Nach Kran-Drama: "So etwas wird Schule machen"
Nachdem ein Asylbewerber drohte von einem Kran zu springen, warnen Experten vor einer Häufung solcher Vorfälle. Die Flüchtlingszahlen steigen, die Betreuer der Neuankömmlinge sind schon jetzt überfordert.
München - Auf dem Rindermarkt drohen 49 Flüchtlinge, sich zu Tode zu hungern. In Sendling will sich ein 31-jähriger Syrer von einem Kran stürzen, sollte seine Familie kein Visum für Deutschland bekommen. Zwei Flüchtlings-Dramen, die München erschüttert haben – und wohl nicht die letzten gewesen sind.
„So etwas wird womöglich Schule machen“, befürchtet Elisabeth Ramzews, Leiterin des Sozialdienstes der Inneren Mission. Denn die Flüchtlingszahlen steigen und die Betreuer der Heimatlosen sind zunehmend überfordert.
Die Innere Mission kümmert sich um die derzeit rund 1100 Menschen, die in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Stadt untergebracht sind Zum Vergleich: In den vergangenen Jahren waren es im Durchschnitt 850 bis 900. „Und der September kommt erst noch“, sagt Elisabeth Ramzews. „Der Herbst ist erfahrungsgemäß die ,Hauptreisezeit’, in der vor allem Roma vor dem Winter in ihrer Heimat flüchten.“
Ramzews und ihr Team beraten die Neuankömmlinge bei Problemen „von A bis Z“. Jeweils drei Büros in der Bayernkaserne und dem Heim in der Baierbrunner Straße stehen dafür zur Verfügung. Allerdings gibt es bei der Beratung ein grundlegendes Problem – den Betreuungsschlüssel. Er liegt derzeit bei 1:180. „Das bedeutet eine Viertelstunde Betreuung pro Woche, da kann man nicht viel machen“, sagt die Chefin. „Wir haben nur vier Vollzeitstellen und können den Bedarf einfach nicht mehr bedienen.“ Ihre Forderung: „Das Sozialministerium müsste mehr Geld in die Asylsozialberatung geben – das nutzt letzen Endes der gesamten Gesellschaft.“
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Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisierte gestern die schwierigen Einreisebedingungen für Angehörige syrischer Flüchtlinge nach Deutschland: „Visa werden derzeit kaum ausgestellt“, sagte eine Sprecherin.
Selbst wenn sich der Flüchtling in Deutschland verpflichte, alle Kosten des Aufenthaltes zu tragen, werde ein Besucher-Visum in der Regel abgelehnt, weil der Rückkehrwille der eingeladenen Personen angezweifelt werde.
Es sei Aufgabe von Innenminister Joachim Herrmann (CSU), die Aufnahme dieser Menschen zu erleichtern und entsprechende Schritte einzuleiten.