Nach Klage: Richter gibt der Prozess-Verliererin Geld - auch die Klägerin!

München - Sie glauben nicht an Wunder und Weihnachtsfrieden? Dann lesen sie die folgende Geschichte, die sich vor wenigen Tagen am Amtsgericht in der Pacellistraße zugetragen hat.
Die Protagonisten sind die Münchnerin Ingrid K. (64) und ihre Vermieterin. Die beiden Frauen liegen seit längerem im Clinch. Der Grund: Die 64-jährige Mieterin hatte bauliche Veränderungen im Garten des Untermenzinger Mehrfamilienhauses vorgenommen. Nicht alle stießen auf Gegenliebe.
Streit zwischen Vermieterin und Mieterin landet vor Gericht
Im Gegenteil: Ihre Vermieterin sah sich gezwungen wegen "vertragswidriger Nutzung des Mietgrundstücks" Klage zu erheben. Ingrid K. sollte gerichtlich verpflichtet werden, einen Maschendrahtzaun, einen Pavillon und eine Hundetreppe für ihren Schäferhund-Mischling Pablo zu beseitigen. Die Gartenbenutzung war der Frau, die im Hochparterre wohnt, zwar erlaubt, aber nur in Absprache mit den anderen Mietern. Es kam, wie es kommen musste, man traf sich vor dem Amtsgericht. Ingrid K., die schwer an Kehlkopfkrebs erkrankt war, kann nur dank einer Sprechhilfe reden. Sie lebt von Hartz IV, kann keine ähnlich günstige Wohnung finden.
Liegt’s an der Adventszeit? In der Verhandlung zeigen sich beide Seiten überraschend kooperativ. Nicht die Regel in Zivilprozessen. So erklärt die Klägerin, den Pavillon bei Einzug genehmigt zu haben und insoweit auch zu ihrem Wort stehen zu wollen. Den Hinweis auf die Verjährung dieses Anspruchs vom Richter braucht es da gar nicht mehr. Sie störe vielmehr der unansehnliche Rasenteppich im Pavillon, erklärt die Vermieterin.
Beklagte hat kein Geld: Richter hilft aus
Ingrid K. erwidert, dass ihr das nötige Geld fehle, um den Boden neu zu verlegen. Die Parteien vergleichen sich. Der Zaun wird künftig nicht mehr den Zugang zu einer anderen Wohnung versperren, die Hunderampe bleibt, bis Pablo gestorben ist. Und Mieterin Ingrid K. verpflichtet sich, im Pavillon einen Holzboden verlegen zu lassen – sobald es ihr finanziell möglich ist.
Und jetzt wird’s weihnachtlich-wunderlich: Nach der Beendigung des Verfahrens empfiehlt der Richter Ingrid K., zu Hause ein Sparschwein mit der Beschriftung "neuer Holzboden" aufzustellen. Er selbst gibt ihr – angesichts der anstehenden Festtage und weil ihn ihr Schicksal schlicht barmt – einen 50-Euro-Schein als Startkapital. "Der Richter war sehr, sehr nett", sagt Ingrid K. im AZ-Gespräch. Anwältin Uta Hervol ist so begeistert von der richterlichen Initiative, dass sie ihrer Mandantin auch Geld zusteckt. Hervol: "Das war ganz toll vom Richter." Und um das Wunder von der Pacellistraße komplett zu machen: Sogar die Klägerin erbarmt sich und spendet. "Ein Sparschwein habe ich noch nicht, aber das gespendete Geld für den Holzboden beiseite gelegt", berichtet die 64-Jährige. Inzwischen habe ihr ein Nachbar noch was dazu gegeben. Keine Frage, es weihnachtet sehr.
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Bilder: Atemberaubendes München von oben