Münchner Traditions-Juwelier Bleiholder: "Eheringe sind extrem individuell"
München - AZ-Interview mit Rudolf Bleiholder (49): Sein Juwelier-Geschäft gibt es schon seit mehr als hundert Jahren.
AZ: Herr Bleiholder, schmiedet ein Juwelier seine Eheringe selbst?
RUDOLF BLEIHOLDER: Die einen sagen: auf keinen Fall. Die anderen: selbstverständlich!
Zu welchen gehören Sie?
Ich bin da abergläubisch, so wie viele meiner Kollegen. Ich sage: auf keinen Fall. Meine stammen von einem guten Freund und Goldschmied.
Bleiholder: "Wir haben durch unsere Stammkunden noch halbwegs Glück"
Ich vermute mal, dass Sie Ihren Ring selbst entworfen haben.
So ist es. Ich habe einen relativ breiten Ehering. Flaches Profil. Darauf sind Linien, die sich teils kreuzen. Das Motto lautet: Lebenslinien. Und der Ehering meiner Frau hat feine Brillanten dort, wo sich die Linien kreuzen. Meiner nicht.
Wirkt der Aberglaube?
Nun ja, ich bin glücklich verheiratet und habe vier Töchter. Dazu einen Beruf, der mich glücklich macht.
Haben Sie Umsatzeinbußen?
Natürlich, wer nicht? Wir haben durch unsere Stammkunden noch halbwegs Glück. Wir machen derzeit etwa 70 Prozent des Vorjahresumsatzes. Und die Pandemie hat sogar einen ganz kleinen Vorteil.
Da bin ich gespannt.
Ich fahre jeden Tag mit dem Fahrrad her statt mit der S-Bahn. Täglich zwei Mal 15 Kilometer, bei fast jedem Wetter. Das hält richtig fit.
Sie sind Juwelier in dritter Generation. Wird es eine vierte geben?
Da bin ich hoffnungsvoll. Meine vier Töchter sind zwischen 13 und 17 Jahre alt. Es sieht so aus, als ob der Betrieb in der Familie bleiben könnte.
Wollten Sie selbst immer Goldschmied und Juwelier werden?
Lassen Sie mich dazu eine kleine Geschichte erzählen. Ich habe kürzlich einen Schulfreund nach langen Jahren wieder getroffen, den ich seit dem Kindergarten kenne. Ich erwähnte, dass ich jetzt Goldschmied bin. Da sagte er, das weiß ich doch. Du hast schon im Kindergarten gesagt, dass du mal Goldschmied wirst!

Rudolf Bleiholder: Fachmann für Edelsteine und Diamantgutachter
Welche Ausbildung macht man denn als Juwelier?
Mein Bruder und ich, wir sind Goldschmied-Meister. Ich bin zusätzlich ein Fachmann für Edelsteine und ein Diamantgutachter.
Woran denken Sie, wenn Sie zurückblicken auf Ihren Großvater, der ja das Juweliergeschäft gegründet hat?
Mut. Ich finde, dass er sehr mutig gewesen ist, als er 1919 das Unternehmen gegründet hat. Das war schließlich ein schwieriges Jahr, so kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Er hat sich etwas getraut.
Sie werben im Internet mit vielen Ring-Arten, wie sie vor allem Eheleute kaufen. Ist dieses Geschäft eingebrochen?
Tatsächlich heiraten die Leute seltener, ja. Aber die Paare verloben und trauen sich etwas häufiger standesamtlich, auch wenn es traurig ist, dass sie ihre Hochzeitsfeier und auch die kirchliche Trauung auf unbestimmte Zeit verlegen müssen.
Woran liegt das?
Ich glaube, die Paare denken sich häufig: Gerade in dieser schwierigen Zeit halten wir zusammen, trauen uns erst recht.
"Hier strawanzen und flanieren die Münchner ganz leger"
Werden Sie heuer das 101-jährige Jubiläum Ihres Geschäfts feiern?
Nicht so, wie wir wollten. Aber wir holen das nach. Wir haben ohnehin eine bewegte Firmengeschichte. Meine Großeltern eröffneten das Geschäft in der Perusastraße. Das ging gut, bis München zerbombt wurde. Dann gab es ein kleines Garagen-Intermezzo. Und ab 1948 zogen sie in das Erdgeschoss des Hotels Königshof, am Stachus. Dort waren wir 70 Jahre lang. Das wurde zum 100. Jahr des Unternehmens abgerissen, weshalb wir hierher gekommen sind - und nicht feiern konnten. Jetzt wollten wir zumindest das 101. Jahr feiern. Aber das funktioniert nicht, wegen Corona. Ich kann meinen Kunden nicht mal Kaffee oder Sekt anbieten.
