieso nie eingehalten werden kann und damit eh jeder Fahrweg in Mittellage allein schon gegen diese StVO verstößt.

  • glooskugl am 09.05.2024 18:17 Uhr / Bewertung:

    Der Radweg ist so sicher wie in die Radfahrer machen. Da liegt allerdings der Hund begraben.
    Führerschein und Kennzeichen für Radfahrer tut Not und deutlich mehr Polizeikontrollen. Die Kontrollen die es gibt sind ein Witz.

  • Hanswurst am 09.05.2024 21:24 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von glooskugl

    "Führerschein und Kennzeichen für Radfahrer tut Not und deutlich mehr Polizeikontrollen."
    Wie so oft, versteh ich Ihren Kommentar nicht. Sie behaupten also, die im Münchner Strassenverkehr getöteten Radfahrer würden noch leben, wenn sie einen Kfz-Führerschein und ihre Räder Kennzeichen hätten? Echt jetzt? Und mehr Polizeikontrollen für Radfahrer sollen für weniger Verkehrstote unter den Radlern sorgen?
    Im vorliegenden Fall kam eine 65 jährige Dame zu Tode, die völlig regelkonform auf dem Radweg gefahren ist.
    Ich beobachte seit Jahren die Meldungen über tödliche Verkehrsunfälle im Münchner Stadtgebiet. Fast ausnahmslos sterben Radler und Fussgänger, die bei Grün die Ampel überqueren, also alles richtig machen.
    Ich gehe sogar noch weiter und behaupte, die überwiegende Mehrheit der erwachsenen Radfahrer besitzt bereits einen Führerschein und fährt auch Auto.

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