Münchner Bräuche? Braucht's neue!

München - Alte Bräuche sollte man pflegen, sie machen einen großen Anteil daran aus, wie ein Ort sich versteht, wie man selbst ist und was einem wichtig erscheint. Auch deshalb feiern die Bayern heuer zum fünften Mal beim Frühlingsfest auf der Theresienwiese den "Tag des Brauchtums". Boarische Musi wird es da geben, Schuh-Plattler, Goaßl-Schnalzer und Tänzer, natürlich Trachten – alles im Sinne eines gepflegten bayerischem Brauchtums.
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Und was ist ein Brauch wenn nicht eine schöne Gewohnheit, von der irgendwann einmal jemand beschlossen hat, dass sie eine Tradition werden sollte? Zusätzlich zu den altbekannten Bräuchen hat sich die AZ-Redaktion deshalb einige Münchner Besonderheiten, Verhaltensweisen, Orte und Kulturschätze überlegt, die dringend zu neuen Bräuchen berufen werden sollten.
Fällt Ihnen auch ein Münchner Brauch ein, der dringend noch dazugehört? Dann schreiben Sie uns doch eine Mail an: lokales@az-muenchen.de
Ein Münchner sollte...
...mindestens ein "Monaco Franze"-Zitat nachsprechen können – auch wenn man ihn nachts um 3 weckt. Noch besser: auch noch alle "Kir Royal"-Folgen um Klatschreporter Baby Schimmerlos gesehen haben.
Bis zum Wasserfall
...schon mal im Eisbach geschwommen sein – vom Haus der Kunst bis kurz vor (!) den Wasserfall am Hilton im Tucherpark. Ohne abzusaufen. (Pluspunkte gibt es fürs Surfen auf der Eisbachwelle.)
To go
...sich im Franziskaner zum Beispiel nach dem Opernbesuch an der (mehr oder weniger unbekannten) Theke in der Küche für wenig Geld die ultimativ beste Leberkässemmel der Stadt in die Hand drücken lassen. Kann jeder machen, wissen nur wenige. Bayerisches Lebensgefühl to go!
Schleich di
...einen Australier mit den Worten "Jetzad schaugst aba, dass di schleichst" vom seinem reservierten Wiesntisch vertrieben haben.
Nachts zu den Wallern
...einen Nachttauchgang in der Ruderregatta gemacht haben. Super Sicht und zwei Meter lange Waller – schön gruselig!
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Grillrost-Flaucher
...grillen am Flaucher oder an der Isar: Sie ist für die Jungen da genau wie für die Alten. Wer in München aufgewachsen ist, sollte hier eines seiner ersten Biere getrunken haben, mit Freunden "Wonderwall" zu Klampfenbegleitung gegrölt oder zu Musik aus dem Ghettoblaster (heute: iPhone mit Boxen) gewippt haben.
Eine Jugend ohne eine Nacht an der Isar ist nur eine halbe. Am besten, man war dabei auch zu dünn angezogen, weil man der italo-bavarischen Sonne tagsüber zu sehr getraut hat. Wer erst später herkam und deshalb eine Münchner Jugend nimmer schafft, kann ja einfach so an der Isar grillen gehen.
Kellerkinder
...auf dem Biedersteiner Kellerfasching (vor allem für Studenten) gewesen sein. Mit Kostüm, versteht sich.
Samma mehra
...sich dazuhocken. Hat mal in Hamburg oder Münster jemand jemals versucht, einen Platz an einem Tisch einzunehmen, der schon von einigen Menschen besetzt ist? Nee. In München ist das selbstverständlich, oft sogar gern gesehen ("Hock di hehra, samma mehra!") und nie unhöflich. Geht oft einher mit dem schönen Brauch, mit Fremden ins Gespräch zu kommen.
"Mit Eff!"
...einen Karl-Valentin-Spruch kennen.
Pff, Regen
...im Biergarten picknicken – und sich nicht vom ersten Schauer verscheuchen lassen, sondern unter den dicken Kastanienbäumen abwarten, bis die Sonne wieder rauskommt.
Windhosen
...einen Maibaum aufstellen. Weil es das erste Mal im Jahr ist, wo die Tracht an die Luft kommt. Und weil es einer der Tage ist, an denen Blasmusi unstrittig erträglich ist – wenn nicht gar schön.
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"Da oben"
...einem bei der S-Bahn wartenden Japaner erklärt haben, was ein "Oberleitungsschaden" ist.
Touri-Treatment
...am Fischbrunnen gestanden und gewartet haben, bis ihn der erste (deutsch sprechende) Tourist nach dem Weg zum Hofbräuhaus oder sonstwohin fragt. Der Dialog ginge dann so: Tourist: "Wissen Sie, wo das Hofbräuhaus ist?" Münchner: "I scho..." Und dann einfach weggehen. Sau-alt, aber lustig.
Kreiskloppe
...einmal einen Boxkampf im Teufelsrad auf der Wiesn mitmachen – gerne auch nach ein paar Maß. Kommt gut.
Herz des Viertels
...eine Lieblings-Boazn haben. Weil sie einfach das Herz eines Viertels sind, wenn auch das manchmal alkoholkranke. Hier geht man hin und trinkt seine Halbe oder seinen Schnaps und hat seine Ruhe, meistens zumindest. Wer noch keine Lieblingsboazn hat, der kann ja mit einer Boazn-Tour starten.
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Aber vor 12
...sich in der Früh am Großmarkt angestellt haben, um Weißwürste zu kaufen.
Auf die Gräfin!
...sich am 17. Februar – dem Geburtstag von Lola Montez – mit einer Geliebten treffen. Als münchnerischer Anti-Valentinstag.
Alte Münchner Bräuche – Brust, Beutel, Tanz und mehr
Der Schäfflertanz ist der einzige noch bestehende öffentliche Münchner Handwerksbrauch. Alle sieben Jahre zwischen Dreikönigstag und Faschingsdienstag tanzen die Fassmacher auf dem Marienplatz, seit mindestens 1702.
Beim Prominentenwiegen wiegen seit 1974 die Händler des Viktualienmarktes alljährlich Münchner Promis mit Lebensmitteln auf und spenden einen Geldbetrag.
Das Wasservogelfest in Neuhausen wurde 2007 erstmals seit 1828 wiederbelebt. Ein geschmückter junger Mann wird auf einem Pferd durch die Straßen geführt – und am Ende ins Wasser geworfen.
Einem Brauch aus dem 15. Jahrhundert folgend gehen Stadtspitze und der Stadtkämmerer am Aschermittwoch zum Geldbeutelwaschen im Fischbrunnen. Das soll Geld in die Börse spülen.
Im 14. Jahrhundert verteilte der Brenzreiter Brezn an die Armen. 1801 verbot der Stadtrat das – seit 1. Mai 2005 ist er wieder einmal im Jahr in der Stadt unterwegs.
Ganz und gar unmünchnerisch ist es, der bronzenen Julia am Marienplatz an die (rechte, heuer blanke) Brust zu fassen. Den Brauch haben vermutlich Touristen eingeführt. Inzwischen machen es freilich auch Münchner.