Millionen Miese: Städtische Kliniken in zwei Jahren pleite!

Die Sanierung läuft erheblich schlechter als erwartet. Die Geschäftsführung will neues Geld von der Stadt. Allein das Schwabinger Krankenhaus fährt jedes Jahr 20 Millionen Euro Verlust ein
Die Sanierung des finanziell maroden Stadtklinikums läuft schlechter als geplant. Wenn das so bleibt, droht die Pleite. Gibt es bei den Betriebsergebnissen keine Verbesserung, ist das Klinikum bereits in zwei Jahren nicht mehr zahlungsfähig, obwohl der Stadtrat erst im vorigen Jahr einen Zuschuss von 200 Millionen Euro beschlossen hatte – in Form einer Eigenkapitalerhöhung.
Das alles geht aus einem nicht öffentlichen Bericht der Stadtkämmerei und des Gesundheitsreferats hervor, der der AZ vorliegt. Jeden Monat, so ist darin zu lesen, lägen die Einnahmen im Schnitt sechs Millionen Euro unter den Kosten. Es zeichne sich ab, „dass die Liquididät bei der derzeitigen Entwicklung nur noch zwei Jahre reicht“.
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Der kaufmännische Klinik-Geschäftsführer Freddy Bergmann forderte gestern weiteres Geld von der Stadt. Die Krankenhäuser bräuchten die neue Finanzspritze „so schnell wie möglich“. Auch ein neues Sanierungskonzept müsse her. Bei dem bisherigen vom Januar 2012 war man noch davon ausgegangen, dass das Klinikum mit dem Markt in München wachsen würde. Tut es aber nicht.
Warum? Bergmann nennt die „mangelnde Investitionsfähigkeit“ der Klinik-GmbH. Während Wettbewerber aufrüsten, müssen sich die Patienten in Schwabing immer noch Vier- oder Sechs-Bett-Zimmer teilen.
Speziell dieses Krankenhaus ist ein großer Teil des Problems: „Schwabing wird niemals die Chance haben, weniger als 20 Millionen Euro Verlust pro Jahr zu machen“, sagt Bergmann. Das könnten die anderen Standorte – Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach und Thalkirchner Straße – nicht kompensieren.
Die zentralen Probleme:
BETTEN-AUSLASTUNG
Sie liegt lediglich bei 75 Prozent. Üblich ist in anderen Häusern ein Wert von 85 Prozent. Deshalb sagt der Klinikgeschäftsführer: „Wir haben zehn Prozent zu viel Betten.“ Im gestrigen Pressegespräch benutzte er mehrmals den Begriff „Gesundschrumpfen“. Das städtische Klinikum hat 3300 Betten, zehn Prozent wären also 330 davon.
PERSONALKOSTEN
Sie machen 70 Prozent der Gesamtausgaben aus. Und: Der Personalaufwand ist um 15 Prozent höher als in anderen öffentlichen Kliniken. Die vorgesehenen Einsparungen sind nicht erreicht worden: Aktuell liegen die Kosten drei Millionen Euro überm Plan.
DENKMALSCHUTZ
Bergmann führt aus: Würden alle Auflagen beachtet, schlage allein ein neues Fenster mit 4700 Euro zu Buche – das sei doppelt so teuer wie ein normales Fenster.
INVESTITIONSSTAU
Rund 1,5 Milliarden Euro sollen Instandhaltungen und Sanierungen kosten. Woher nehmen? Der Klinik-Konzern selbst hat kaum etwas, das er als Sicherheit für einen Bankenkredit hinterlegen könnte. Gebäude und Grundstücke gehören nämlich der Stadt.
FINANZAUSSTATTUNG
Die war laut Geschäftsführer Bergmann vom ersten Tag der GmbH-Gründung im Jahr 2005 an unzureichend. Schon damals hätten 328000 Euro in der Kasse enormen Instandhaltungsverpflichtungen von 60 Millionen Euro gegenübergestanden.
Wie geht’s jetzt weiter?
Mitte November will Bergmann einen Unternehmensplan vorlegen, in dem er klare Alternativen benennt. Nach dem Motto: Wie viel Geld bräuchten die Krankenhäuser noch, wenn Betten abgebaut werden? Und wie viel, wenn alles beim Alten bleiben soll? Dann muss der Stadtrat entscheiden, was passiert.
Ein Problem könnte allerdings auch noch in EU-Gesetzen lauern. Denn laut dem Beihilferecht darf die Stadt nur finanziell helfen, wenn theoretisch auch ein privater Investor Geld anlegen würde.
CSU-OB-Kandidat Josef Schmid nennt das Ganze „einen rot-grünen Offenbarungseid“. Der Aufsichtsrat sei seiner politischen Verantwortung nicht nachgekommen. Es zeige sich erneut, dass Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne) mit der Kliniksanierung „völlig überfordert“ sei. OB Christian Ude hatte erst in dieser Woche in seiner Haushaltsrede erklärt, dass beim Klinikum „schmerzhafte Eingriffe nötig sind, um wieder wirtschaftlich zu werden“. Nun muss sich zeigen, wie diese aussehen sollen. Und ob die rot-grüne Stadtregierung vor der Kommunalwahl überhaupt bereit ist, dieses heiße Eisen anzugehen.