Münchner Streetart-Museum "Amuseum": Nach zwei Monaten schon vor dem Aus?
München - Es tobt schon seit Jahren ein bitterer Streit in München: Verschiedene Akteure der Streetart- / Urbanart- und Graffitiszene bekriegen sich hinter den Kulissen mit Brandbriefen, Hausverboten, gehässigen Social-Media-Kommentaren und offenbar manchmal auch Handgreiflichkeiten.
Es geht dabei viel um Anerkennung, um Platzhirschgehabe und Deutungshoheit. Aber worum es gerade eigentlich geht, ist etwas anderes: städtische Gelder.
Amuseum: Schluss nach zwei Monaten?
Am Beispiel des am 4. November frisch eröffneten "Amuseum of Contemporary Art" des Münchner Kunstvereins Positive Propaganda hat dieser Streit jetzt konkrete Konsequenzen: Noch im Mai dieses Jahres hat der Kulturausschuss des Münchner Stadtrats unter der Vorsitzenden, der zweiten Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) nach AZ-Informationen deutlich signalisiert, dass die für das "Amuseum" geforderte Finanzierung von knapp unter 200.000 Euro für den Verein gesprochen wird. Daumen hoch also für das Projekt.
Der Kunstverein hat dafür vom Freistaat die Räumlichkeiten an der Schellingstraße 3 für 20 Jahre mietfrei zur Verfügung gestellt bekommen und hat die Sanierung (z.T. die Asbestbelastung) angepackt, damit die Eröffnung am 4. November mit einem Knall gefeiert werden konnte: Mit der ersten deutschlandweiten Einzelausstellung des amerikanischen Streetart-Stars Shepard Fairey. (Die AZ hat berichtet).
Mit dabei vor Ort: Der bayerische Kunstminister Markus Blume (CSU), der Münchner Kulturreferent Anton Biebl (parteilos) und Shepard Fairey, der spätestens mit seinem "Hope"-Poster von Barack Obama 2008 weltweiten Ruhm erlangt hat.
Kulturausschuss gibt weniger Geld als benötigt
Am vergangenen Freitag dann die Hiobsbotschaft: Bereits Ende des Jahres soll wieder Schluss sein mit der Ausstellung, die eigentlich bis April angesetzt war – und die seit Eröffnung viele Zuschauer anlockt. Der Grund: Der Kulturausschuss der Stadt hat auf Drängen der Grünen am Donnerstag, 8. Dezember, entschieden, doch nicht die geforderten knapp 200.000 Euro Förderung für den Verein zu sprechen, sondern nur 50.000 Euro.
150.000 Euro wurden zusätzlich beschlossen, als eine "dauerhafte Erhöhung" der Gelder für Graffiti und Streetart im Allgemeinen, wie das Kulturreferat auf Anfrage bestätigt. Und es sagt auch: "Daraus folgt, dass die beschlossenen Mittel nicht ausreichen, das Amuseum dauerhaft betreiben zu können."
Brandbrief gegen Positive Propaganda
Was ist da passiert seit Mai, als es noch ganz anders aussah? Mit ein Grund für den Stimmungswechsel ist sicherlich ein Brandbrief. Den verschickte ein Zusammenschluss von Münchner Kunst-/Graffiti- und Urbanart-Akteuren am 27. Mai an das Kulturreferat und den Kulturausschuss (der Brief liegt der Redaktion vor). Darin äußern sich Vertreter des MUCA (Museum of Urban and Contemporary Art)/Kunstlabors, des Vereins zur Förderung Urbaner Kunst, der Munich Graffiti Library und von Munichart.de zum Vorhaben es Stadtrats, den Ausstellungsraum des Kunstvereins Positive Propaganda finanziell zu unterstützen.
Sie sehen sich finanziell im Nachteil und zweifeln an der Fähigkeit des Kunstvereins, das "Amuseum" zu betreiben. Es wird auch deutlich, dass die Betreiber des MUCA (einer rein kommerziell orientierten Kunstsammlung) keine Freude daran haben, wenn hier so etwas wie Konkurrenz entsteht – in der Sammlung der MUCA-Betreiber befinden sich zum Beispiel auch Werke von Shepard Fairey.
Das Problem am Entscheid der Grünen vom Dezember, dem Kunstverein Positive Propaganda für das "Amuseum" weniger und der gesamten Szene mehr Geld zu geben: Das eben erst eröffnete "Amuseum" und die Ausstellung von Shepard Fairey müssten nach eigenen Aussagen Ende des Jahres dicht machen. Das sagt Sebastian Pohl von Positive Propaganda gegenüber der AZ.
Er fügt an: "Vermutlich sind sich die für diesen Eklat verantwortlichen Stadträte noch nicht über die internationale Tragweite ihrer Entscheidung bewusst." Shepard Fairey selber wandte sich am Dienstag mit einem Schreiben an den bayerischen Kulturminister Markus Blume (liegt der AZ vor) und auch ein namhafter Kunstsammler aus Seattle (USA), der für seinen Besuch im Januar bereits einen Flug gebucht hat, zeigt sich ob der Nachricht bestürzt. Und auch Münchner Besucher der Ausstellung zeigen sich in Briefen an die zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden empört darüber, dass das "Amuseum" bereits wieder die Türen schließen soll.
SPD will im Stadtrat mehr Geld beantragen
Die SPD will in der nächsten Vollversammlung dafür werben, dass das "Amuseum" noch einmal 50.000 Euro zusätzlich erhält, "um die Schließung zu verhindern", wie die Stadträtin Julia Schönfeld-Knor auf Anfrage sagt. Und auch das Kulturreferat ist nicht untätig: Es befindet sich "in intensiven Gesprächen, um einen Weg zu finden, damit das Amuseum nicht zum 1.1.2023 schließen muss.“
Und die Grünen, die mit ihrem Dezember-Entscheid für den Aufruhr der letzten Tage gesorgt haben? "Angesichts knapper Finanzen" sei es "nicht nichts", was der Kunstverein Positive Propaganda für das "Amuseum" an städtischen Geldern erhalten habe, sagt Stadtrat Florian Roth auf Anfrage der AZ. Es sei aber gut, dass man sich das "nochmal genauer anschaut". Die Signale stehen also nicht ungünstig für das "Amuseum". Ganz grundsätzlich würde Roth sich in der Münchner Street Art-/Urbanart-/Graffiti-Szene "mehr Offenheit wünschen".
Apropos Offenheit: Wer die Werke von Shepard Fairey in München garantiert sehen will: von Mittwoch bis Freitag (11-19 Uhr) und Samstag/Sonntag (12-19 Uhr) ist das "Amuseum" in der Schellingstraße 3 bei freiem Eintritt geöffnet.
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