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Missbrauchsgutachten: Starkes Interesse an Kirchenaustritten in München

Nach dem veröffentlichten Missbrauchsgutachten steigt das Interesse an Kirchenaustritten in München.
AZ/dpa |
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Marion Westpfahl von der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl spricht bei der Vorstellung des Gutachtens zu Fällen von sexuellem Missbrauch im katholischen Erzbistum München und Freising.
Marion Westpfahl von der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl spricht bei der Vorstellung des Gutachtens zu Fällen von sexuellem Missbrauch im katholischen Erzbistum München und Freising. © Sven Hoppe/dpa

München - Nach der Vorstellung des Gutachtens zu sexueller Gewalt im katholischen Erzbistum München und Freising registriert die Stadt München ein ungewöhnlich großes Interesse an Kirchenaustritten.

Verdopplung der Kirchenaustritte

"Heute verzeichnen wir am Servicetelefon und per Mail einen deutlichen Anstieg an Fragen rund ums Thema Kirchenaustritt", sagte der Sprecher des Kreisverwaltungsreferates (KVR), Johannes Mayer, am vergangenen Freitag.

Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, haben 450 Münchner seit der Veröffentlichung des Gutachtens einen Termin beim Kreisverwaltungsreferat für ihren Austritt aus der Kirche gebucht. Das sei die doppelte Zahl, wie es sonst für diesen Zeitraum üblich sei.

Missbrauchsgutachten: Mindestens 497 Opfer

Am vergangenen Donnerstag hatte die Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) ein von der Erzdiözese in Auftrag gegebenes Gutachten vorgestellt. Das kommt zu dem Ergebnis, dass Fälle von sexuellem Missbrauch im Bistum über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt wurden. Von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern sprechen die Gutachter, gehen aber von einem deutlich größeren Dunkelfeld aus.

Das Gutachten wirft den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger, dem heute emeritierten Papst Benedikt XVI., konkret und persönlich Fehlverhalten in mehreren Fällen vor. Auch dem aktuellen Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, wird formales Fehlverhalten in zwei Fällen vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob und welche Ergebnisse auch strafrechtlich relevant sind.

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So viele München traten 2021 aus der Kirche aus

Mehrere Tausend Münchner treten nach KVR-Angaben pro Jahr aus der Kirche aus. Im Jahr 2020 sanken die Zahlen Corona-bedingt zwar im ersten Lockdown, dafür war die Zahl 2021 so hoch wie noch nie: 22.323 Münchner kehrten ihrer Kirche den Rücken. Wie viele davon Katholiken und wie viele Protestanten waren, schlüsselt die KVR-Statistik nicht auf.

Nach der Veröffentlichung des Gutachtens forderte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine konsequente Aufarbeitung und "null Toleranz" gegenüber Tätern. "Das ist natürlich ein langer und schwieriger Blick in den Abgrund, insbesondere, weil es um viele menschliche Schicksale geht", sagte Söder am Freitag in München über das Gutachten.

"Ein schwerer Moment für alle engagierten Christen"

Die Kirche müsse nun für eine schnelle und klare Aufarbeitung sorgen. Strukturen müssten so geändert werden, dass Derartiges in Zukunft verhindert werde. Und beim Umgang mit den Tätern müsse "null Toleranz" der Maßstab sein.

Söder betonte, er sei fest überzeugt, dass die Kirche in vielerlei Hinsicht einen ganz wichtigen Beitrag fürs Land leiste, dass von den Menschen dort unendlich viel Gutes geleistet werde. Dies sei aber nun "ein schwerer Moment für alle engagierten Christen und vor allem auch alle Anhänger der Institution Kirche".

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Die "besondere moralische Garantenstellung" der Kirche

Söder: "Die Kirche steht in einer ganz besonderen moralischen Garantenstellung." Angesichts des entstandenen Vertrauensverlusts sein nun eine konsequente Aufarbeitung nötig, sagte Söder, der selbst evangelisch ist. Er fügte hinzu: "Das hat vielleicht alles schon viel zu lange gedauert."

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3 Kommentare
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  • Fußball-Fan am 25.01.2022 16:20 Uhr / Bewertung:

    Es wird gelogen, das sich die Balken biegen. Jetzt heisst es auf einmal, auch Bischöfe und Päpste lügen, denn sie sind auch nur Menschen. Lügen ist eine Sache, aber Kindesmisshandlung zu decken ist verwerflich...nein, es ist strafbar. Kardinal Wetter hat sich nun in einem Fall "entschuldigt". Da gibt es nichts mehr zu entschuldigen. Was geschehen ist, ist geschehen und es gibt keine Bewährung. Alle Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden - auch ehemalige Bischöfe, Kardinäle und der frühere Papst. Sie gehören vor ein ordentliches Gericht, das feststellt, ob ihre Taten oder Unterlassenschaften strafbar sind. Am 20.4.2005 titelte die Bild-Zeitung "Wir sind Papst". Nein, ich habe nie Kindesmissbrauch unter den Teppich gekehrt, ich habe nie in so einem schlimmen Zusammenhang Falschaussagen gemacht, ich habe nie Kindesschänder gedeckt. Wir waren NIE Papst...auf jeden Fall nicht dieser Papst. Wieso alimentieren noch so viele Menschen in Deutschland die katholische Kirche?

  • Plato's Retreat am 24.01.2022 02:20 Uhr / Bewertung:

    Wie lange noch soll sich diese Institution an staatlichen Steuermitteln bedienen dürfen? Es ist ja nicht nur die absurd hohe Kirchensteuer, sondern es gibt noch Vieles mehr.

    Schluss mit der Fettlebe!

  • Der wahre tscharlie am 21.01.2022 17:31 Uhr / Bewertung:

    "Söder: "Ein schwerer Moment für alle engagierten Christen"

    Biiitte.....meine Eltern gehören heute noch der Kirche an, aber für sie ist kein schwerer Moment, sondern sie haben nichts mehr mit denen am Hut, besonders weil die Missbrauchsfälle nicht enden.
    Sie hatten sich auch engagiert in der Kirche. Ehrenamtlich. Nie wieder sagen sie. Kein Danke schön. Derweil wird die Kirche immer reichen.

    "Angesichts des entstandenen Vertrauensverlusts sein nun eine konsequente Aufarbeitung nötig, sagte Söder"
    Nette Aussage....es gibt ein weltliches Recht und ein kirchliches Recht. Und man muß sich immer vor Augen halten, ohne Rom geht garnichts. Also wird es, das ist meine Einschätzung, eine konsequente Aufarbeitung nicht geben. Das wird der Flügel um die erzkonservativen Kardinäle schon versuchen zu verhindern. Sonst wäre ja schon lange etwas passiert.

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