München bleibt die Stauhauptstadt
München - Na, herzlichen Glückwunsch, München ist Spitzenreiter. Leider im negativen Sinne: München ist wieder die Stauhauptstadt Deutschlands. Ganze 74 Stunden – 4440 Minuten – mussten die Münchner im Jahr 2022 im Stau stehen. Die Zahlen wurden vom Verkehrsdienstleister Inrix veröffentlicht.
So viel kostet der Stau in München
Neben München landen außerdem Berlin und Hamburg auf den Spitzenplätzen der deutschen Stauhauptstädte. Die Staukosten für die bayerische Hauptstadt berechnet Inrix mit stolzen 390 Millionen Euro. Für den einzelnen Fahrer bedeutet der zähe Verkehr im Jahr 746 Euro Mehrkosten. Wegen des Staus wird in München im Schnitt mit nur 18 km/h gefahren oder besser geschlichen.
Absolute Staustraße ist der Mittlere Ring. Wer den Abschnitt zwischen Stettnerstraße und Plinganserstraße regelmäßig zu Stoßzeiten befahren muss, verliert dabei täglich 13 Minuten. Das kostet den Münchner jährlich bis zu 51 Stunden.
Allerdings scheint es auch eine gute Nachricht zu geben. Im Vergleich zum Jahr 2019 – also vor dem Lockdown und den leer gefegten Straßen – ist die Stauzeit in München laut Inrix um rund 15 Prozent gesunken. Und auch im Vergleich zu 2021 steckten die Münchner weniger im Blechwust fest als noch 2021. Waren es damals noch 79 Stunden, sind es mittlerweile 74. Eine gute Entwicklung, oder? Woran liegt’s?
Der gesunkene Wert ist nur bedingt Grund zur Freude
Der Stauwert wird von der Baustellentätigkeit in der Stadt beeinflusst Alexander Kreipl, verkehrspolitischer Sprecher des ADAC Südbayern, nimmt hier schnell den Fuß vom Euphorie-Gaspedal: „Man darf nicht vergessen, dass 2022 zu Beginn Corona immer noch zu Buche schlägt. Viel weniger Menschen waren unterwegs, Homeoffice war noch stärker vertreten.“
Das sei ein Grund. Außerdem ließe sich auf ein Jahr gesehen ein Ergebnis schwer mit dem Vorjahreswert vergleichen. Denn: „Der Stauwert wird ebenso von der Baustellentätigkeit einer Stadt beeinflusst“, erklärt der ADAC-Sprecher. Befinden sich Baustellen an neuralgischen Punkten, könne sich das auf die Bilanz auswirken.
Dazu bringt Kreipl ein Beispiel: „Stellen wir uns vor, die Donnersbergerbrücke müsste saniert werden, weil sie marode ist. Das hätte enorme Auswirkungen auf den Verkehr.“ In der Tat arbeitet das Baureferat derzeit schon an einem Plan für einen Abriss, der laut einer Untersuchung innerhalb der nächsten 15 Jahre erfolgen muss – weil die Brücke den Verkehr nicht länger packt. Die Staustunden werden dann wohl schnell wieder nach oben schießen. Der gesunkene Wert ist also nur bedingt Grund zur Freude.
Aber warum ist München eigentlich Stauhauptstadt? Laut Kreipl hat das mehrere Gründe. Zum einen ist München Pendlerhauptstadt. „Man darf nicht vergessen, dass auch viele Menschen zum Arbeiten ins Münchner Umland fahren. Es staut sich also aus und in die Stadt“, sagt Kreipl.
Zu bedenken sei auch das Wachstum der Stadt. Immer mehr Menschen zieht es in die bayerische Hauptstadt. „München ist in den letzten Jahren um die Größe von Augsburg gewachsen. Da kann das Verkehrssystem nicht mithalten“, so der Sprecher.
München hat kein gutes Pendlerkonzept
Und die Bevölkerungsprognosen zeigen, dass sich das in den kommenden Jahren wohl nicht ändern wird. „Bei dieser Entwicklung konnte vielleicht auch einfach die Stadt nicht ganz mithalten“, formuliert es Kreipl vorsichtig. Dass nicht nur die Bevölkerung wächst, sondern auch die Zahl an fahrbaren Untersätzen, zeigen auch die Zahlen der Kfz-Zulassungen in der Stadt. Waren es 2018 noch insgesamt 714.658 zugelassene Pkw, stieg die Zahl kontinuierlich an. So waren es am 31. Dezember 2022 schon 744.438 Pkw. Bei den Gesamtzulassungen – also auch größere Fahrzeuge – sieht es ähnlich aus. Also einfach vom Auto auf den MVV umsteigen?
U- und S-Bahnen seien das Rückgrat einer Stadt wie München. Laut ADAC fehlt es an einem guten Pendlerkonzept. „Aktuell gibt es für viele einfach wenig bis keine Alternative für das Auto“, sagt Kreipl.
Was muss sich ändern? Laut Experten gibt es da ein paar Punkte. Der öffentliche Nahverkehr müsse für Pendler attraktiver werden, Homeoffice solle weiter eine Möglichkeit für Arbeitnehmer sein. „Wenn immer mehr Menschen nur einmal die Woche im Homeoffice bleiben, summiert sich das. Das entzerrt“, sagt Kreipl.
München müsse sich außerdem um eine Verflüssigung des Verkehrs kümmern. Stichwort Grüne Welle. „Das sagt sich leicht, aber es gibt sicher noch Verbesserungspotenzial in München“, findet der Sprecher.
Wer kein Homeoffice machen kann und sich täglich ärgert, weil er wieder mal am Ring steht, dem empfiehlt Kreipl, wenn möglich, antizyklisch zu fahren. Also nicht zur Rushhour. Wer da auch nicht auskann, solle immer ausreichend Puffer einbauen und bei schlechtem Wetter gleich noch ein bisschen mehr.
Wenn alles nichts mehr hilft: entspannt bleiben. Denn: „Aus dem Auto beamen kann man sich eben nicht. Da hilft alles nix“, sagt Kreipl.
Sharing-Angebote, besserer ÖPNV und Tempo 30
Um die Münchner Stauzeit zu verringern, hat auch der Verein Green City einige Ideen. So sollen beispielsweise kurz bis mittelfristig Radinfrastruktur, Fußverkehrsstrategie, der ÖPNV und ein Sharing-Angebot ausgebaut werden. Auch ein größeres Angebot an Homeoffice und flexibleren Arbeitszeiten könnten helfen, den Verkehr zu entzerren.
Laut Green City Mobilitätsexperte Hanno Langfelder müsse außerdem der Lieferverkehr optimiert werden; zum Beispiel mit ausgebauten Logistikzentren, geteilten Lieferfahrzeugen oder durch eine Lieferung mit Lastenrädern auf der letzten Meile. Ein weiterer Punkt auf einer langen Liste wäre laut Green City die Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit zur Vereinheitlichung des Verkehrs.
Langfristig müsse außerdem die Bepreisung des Park- und Straßenraums angepasst werden, findet der Mobilitätsexperte. „Mit der Förderung von Alternativen zum Autoverkehr entsteht wieder mehr Platz auf den Straßen für diejenigen, die auf das Auto angewiesen sind“, sagt Langfelder.