München streicht Platzwartstellen: "Es vergeht einem die Lust"
München - Die Stadt steht unter Spardruck. In vielen Bereichen wird Personal abgebaut. Eine dieser Kürzungen, die im Oktober vom Stadtrat beschlossen wurde und rund 466.000 Euro Ersparnis einbringen soll, sorgt nun für großen Unmut auf Münchens Sportplätzen.
Sie betrifft vier Sportvereine, die größtenteils ehrenamtlich agieren. Durch den Einsatz ihrer Mitglieder ermöglichen sie jedem einen Zugang zum Sport, auch einkommensschwachen Familien oder Senioren. Nun sollen die Ehrenamtlichen noch zusätzliche Aufgaben übernehmen.
Die Stadt will die Vereine entschädigen, aber nicht genug
Die vier Anlagen, auf denen die betroffenen Vereine trainieren, werden von Bezirkssportanlagen in Freisportanlagen umgewandelt. Mit der Folge, dass die Platzwartstellen gestrichen werden.
Bisher, so zumindest in der Theorie, werden zwei Platzwartstellen je Anlage von der Stadt getragen. Das Hausrecht soll nun auf die mitgliederstärksten Vereine übergehen, die die Anlagen nutzen. Und damit auch die Aufgaben der Platzwarte.
Laut Beschluss sollen die Stellen sukzessive abgebaut werden. In der Praxis geschieht das bereits seit zwei Jahren, indem Stellen nicht mehr nachbesetzt werden. Drei der vier Sportanlagen haben nur einen Platzwart.
Für den Wegfall der Platzwartstellen sollen die Vereine mit einer maximalen Platzwartpauschale von bis zu 18.000 Euro entschädigt werden. Ein Betrag, der den Personalaufwand nicht annähernd deckt. Das Ehrenamt muss also einspringen. Doch langsam vergeht selbst den engagierten Vorständen die Lust.
Während der Stadtrat und das Referat für Bildung und Sport (RBS) den Mehraufwand für die Vereine als positiv darstellen, da so eine "höhere Identifikation" mit den Anlagen ermöglicht werde, sind sich alle vier Vereine einig: Sie können den Aufwand nicht stemmen.
Bernd Roth, erster Vorstand vom SV Aubing ist enttäuscht: "Ich weiß nicht, wie ich jemanden finden soll, der sich um die Anlage kümmert. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir sind ein Fußballverein und kein Dienstleistungsbetrieb." Seinen Rechnungen zufolge bräuchte es mindestens vier Minijobber, um den Aufwand zu decken, die Kosten lägen bei etwa 30.000 Euro im Jahr. Die Stadt habe dem Verein 12.500 Euro Pauschale angeboten. "Wie soll das funktionieren?", fragt sich Roth, der nicht kategorisch gegen die Übernahme des Hausrechts ist. "Die Unkosten müssen wenigstens gedeckt sein."
Hausrecht: Mehr Pflichten als Rechte
28 Jugendmannschaften hat der SV Aubing, fast 50 ehrenamtliche Trainer kümmern sich um die Kinder und Jugendlichen. Neben dem Training fallen viele administrative Aufgaben an. Auf der Bezirkssportanlage in Aubing ist aktuell nur ein Platzwart tätig, alle zwei Wochen übernimmt der Verein nachmittags das Hausrecht und kümmert sich um die Anlage: Sauberhalten, den Kunstrasen pflegen, die Plätze markieren, Reparaturarbeiten, Laub rechen, Schnee räumen. Die Anlage, die öffentlich zugänglich ist, beaufsichtigen. Pflichten, denen der Begriff "Hausrecht" nicht wirklich Rechnung trägt. Es sind mehr Pflichten als Rechte.
So beschreibt auch der erste Vorstand vom SpVgg Thalkirchen, Thomas Huber, den Vertrag, der ihm einen Monat nach dem Beschluss von der Stadt vorgelegt wurde: "Sehr viele Pflichten und sehr wenige Rechte."
Der SpVgg Thalkirchen ist, wie bei den anderen drei Bezirkssportanlagen auch, nicht der einzige Nutzer der Sportanlage. Zwei weitere Vereine trainieren dort. "Wenn wir das Hausrecht übernehmen, haften wir dann für die anderen Nutzer? Da sind viele rechtliche Fragen nicht geklärt." Letztendlich fühlt sich Huber vor die Wahl "zwischen zwei Kröten" gestellt, wie er sagt.
Laut Sportreferat handelt es sich bei der Übernahme des Hausrechts um eine freiwillige Möglichkeit für die Vereine.

Kurt Damaschke, Vorsitzender des SVN München in Neuperlach, empfindet das anders: "Stellen werden abgebaut. Entweder wir nehmen die Pauschale, oder wir kümmern uns eben ohne Ausgleich um die Anlage. Klingt das nach Freiwilligkeit?"
"Wir haben keine Festangestellten"
Mit einem vereinseigenen Sportpark sind die monatlichen Kosten hoch, die Mitgliederzahl ist pandemiebedingt zurückgegangen. "Keine Ahnung, wie wir uns auch noch um die Fußballplätze kümmern sollen", zeigt sich Damaschke ratlos. Ehrenamtliche zu finden, sei heute ein großes Problem.
Ähnlich geht es Christine Gladus vom SV Helios Daglfing. "Ich bin seit zehn Jahren Geschäftsführerin des Vereins, ehrenamtlich. Wir haben keine Festangestellten." Neben ihrer Arbeit kümmert auch sie sich täglich um den Verein. Dazu gehört, Fehlzeiten der Platzwarte zu besetzen. "Ich kriege Montag früh Bescheid, dass heute niemand auf dem Platz ist und muss schauen, wie ich das auf die Schnelle organisiere."
2016 wurden die Öffnungszeiten der Münchner Bezirkssportanlagen erweitert. Es wurden 16 Platzwartstellen geschaffen. Für eine Anlage wurden 80 Arbeitswochenstunden veranschlagt, um sie "in einem einwandfreien Zustand" zu halten und "die Sicherheit zu gewährleisten", wie es aus dem Beschluss heißt. Was vor wenigen Jahren als notwendig erachtet wurde, wird heute wieder zurückgefahren mit der Rechtfertigung, man habe gute Erfahrungen mit dem Modell der Freisportanlage gemacht.
Als positives Beispiel wird gerne der TSG Pasing v. 1880 genannt. Schriftführerin Sonja Listl erklärt, warum es funktioniert: "Wir sind etwa drei bis fünf Mitglieder, die ehrenamtlich viele Stunden die Woche auf dem Platz arbeiten und versuchen, den Betrieb irgendwie aufrecht zu erhalten." Die meisten seien im Ruhestand. "Wenn wir das nicht mehr machen, keine Ahnung, wer das übernimmt", so Listl. Sie selbst wisse nicht, wie lange sie noch wolle: "Es kommen immer mehr Aufgaben dazu. Langsam vergeht einem wirklich die Lust am Ehrenamt."