Mitgliederschwund auch in München: Vereinssport kommt aus der Mode

Münchens Sportler haben unter der Krise sehr gelitten: Mitgliederzahlen und Einnahmen brechen ein, der Nachwuchs hat andere Sorgen, Ehrenamtliche werden dringend gesucht.
Conie Morarescu |
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"200.000 Euro Verlust" hat Kurt Damaschke bei seinem Sportverein in Neuperlach zu verkraften.
"200.000 Euro Verlust" hat Kurt Damaschke bei seinem Sportverein in Neuperlach zu verkraften. © Sigi Müller

München - Den Münchner Sportvereinen geht es nicht gut. 10.000 Mitglieder haben sie alleine zwischen 2020 und 2021 verloren, erklärt Beppo Brem, der Münchner Kreisvorsitzende des Landessportverbands auf AZ-Anfrage. "In Vor-Pandemiezeiten hatten wir immer ein Wachstum zwischen fünf und zehn Prozent", sagt Brem. Nun ein Minus von zwei Prozent.

Große Vereine in München sind auch betroffen

Auch große Vereine blieben nicht verschont. Oft habe es die sogar besonders schwer getroffen, so hat es Brem beobachtet. Ein Beispiel dafür ist der Eisenbahnersportverein ESV München. Im November 2019 hatte der Verein über 8.000 Mitglieder, im Februar 2022 lag die Zahl bei etwa 6.000, wie Geschäftsführerin Pia Kraske berichtet.

"Viele machen jetzt Outdoor", sagt Pia Kraske vom ESV München.
"Viele machen jetzt Outdoor", sagt Pia Kraske vom ESV München. © Sigi Müller

Engagement im Jugendbereich zahlt sich aus

Das Besondere: Während viele andere Vereine einen geringen Zuwachs bei Kindern und Jugendlichen beklagen, hat der ESV dort höhere Mitgliederzahlen als vor der Pandemie. "Wir sind im Kinder- und Jugendbereich sehr engagiert. Mit der Kindersportschule zum Beispiel," so Kraske. Ein Kooperationsprogramm zwischen Sportvereinen und Ganztagsschulen.

Den größten Verlust habe der Verein bei den Individualsportlern im Fitnessbereich erlitten. "Viele sind auf Outdoor-Sportarten umgesattelt", vermutet Pia Kraske. "Die Bindung zum Verein ist hier auch nicht so stark." In den Sportabteilungen sehe es deutlich besser aus. Dort würden sich die Mitglieder mehr mit dem Verein identifizieren.

Ausbleibende Neuzugänge waren das Problem

Auch der TSV München Ost hat als großer Verein mit dem Verlust vieler Mitglieder zu kämpfen. Ulli Hesse ist dort Vorstand seit 1986. Insgesamt hat der Verein etwa 24 Prozent der Mitglieder verloren. Etwas mehr als die Hälfte sei aber auf die Großbaumaßnahme, die Aufstockung der eigenen Halle, zurückzuführen.

Einschränkungen im Schulsport

"Während der Baumaßnahmen hatten wir große Einschränkungen im Betrieb", so Hesse. Weniger die Abgänge, mehr die ausbleibenden Neuzugänge hätten zu der gesunkenen Mitgliederzahl geführt.

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Gerade bei den Kindern und Jugendlichen sei der Zugang gering gewesen. Hesse erklärt sich die wegbleibenden Kinder mit den Einschränkungen im Schulsport während der Pandemie: "Der Schulsport ist ein ganz wichtiger erster Berührungspunkt für die Kinder, er ist unersetzbar."

Für den Verein seien die finanziellen Verluste nicht übermächtig groß, doch für die Gesellschaft sei das ein Problem: "Wir haben hier mehrere Jahrgänge an Kindern und Jugendlichen verloren, die in einer wichtigen Phase keinen Bezug zum Sport aufbauen konnten."

