München in ADAC-Umfrage top: Wie fußgängerfreundlich ist die Stadt wirklich?
München - Nur etwa die Hälfte der Menschen in deutschen Großstädten (51 Prozent) ist sicher, wenn sie zu Fuß im Straßenverkehr unterwegs sind: Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC). Sie zeigt auch: München schneidet dabei mit 64 Prozent überdurchschnittlich gut ab und belegt in dem Ranking Platz zwei hinter Potsdam (66 Prozent) .
Zurecht? Die AZ hat beim Münchner Kreisverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) nachgehakt.
"Die Fragestellung des ADAC deckt nicht die gesamte Bandbreite der Problematik ab", sagt VCD-Sprecher Christoph von Gagern. "Erst einmal möchte ich betonen, dass jeder von uns Fußgänger bzw. Fußgängerin ist, weil jeder Mensch mal aus dem Haus geht, egal wohin. Auch der Autofahrer ist also ein Fußgänger." Es gebe aber "Überlappungen" mit den Erfahrungen und Beobachtungen des VCD.
Zustand der Gehwege in München im bundesweiten Vergleich als top eingestuft
Er persönlich habe sich daran gestört, dass der ADAC zu sehr das subjektive Empfinden abgefragt ("Was stört Sie...?) und weniger auf objektive Sachverhalte abgezielt habe: "Die Objektivität würde neben dem Faktor Sicherheit auch die Themen Lärm und Luftqualität bedienen."
Zum zweiten Mal nach 2021 ließ der ADAC Fußgänger (mehr als 3.250 Menschen) in den jeweils bevölkerungsreichsten Städten aller 16 Bundesländer befragen, wie sicher sie sich im Straßenverkehr fühlten und was sie in ihrer Stadt störe.
Demnach sehen die Münchner im Bereich von Fußgängerampeln und Zebrastreifen am wenigsten Gefahr, haben auch am Winterräum- und Streudienst wenig auszusetzen und stufen den Zustand der Gehwege im bundesweiten Vergleich sogar als am besten ein. Lediglich die Zahl der Mittelinseln wird von den Münchnern kritisch beurteilt.
VCD-Kreisverband München setzt sich für mehr Barrierefreiheit in der Stadt ein
"Etwas zu kurz kommt dabei, dass es natürlich auch Fußgänger gibt, die sich mit Handicaps durch die Stadt bewegen", sagt von Gagern. "Wer mit Gehstock oder Rollator unterwegs ist, freut sich über jeden einzelnen abgesenkten Bordstein. Diese Spezialfälle sind nicht genug berücksichtigt."
Der VCD setze sich dafür ein, dass mit Blick auf Menschen mit Behinderung Barrierefreiheit als Standard gelte, was ja auch älteren Menschen zugute komme, und fördere mit der Aktion "Zu Fuß zur Schule" eine gesundheitsbewusste Mobilität.
VCD-Experte von Gagern: "Gehweg-Parken von Autos wird zu wenig geahndet"
Über auf dem Gehweg abgestellte und ihn soblockierende Fahrräder, E-Scooter oder Motorräder regen sich die Münchner laut Umfrage besonders auf. VCD-Experte von Gagern kritisiert in diesem Zusammenhang das Verhalten von Autofahrern: "Gehweg-Parken wird meines Erachtens zu wenig geahndet, gerade in den Außenbereichen mit ihren engeren Straßen." Das Mobilitätsreferat toleriere das zwar nicht, verweise aber auf die Zuständigkeit des Kreisverwaltungsreferats (KVR) und der Polizei – "und die hat dafür zu wenig Personal".
Als besonders rücksichtslos wahrgenommen: Sollten E-Scooter in München verboten werden?
53 Prozent der in München Befragten finden, dass E-Scooter-Fahrer im Straßenverkehr am rücksichtslosesten seien, danach folgen Radfahrer (49 Prozent) sowie andere Fußgänger (34 Prozent). "Ich persönlich hätte kein Problem damit, E-Scooter grundsätzlich zu verbieten." Von Gagern sieht in dem fahrbaren Untersatz kein sinnvolles Verkehrsmittel: "Die Stereotypen von zwei Personen auf dem E-Scooter, von betrunkenen Fahrern, die zudem überall fahren, ob sie nun dürfen oder nicht und von E-Scooter-Fahrern, die ein Abbiegen nicht anzeigen, kann ich nur bestätigen."
ADAC-Verkehrsexperte Kreipl: "Vielfach bringen sich Fußgänger selbst in Gefahr"
Autofahrer stellen der Umfrage zufolge für Fußgänger das geringste Ärgernis dar (31 Prozent), sind allerdings bei Unfällen mit Fußgängern mit großem Abstand der Hauptunfallgegner.