Gefällt es Ihnen grundsätzlich am Sebastiansplatz?
Großartig! Hier strawanzen und flanieren viele Münchner ganz leger durch die Gegend, normalerweise viel Laufkundschaft also. Wir hätten es nicht besser erwischen können. Da bin ich unseren Vermietern extrem dankbar, den Inhabern vom Hotel Blauer Bock.
Ist Schmuck eine Investition?
Viele denken sich, wenn ich nicht reisen kann, dann kauf ich mir etwas Schönes. Möglicherweise als Investition, ja.
Sehen Sie es den Leuten an, was sie kaufen wollen?
Manchmal. Wenn ein junger Mann alleine ankommt, möchte er oft einen Verlobungsring. Wenn ein junges Paar zu uns kommt, kann man es auch schon ahnen, dass sie Ringe für die Trauung brauchen. Und bei vielen Stammkunden weiß ich, was sie mögen. Aber alles andere ist häufig eine Überraschung.
"Wir fertigen ausschließlich mit Gold aus Ankäufen"
Haben Paare schon eine Vorstellung von ihren Ringen?
Manche haben eine Skizze oder ein Foto dabei. Das macht am meisten Spaß, wenn ich dabei helfe, den eigenen Schmuck-Traum wahr werden zu lassen.
Wollten Paare auch schon Ihren Ring, mit den Lebenslinien?
(lacht) Den gibt es mittlerweile einige Male. Der kommt gut an.
Wie überprüfen Sie eigentlich, woher ihr Gold kommt?'
Wir fertigen ausschließlich mit Gold aus Ankäufen. Es ist also hundert Prozent recyceltes Material. Daher machen wir uns da keine Sorgen.
"Der Charakter des Steins sorgt für die Form"
Gibt es Trends bei Eheringen?
Früher ja, heute nein. An manchen Ringen erkennt man, ob sie aus den 70ern oder 80ern stammen. Sie sind häufig besonders breit. Heutzutage sind die Eheringe extrem individuell. Aber immer noch aus weißem oder gelbem Gold.
Wie lange dauert es, bis Sie Ringe fertigstellen?
Wir brauchen meistens zwei bis vier Wochen, je nach Aufwand. Vorlauf ist schon sinnvoll. Bei Eheringen ist es komfortabel, etwa einen Monat vor der Trauung bei uns vorbeizuschauen. Es geht aber auch schneller, wenn es sein muss.
Sie kaufen ja auch Edelsteine an, die dann auf Ringe gesetzt werden. Wie entscheiden Sie, wie die aussehen?
Oft entscheidet der Stein, wie der Ring aussieht. Der Charakter des Steins sorgt für die Form.
Ein Beispiel?
Ein kleiner viereckiger Rubin etwa, mit einem tiefen Burmarot und feuriger, beeindruckender Leuchtkraft. Da konnte der Ring nur aus Weißgold oder Platin werden. Auf die Seite hat der Stein zwei kleine unauffällige Prinzess-Brillanten bekommen, die auch viereckig sind und nicht vom Rubin ablenken. Das ging alles von selbst. Es ist ein ganz charakteristisches Stück geworden. Den Ring kann jede Frau tragen.

"Beim Altgold-Ankauf bekommen wir häufiger Scheidungs-Ringe"
Wie teuer ist dieser Ring?
Etwa 2.400 Euro.
Wie groß ist die Preisspanne für Ihre Schmuckstücke?
Wir starten bei etwa 700 Euro pro Ring. Und irgendwo bei 15.000 bis 20.000 Euro ist Schluss.
Kostete irgendetwas auch schon sechsstellig?
Bisher nur drei Mal. Auftragsarbeiten. Das sind Highlights.
Beispiele?
Große Ohrstecker mit feinen Brillanten etwa. Oder ein rechteckiger Diamant, ein sogenanntes Baguette, als Anhänger, in einer zarten Fassung.
Nun kennt man ja die Scheidungsraten. Wie oft bringt jemand seine Verlobungsringe oder Eheringe wieder zurück?
Ehrlich gesagt habe ich das bei meinen Kunden noch nicht erlebt. Aber beim Altgold-Ankauf kommt es schon häufiger vor, dass wir Ringe bekommen, die aus einer Scheidung stammen.
Wie ist das handwerklich? Wie baut man denn einen Ring?
Alles beginnt mit der Schiene. Sie wird aus einem Metallstreifen gebogen und verlötet. Wenn ein Stein reindarf, braucht er eine Fassung. Und dann wird gelötet und geschmiedet, mit verschieden großen Hämmern. Staucheisen brauche ich auch. Im Werdegang ist das handwerklich-schmutzig und etwas glanzlos - bis zur Politur.
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