"Bei Null zu landen, ist momentan schwierig für uns"

Finanziell hart getroffen hat es den SVN München in Neuperlach. "Bei Null zu landen, ist momentan schwierig für uns", sagt der erste Vorsitzende Kurt Damaschke. Notgedrungen habe der Verein im Herbst die Mitgliedsbeiträge erhöhen müssen: "Wir haben etwa 200.000 Euro Einnahmenverluste gemacht."

Zwischenzeitlich habe der Verein etwa 1.500 Mitglieder verloren, nur langsam erhole er sich wieder. Vor allem der Fitness- und Wellnessbereich werde weniger genutzt. Mit einem eigenen Sportpark, der hohe Betriebskosten verursacht, ist der Verein viel stärker unter Druck als Vereine, die keine eigenen Anlagen haben. "Wir spüren auch die steigenden Energiepreise enorm", klagt Damaschke.

Mangel an Ehrenamtlichen

Ein Problem, das es bereits vor der Pandemie gab, welches aber noch zugenommen habe, sei der Rückgang bei den Ehrenamtlichen: "Es bröckelt. Ich merke eine Entfremdung vom Mitmachen und eine zunehmende Servicehaltung." Der SVN suche in fast allen Bereichen nach Trainerinnen und Trainern.

Der FC Wacker litt unter den Corona-Maßnahmen

Deutlich besser läuft es beim FC Wacker, wie Vorstand Florian Bamminger berichtet: "Die Kinder wollen Fußball spielen. Die Nachfrage ist weiterhin groß." Gelitten habe der Betrieb eher unter den Corona-Maßnahmen. "Die Eltern konnten beim Training und bei den Spielen nicht dabei sein, das war schon schmerzlich", so Bamminger.

Wenig Verständnis für die Politik

Von der Politik hätte er sich mehr nachvollziehbare Entscheidungen erhofft: "Viele Maßnahmen haben wir nicht verstanden, schließlich findet unser Sport nur im Freien statt. Vieles ist auch schwer umzusetzen, zum Beispiel die Kontrollen beim Spiel, da brauchen wir immer zusätzlich Freiwillige."

Jugendturniere im Sommer seien ausgefallen, Sponsoren weggefallen. Durch die Vereinspauschale, die der Freistaat verdoppelt hat, habe der Verein jedoch keine zu großen Verluste erlitten.

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Die Sportfreunde Harteck haben den Beitrag reduziert

Die Sportfreunde Harteck, ein Breitensportverein im Münchner Norden, haben dem Mitgliederverlust entgegengewirkt, indem sie den Beitrag auf ein Mindestmaß reduziert haben. "Ganz konnten wir ihn aus steuerlichen Gründen nicht aussetzen", erklärt Michael Hesse, der Vorsitzende.

Nicht alle Eltern hätten Verständnis gezeigt, dass sie weiterhin Beiträge zahlen sollen. "Leider ist vielen nicht bewusst, dass wir ein gemeinnütziger Verein sind und kein Privatunternehmen", bedauert Hesse. Ein Glück sei jedoch, dass der Verein auf einer Bezirkssportanlage trainiert. Die Stadt trägt die Kosten.

"Dafür sind wir sehr dankbar, sonst wäre es wirklich schwierig geworden." Mehr als 50 Prozent der Mitglieder seien unter 18, dort seien die Zugänge besonders zurückgegangen.

Kinder zum Sport motivieren

Michael Hesse erklärt sich das auch mit den Folgen des Homeschoolings: "Während der Pandemie haben sich viele Kinder daran gewöhnt, zu Hause zu bleiben und am Computer zu sitzen, ich kann mir vorstellen, dass es sehr viel schwieriger ist, sie zum Sport zu motivieren."

Insgesamt sei der Verein "mit einem blauen Auge" davongekommen und wieder auf einem guten Weg. Darauf hoffen viele, in den gebeutelten Münchner Sportvereinen.

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