"Vielfach bringen sich Fußgänger leider selbst in Gefahr. Sei es, weil sie sich durch ihr Handy ablenken lassen und nicht auf den Verkehr achten, Kopfhörer tragen und somit die Umwelt nur eingeschränkt wahrnehmen oder sogar gar nichts hören. Darüber hinaus halten sich viele nur an Verkehrsregeln, die sie selbst als sinnvoll erachten. Das erklärt auch, dass sich andere Verkehrsteilnehmer über Fußgänger ärgern", wird Alexander Kreipl, Verkehrsexperte des ADAC Südbayern, in der Mitteilung des größten Verkehrsclubs in Europa zitiert.
Um dem Problem des Unfallrisikos gerecht zu werden, plädiert der VCD für flächendeckendes Tempo 30. VCD-Sprecher von Gagern nimmt hier allerdings die Stadt in Schutz: "Sie kann aufgrund der rechtlichen Lage ja nicht einfach mal Tempo 30 in einem ihrer Meinung nach gefährdeten Gebiet prophylaktisch einführen, sondern muss erst die entsprechenden Unfälle nachweisen."
"Ein schwarzer Tag für München": Reform des Straßenverkehrsgesetzes ist vom Tisch
Am Freitag (24. November) stoppte der Bundesrat die Reform des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und ihre Umsetzung in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO): Statt den Kommunen also mehr Freiraum und damit mehr Verkehrssicherheit zu geben, bleibt alles, wie es ist. Das stößt nicht nur dem VCD, sondern auch der Grün-Rosa-Fraktion im Münchner Stadtrat sauer auf.
Grünen-Mobilitätskoordinatorin Lux: "So wird die Verkehrswende ausgebremst"
"Das ist ein schwarzer Tag für München wie für alle Kommunen, die mehr Freiraum und Rechtssicherheit brauchen und mehr Eigenverantwortung fordern", sagte Mobilitätskoordinatorin Gudrun Lux laut einer Mitteilung der Fraktion.
Die kleinen Fortschritte, die durch die Reform des gesetzlichen Rahmens kommen sollten, seien nun gescheitert: "So wird die Verkehrswende ausgebremst, so werden Klimaschutz und Verkehrssicherheit ausgebremst. Die vorgelegte Reform war ohnehin nur ein Reförmchen, ein Versuch, sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen. Dass selbst diese Vorlage im Bundesrat durchfällt, ist wirklich erschreckend."
Von Gagern: "Die Stadt hat über Jahre hinweg viel Geld nur in die Auto-Infrastruktur gesteckt"
Christoph von Gagern lobt in diesem Zusammenhang die Pläne in Paris, wo auf der Autobahn rund um die französische Hauptstadt eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h angedacht sei und dies nach den Olympischen Sommerspielen im kommenden Jahr umgesetzt werden solle.
Städte, Gemeinden und Landkreise hatten die Reform des Verkehrsrecht vorangetrieben, nach dem Beschluss des Bundesrats bleiben die Handlungsspielräume begrenzt, aufwändige bürokratischen Verfahren selbst für kleine Veränderungen belasten weiterhin die Verwaltungen.
Im Vergleich zu 2021: München wird von Fußgängern als sicherer wahrgenommen
"Die Stadt hat über Jahre hinweg viel Geld nur in die Auto-Infrastruktur gesteckt", gibt von Gagern zu bedenken. Angesichts dieser kritischen Situation sei ein Umbau schwierig, aber "unbedingt notwendig". Seine Hoffnung: "Die Erfordernisse bei den Themen Klimaschutz und städtebaulicher Entwicklung könnten diese Kehrtwende beschleunigen."
München werde von Fußgängern als sicherer wahrgenommen als noch im Jahr 2021. "Das ist eine positive Entwicklung, die aber nicht dazu führen sollte, dass wir beim Thema Verkehrssicherheit der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer jetzt nachlassen", kommentierte ADAC-Verkehrsexperte Kreipl die Ergebnisse.
ADAC: "Gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit sind Fußgänger besonders gefährdet"
Im bundesweiten Schnitt gibt es in Sachen Fußgängersicherheit kaum Fortschritte. Nur jeder Zweite fühlt sich sicher, wenn er zu Fuß unterwegs ist, so das aktuelle bundesweite ADAC-Ergebnis.
Auch die Unfallzahlen zeigen laut ADAC, dass sich die Situation kaum verbessert hat. Zwar ist die Zahl der innerorts verunglückten Fußgänger deutschlandweit in den letzten zehn Jahren rückläufig, mit mehr als 25.000 innerorts verletzten Fußgängern, fast 5.000 von ihnen schwer, ist sie aber weiterhin deutlich zu hoch.
Alexander Kreipl: "Der ADAC fordert daher alle Verkehrsteilnehmer zu mehr Aufmerksamkeit und gegenseitige Rücksichtnahme auf. Gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit sind Fußgänger besonders gefährdet. Zwischen Oktober und Februar passieren dementsprechend auch die meisten Unfälle."
In der "Initiative Fußverkehr" im VCD-Kreisverband München sind auch die Kreisgruppe vom Bund Naturschutz sowie die Vereine FUSS und Green City vertreten.
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