München-Milbertshofen: Die letzte Hochburg der SPD

München -Am U-Bahn-Abgang der Station Milbertshofen, Ecke Knorr- und Schopenhauerstraße, wird man ein wenig getäuscht. Auf der einen Straßenseite steht ein Plakat von Katrin Habenschaden (Grüne), auf der anderen Seite lächelt Kristina Frank (CSU).
Aber in München weiß man ja nie. Das komplexe Kommunalwahlrecht erlaubt es schließlich, alle Stimmen auf eine einzige Partei zu setzen oder eben maximal zu verteilen. Und in diesem Arbeiterviertel, nahe BMW, haben die meisten Milbertshofer SPDler gewählt, obwohl an dieser Stelle weit und breit kein SPD-Wahlplakat hängt. Das Ergebnis liegt bei derzeit 25,3 Prozent. Es ist die allerletzte Münchner Bastion der Partei des amtierenden Oberbürgermeisters Dieter Reiter.

SPD in Milbertshofen: Wahl aus Tradition
Warum das so ist? Spricht man mit Sandra B. (35), einer Kommunikationskauffrau, die gerade ihr Kind auf dem Gehweg der Knorrstraße nordwärts schiebt, hat es mit Gewohnheit, Zufriedenheit und Tradition zu tun. Sie hat es diesmal zwar nicht geschafft, wählen zu gehen. "Aber wenn, dann hätte ich ausschließlich die SPD gewählt, wie bei der letzten Wahl", sagt sie, "die Mitte der Gesellschaft zu vertreten und gleichzeitig sozial sowie liberal zu sein, das schafft meiner Meinung nach keine andere Partei."
Vor allem die zügig durchgesetzte Kita-Initiative der SPD, wonach die meisten Kindertagesstätten kostenfrei sind, beeindruckte sie. Und: "Ich kenne viele Menschen in meinem Umfeld aus Milbertshofen, die ebenfalls traditionell die SPD wählen", sagt Sandra B.

Auswirkung des Arbeiterviertels? Wahl von SPD und Grünen
"Das Arbeiterviertel spielt sicher eine Rolle, weshalb hier die meisten SPD-Stadträte gewählt haben", sagt Michael Spitzer (33), ein Computerspiele- Entwickler. Er selbst hat seine Kreuzchen maximal verteilt, mit einem leichten Überhang für die Grünen. "Klimapolitische Ziele, umweltpolitische Stoßrichtung, die liberalen gesellschaftlichen Vorstellungen: Da fühle ich mich von den Grünen am besten vertreten, bin aber gleichzeitig für hohen Konsens", sagt Spitzer. Parteien, die er niemals wählen würde, "sind die Extremisten, egal ob AfD oder linksextrem", so Spitzer. Auch die CSU sei für ihn nicht wählbar, "viel zu konservativ", sagt Spitzer.
Alexandar Radic (51) kommt gerade vom Einkaufen. Er schleppt ein Biertragl mit Münchner Bier nach Hause. "Früher habe ich SPD gewählt, diesmal alles auf Grün gesetzt", so der Altenpfleger. Radic kann auch sagen, warum: "Die Roten haben keine klare Linie mehr. Und schauen Sie sich um, im Februar hatten wir Wind statt Winter. Wir sind mitten im Klimawandel." Und weil die Grünen als einzige Partei seit Jahrzehnten glaubwürdig klimapolitische Ziele verfolgten, gebe es für ihn keine Alternative. Autofreie Innenstadt, mehr Radlwege: "Bin ich sehr dafür", sagt Radic.

Grüne erstürmen SPD-Hochburg Laim
An der Fürstenrieder Straße herrscht am Dienstag reger Betrieb im Einzelhandel. Brot, Butter, Imbiss-Snacks: Viele Laimer nutzen die Mittagszeit, um noch schnell etwas zu besorgen, häufig mit dem Radl, wie etwa Maike R. (33), eine Vertriebsleiterin.
Zum ersten Mal haben die Laimer mehrheitlich Grün gewählt (28,8 Prozent). Eigentlich ist der Stadtteil traditionell eine SPD-Hochburg. Maike R. hat eine von vielen möglichen Erklärungen. "Laim ist ein günstigeres Viertel Münchens", sagt sie, "deshalb hat sich der Anteil der Studenten stark vergrößert." Das könne man auch in dem Haus beobachten, in dem sie wohne. "Und die meisten Studenten wählen, glaube ich, die Grünen." R. habe selbst ihre Stimmen auf Grün, Rot, Schwarz und Gelb verteilt. "Ich bin dafür, dass eine Gesellschaft und auch die Politik immer einen gemeinsamen Nenner finden", begründet sie das.
Grüne stark in Laim: Studentenstimmen?
Studenten wählen meistens Grün? Spricht man mit Robert Bukowski (21), einem Mann in Tarnhose und Hoodie, mit Longboard in der Hand, bestätigt sich der Eindruck. Er durfte zum ersten Mal bei Kommunalwahlen seine Stimme abgeben und setzte alles auf Grün – wie die meisten in seinem Bekanntenkreis. "Die Klimadebatte beschäftigt uns junge Münchner am meisten", sagt der Wirtschaftsingenieur-Student.
Radlwege erweitern, wie es die Grünen fordern? "Super, ich fahr meistens Rad oder Longboard", so Bukowski, "wer gesund ist, braucht in München kein Auto." Ein weiteres wichtiges Thema in seiner Generation sei die Legalisierung von Canabis, "auch zu medizinischen Zwecken. Und dafür setzen sich die Grünen ja ein", so Bukowksi.
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