Nach Isarmord: 3.000 Männer zum Speicheltest

Nach dem Mord an Domenico L. (†31) an der Isar werden rund 3000 Münchner Männer überprüft – 1800 haben bereits Speichelproben abgegeben
München - Es ist fast wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Auch drei Monate nach dem Mord an dem italienischen Ingenieur Domenico L. (31), der am 28. Mai an der Isar von einem Mann erstochen wurde, der zuvor seiner Freundin ins Gesicht gespuckt hatte, fehlt die entscheidende Spur. Doch die Mordkommission hat das DNA-Muster des Täters. Um nichts unversucht zu lassen, fordert die Sonderkommission alle Männer, die nördlich und südlich der Isar in einem Umkreis von 300 bis 400 Metern zum Tatort mit ihrem Handy eingeloggt waren, dazu auf, eine Speichelprobe abzugeben.
Nach AZ-Informationen betrifft dies rund 3000 Männer. Etwa 1800 sind in den vergangenen Wochen bereits zum freiwilligen Speicheltest erschienen. Nach dem Abhör- und Überwachungsskandal des amerikanischen Geheimdienstes NSA, ist die Arbeit für die Ermittler schwieriger geworden. Ein Polizist aus der Soko: „Einige sind jetzt misstrauischer, dass auch bei uns Daten missbraucht werden könnten.“ Eine unbegründete Angst, versicherte Markus Kraus, Chef der Mordkommission, bereits vor Wochen. „Die Daten werden sofort nach dem Abgleich vernichtet.“
Es ist eine mühsame Arbeit mit enormem Aufwand und einer Flut von Daten. Am 28. Mai gegen 22 Uhr, als Domenico L. auf dem Isarradweg an der Erhardtstraße zwischen Europäischem Patentamt und Deutschem Museum erstochen wurde, waren in Tatortnähe rund 9300 Männer und Frauen mit ihren Handys in eine Funkzelle eingeloggt: Besucher von Kneipen, Taxifahrer, Kellner, Spaziergänger, Radfahrer, Autofahrer usw..
Sie alle will die 31-köpfige Soko Cornelius kontaktieren. Frauen, die ihr Handy am fraglichen Abend selbst benutzt haben, werden meist telefonisch befragt. Das war’s meist. Die Männer hingegen werden von der Soko aufgefordert, eine Speichelprobe abzugeben. Gelegentlich sollen auch Frauen aufs Revier kommen, meist ein Versehen, wenn die Vornamen nicht eindeutig weiblich sind.
Warum der Aufwand eines Massentests? Die wichtigste Spur zum Mörder ist sein DNA-Muster. Er hatte sich beim Zustechen selbst verletzt und dabei seinen genetischen Fingerabdruck am Tatort hinterlassen. Zum schnellen Fahndungserfolg führte das leider nicht: Ein Abgleich mit der DNA-Analysedatei der Polizei ergab keinen Treffer. Offenbar ist der Mörder bei uns bislang nicht mit schweren Straftaten in Erscheinung getreten.
Die Soko arbeitet unter Hochdruck, auch am Wochenende. Sie überprüfte ähnlich gelagerte Fälle, bei denen Täter völlig unmotiviert andere angriffen, psychisch auffällige Männer und Personen, die aktenkundig geworden sind, weil sie andere bespuckten. Die Ermittler spürten Männer auf, die durch Verletzungen aufgefallen sind, die mit der Tat in Zusammenhang stehen könnten – alles bislang ohne den entscheidenden Treffer. Führt nun die Überprüfung von tausenden Handynutzern im Glockenbachviertel und in der Au zum Mörder?
„Rechtliche Grundlage für den DNA-Massentest ist ein Beschluss des Amtsgerichtes München“, erklärt Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. Etwa 1800 Männer haben bereits eine Speichelprobe abgegeben. In der Münchner Rechtsmedizin und in einem großen Forensik-Labor in Ebersberg wird das Material ausgewertet.
Normalerweise kostet eine einzelne DNA-Analyse 75 bis 80 Euro. Um Kosten zu sparen, werden bei dem jetzigen Massentest zunächst nur fünf Merkmale des DNA-Profils der getesteten Personen mit dem Profil des Mörders verglichen. Diese Untersuchung kostet je 25 Euro. Erst wenn das verkleinerte Bild mit den Merkmalen des Täters übereinstimmt, werden alle 15 DNA-Merkmale verglichen. Bislang war kein Treffer dabei.
„Nachdem der NSA-Skandal publik wurde, ist es schwieriger, manche von einer freiwilligen Speichelprobe zu überzeugen“, sagt ein Polizist zur AZ. Doch die Angst vor Datenmissbrauch ist unbegründet, beteuern die Ermittler. Nur die Soko Cornelius und die Münchner Mordkommission haben Zugriff auf die Daten der getesteten Männer. Ihr genetisches Profil wird anonymisiert, das Material sofort vernichtet. Es darf nicht dafür verwendet werden, um es mit Täter-DNA aus anderen Straftaten zu vergleichen.
Letztlich sollte jeder ein Interesse daran haben, der Soko zu helfen, Domenicos Mörder zu finden. Nach wie vor bittet die Kripo um Zeugenhinweise. Je schneller der Mörder gefunden wird, umso besser. Die Ermittler halten Domenicos L.s Mörder für hochgefährlich. Er könnte jederzeit wieder töten. Ein Ermittler: „Es kann jeden treffen.“ [AUTOR_ENDE]<QM>Nina Job[/AUTOR_ENDE]