München: Die Steuer für Werkswohnungen fällt weg
München - Manchmal geht es doch schneller, als man denkt, und ein Anstoß aus München bewegt etwas im fernen Berlin. Wie am Mittwochabend geschehen. Da hat der Bundestag beschlossen, Werkswohnungen (wie etwa Dienstwohnungen für Pflegekräfte) steuerlich zu begünstigen. Das neue Gesetz gilt schon ab 1. Januar 2020. Damit endet ein Drama, das der Münchner Bundestagsabgeordnete Wolfgang Stefinger (CSU) im vergangenen Herbst publik gemacht hat und das danach bundesweit zum Aufreger wurde.
Finanzamt forderte Geld von den Barmherzigen Schwestern
Das Finanzamt hatte nämlich 2018 von den Barmherzigen Schwestern in Berg am Laim, die in München und Umland zwei Krankenhäuser und einige Pflegeheime betreiben, nach einer Lohnsteuerprüfung Geld gefordert – weil das Ordenshaus seine rund 200 Mitarbeiterwohnungen günstiger an seine Pflegekräfte vermietet, als das im sonst sündteuren München üblich ist.
Die Differenz zwischen den Mietpreisen im Mietspiegel und dieser Günstig-Miete bewerteten die Münchner Finanzbeamten als "geldwerten Vorteil" (ähnlich wie wenn Mitarbeiter etwa einen Firmen-Dienstwagen fahren). Und besteuerten ihn kurzerhand für die Pflegekräfte.
Um das abzuwenden, hätte das Ordenshaus die Mieten für die Pfleger anheben müssen, um 150 bis 350 Euro pro Wohnung. "Das ist absurd in Zeiten, in denen München händeringend Pflegekräfte sucht – und die sich die teuren Mieten von ihrem Einkommen aber kaum leisten können", ärgerte sich Stefinger.

Er brachte seine Kollegen von der CSU-Landesgruppe in Stellung und überzeugte Bayerns Finanzminister Albert Füracker, im Bundesrat eine Initiative zu starten. Bei der SPD lief der CSUler offene Türen ein. Nun ist Stefingers Vorschlag in den Gesetzentwurf aufgenommen worden.
Entlastungen für Werkswohnungs-Mieter
Konkret bringt das neue Gesetz nun folgende Entlastungen für Werkswohnungs-Mieter: Von der ortsüblichen Vergleichsmiete wird ein Bewertungs-Abschlag von einem Drittel abgezogen. Wenn die ortsübliche Miete zum Beispiel zwölf Euro pro Quadratmeter beträgt, kann der Vermieter die Miete der Werkswohnung auf bis zu acht Euro absenken, ohne dass dabei ein geldwerter Vorteil geltend gemacht wird.
Zur Berechnung der ortsüblichen Miete werden jetzt auch nicht mehr die letzten vier, sondern sechs Jahre angeschaut. Damit sinkt die angenommene Miete und also die Steuerlast gleich nochmal. Die Barmherzigen Schwestern reagierten gestern überglücklich auf die Nachrichten aus Berlin. "Das ist fantastisch für alle, die es betrifft", sagt Finanzchef Claus Peter Scheucher zur AZ. "Damit können wir unsere Krankenschwestern und Altenpfleger halten, die wir sonst vielleicht verloren hätten, weil das Wohnen zu teuer geworden wäre."
Eine Pflegehelferin mit viel Berufserfahrung etwa verdient nach Tarif derzeit monatlich knapp 2.500 Euro. Netto bleiben davon gut 1.600 Euro übrig.
Auch die SPD im Münchner Rathaus begrüßt die Reform
Auch die SPD im Münchner Rathaus, die erst am Mittwoch mehr Werkswohnungsbau von Münchner Unternehmen und der Stadt gefordert hat, begrüßt die Reform.
"Die neue Regelung war überfällig", sagt die Münchner Parteichefin Claudia Tausend. "Unsere Stadtwerke, absoluter Vorreiter im Werkswohnungsbau, fordern seit Jahren, dass diese soziale Pflicht verantwortungsvoller Arbeitgeber nicht steuerlich bestraft wird." Jetzt hätten große Unternehmen keine Ausrede mehr, bezahlbare Dienstwohnungen zu bauen. Tausend: "Ich erwarte ein deutlich gesteigertes Engagement."
Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zeigte sich erleichtert: "Ich bin froh, dass dieser geradezu irrwitzige Zustand mit dem heutigen Beschluss beendet wurde."
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