München: 30.000 Menschen demonstrieren gegen Antisemitismus
München – Es ist ein erster von vielen berührenden Momenten an diesem Nachmittag vor der Feldherrnhalle. Die Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel hat gerade erst begonnen, da sagt eine bewegte Charlotte Knobloch mit Blick auf den vollen Platz zu ihren Münchnern: "Ich bin stolz auf Sie."

Die 18 steht im Hebräischen für "Chai", was "Leben" bedeutet. Genau 18 Minuten wollten deshalb die Teilnehmer der Demonstration gegen Antisemitismus nach der Kundgebung vom Odeonsplatz aus durch die Innenstadt laufen.
Rund 8000 Menschen wurden anlässlich des Jahrestags des Überfalls der Hamas auf Israel zur Gedenkveranstaltung "365 Tage – München gegen Antisemitismus" erwartet. Nach einer Polizeischätzung vom Abend wurden es einige mehr als die angepeilten 8000: Etwa 30.000 Menschen sollen zusammen gekommen sein.
"Eine der größten Münchnerinnen aller Zeiten"
Unter ihnen war auch sehr viel Prominenz. Zu den Rednern gehörte Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der Knobloch als "eine der größten Münchnerinnen aller Zeiten" würdigte und erneut sein persönliches Schutzversprechen für die Juden in Bayern unterstrich.
Auch in anderen Städten Deutschland fanden unmittelbar vor dem Jahrestag Kundgebungen statt.
Das Ziel der Organisatoren: Größte Demonstration gegen Antisemitismus in Deutschland
Die Münchner Organisatoren hatten ein durchaus ambitioniertes Ziel: "Wir wollen die größte Demonstration gegen Antisemitismus in Deutschland auf die Beine stellen und ein starkes Zeichen für Menschlichkeit, Solidarität und eine friedliche Zukunft setzen", hatte es in der Ankündigung geheißen.
Dabei waren in den Wochen nach dem 7. Oktober 2023 in München teils deutlich mehr Menschen gegen als für Israel auf die Straße gegangen, die größten Demos zum Thema hatte die Gruppe "Palästina spricht" organisiert, die schon unmittelbar nach dem 7. Oktober die israelischen Opfer verhöhnt hatte.

Auch für diesen Sonntag hatte diese Gruppe wieder zu einer Demo aufgerufen. Angemeldet hatte sie lediglich 100 Teilnehmer, die über die Kardinal-Döpfner-Straße zum Wittelsbacherplatz ziehen sollten – also in die Nähe der Großkundgebung auf dem Odeonsplatz. Nach Angaben von Beobachtern der Demo kam aber ein Vielfaches an Teilnehmern auf die Straße.
Die Polizei sprach von bis zu 1200 Demonstranten. Deren Rufe waren teils auch auf der Gedenkveranstaltung mit Charlotte Knobloch und dem Zentralratspräsidenten Josef Schuster zu hören. Als die Israel-Demonstranten dann am Wittelsbacher Platz vorbeizogen wurden sie von den Palästina-Demonstranten beschimpft.
Zuvor hatte Zentralratspräsident Schuster noch betont: "Es gibt zum Zusammenleben keine Alternative." Die Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) richtete sich in ihrer Rede an alle Münchner jüdischen Glaubens: "Sie sind nicht allein! Das rufe ich heute den Münchnerinnen und Münchnern jüdischen Glaubens zu. Sie sind nicht allein!"
Die Veranstaltung sei wichtig, um zu zeigen: "Hier sind Münchnerinnen und Münchner mit jüdischem Glauben sicher. München ist ihre Heimat. Wir stehen zusammen."

Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, sagte: "Der 7. Oktober hat unser aller Leben verändert." Doch am Sonntag zeigten auch viele tausend Münchner, die selbst nicht zur jüdischen Gemeinde gehören, dass sie in dieser Situation an der Seite ihrer Nachbarn stehen.
Zum Beispiel Barbara Ruf. Die 70-Jährige hielt ein Plakat mit den Fotos zweier kleiner Kinder hoch, nach ihren Angaben die jüngsten Geiseln. "Ich bin für Israel, weil das Land unsere Werte vertritt", sagt sie zur AZ.

Die drei, die sich "Jesus Freaks" nennen und eine Israel-Deutschland-Fahne hochhalten, sagen: "Deutschland muss ein Ort der Sicherheit sein." Auch und gerade für Juden und auch und gerade in München - und so sehen es an diesem Sonntag viele.