Münchner Kältebus vor dem Aus

Dem Münchner Kältebus droht das baldige Aus: Auch, weil die Stadt das Hilfsprojekt für Obdachlose nicht übernehmen will.
von  Anja Perkuhn
Seit 2012 sind Jasmin Irl und etwa 40 Helfer in München unterwegs. Sie versorgen Obdachlose wie hier unter der Wittelsbacher Brücke.
Seit 2012 sind Jasmin Irl und etwa 40 Helfer in München unterwegs. Sie versorgen Obdachlose wie hier unter der Wittelsbacher Brücke. © Golden Donkey e. V.

München - Es ist der letzte Winter, in dem sie Nacht für Nacht mit ihren ehrenamtlichen Helfern in der Stadt unterwegs sind und wohnungslose Menschen versorgen – mit Kleidung, Schlafsäcken, Nahrung, etwas menschlicher Wärme. Der Münchner Kältebus steht vor dem Aus. Finden sich keine Nachfolger für die ehrenamtlichen Organisatoren, dann wird es den Hilfsbus im nächsten Winter nicht mehr geben.

Tobias Irl ist es ein bisschen unangenehm, über die Probleme zu sprechen. „Das klingt sarkastisch, wenn man weiß, mit welchem Klientel wir es täglich zu tun haben. Aber für uns ist das eine Katastrophe“, sagt er und meint die Arbeit mit dem Kältebus. Denn sie ist ihm und seiner Familie über den Kopf gewachsen. „Wir können nicht mehr weitermachen.“

Seine Frau Jasmin und er haben das Projekt 2012 gegründet – eine Kältehilfe für obdachlose Menschen in München. „Wir machen das jetzt noch so gut, wie es geht“, sagt Irl. „Aber danach ist Schluss.“

Ihr Engagement scheitert dabei nicht im Kern am Geld. „Es ist immer ein bestimmtes Volumen an Spenden, das sicher reinkommt“, sagt Irl. „Auch der Bedarf ist da – wir könnten dreimal so viel machen, wenn wir dreimal so viel Geld hätten. Es ist für uns aber logistisch nicht mehr machbar. Wir können das ehrenamtlich nicht mehr stemmen“, sagt der hauptberufliche Kfz-Händler.

Die Münchner Unternehmen und Privatmenschen sind freigiebig, wenn es um Sachspenden geht: Socken, selbst gebackene Kekse und Kuchen, Hygienebedarf - wertvolles Gut, das teilweise in so großen Mengen kommt, dass der Verein „Golden Donkey“, über den das Projekt läuft, vieles davon umgeleitet hat, beispielsweise an die Bayernkaserne im Münchner Norden, die ebenfalls wohnungslose Flüchtlinge beherbergt. Doch bevor die Spenden verteilt werden, lagern sie zwischen – in der Wohnung der Irls. Seit ihrem Umzug hat die Familie kein Büro mehr, in dem sie die Hilfsgüter verstauen und die Einsätze planen kann. Das geschieht nun alles im Wohnzimmer.

„Drei Kinder, ein Hund, drei Katzen und wir, und all diese Dinge“, sagt Irl, „das hat Dimensionen angenommen, die unser familiäres Leben inzwischen zu sehr beeinträchtigen. Wir leben hier zwischen Glühwein-Kartons und Zahnpasta.“

Diese Entwicklung hatte sich schon Anfang 2014 angedeutet. Im Mai boten Irls das Projekt deshalb der Stadt München an. „Anfangs klang es noch so, als würde die Stadt das Projekt übernehmen“, erzählt Irl. „In Rücksprache mit dem Evangelischen Hilfswerk haben sie aber einen Rückzieher gemacht.“ Der Kältebus passe „nicht ins städtische Vorgehen“, man verfolge vor allem die Vermittlung weiterführender Hilfen als Strategie, heißt es in einem Schreiben des Sozialreferats vom September.

Der Kompromiss, den die Stadt anbot, ist für Tobias Irl keiner: „Es wäre eine Zerschlagung geworden. Das Projekt wäre aufgelöst worden, die knapp 40 ehrenamtlichen Helfer wären auf andere Projekte der Stadt aufgeteilt, die Hotline mit einem Anrufbeantworter bestückt und die Facebook-Seite umbenannt worden.“ Das wollen er und seine Frau nicht, sie suchen deshalb noch immer nach einem neuen Träger. „Ich gehe davon aus, dass sich jemand findet. „Sollte es aber niemanden geben, steht der Bus wirklich vor dem Aus.“ Mit der intensiven Suche wollen die Irls im Frühjahr beginnen. Jetzt im Winter sind sie fast pausenlos mit dem Kältebus unterwegs.

 

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