So krank sind Münchens Krankenhäuser
Uni- und Stadt-Kliniken schreiben rote Zahlen. Jetzt wird saniert, gespart, umstrukturiert. Was das für die Patienten bedeutet: Die AZ erklärt die Folgen der Klinik-Krise.
MÜNCHEN - Die Nachricht ist erschütternd – und trifft München mit doppelter Wucht. Die beiden großen öffentlichen Klinikverbünde haben nahezu zeitgleich erklärt, dass sie tief in den roten Zahlen stecken. Das Defizit der fünf städtischen Kliniken beträgt aktuell 44 Millionen Euro. Das der Uni-Kliniken 6,5 Millionen.
„Die Lage ist dramatisch“ sagte die neue städtische Klinikchefin Elizabeth Harrison dem Aufsichtsrat. Der tagte bis tief in die Nacht auf Samstag und beschloss ein Zehn-Punkte-Sanierungsprogramm (AZ berichtete). Damit will Harrison bis 2015 eine „schwarze Null“ schreiben. Der Hygiene-Skandal war nur die Spitze: Nachdem drei der vier Geschäftsführer deswegen gefeuert worden waren, kam heraus, wie durch Misswirtschaft und Inkompetenz Gelder verschwendet und Zahlen geschönt wurden. Wenn die Stadt nicht im Januar 100 Millionen Euro zuschießt, sind die Kliniken spätestens im Sommer pleite. Ob die Stadt das darf, wird erst ein „Investoren-Test“ ergeben, den die EU verlangt.
Heute wird Harrison das Konzept dem Betriebsrat erläutern: „Meine Messlatte ist: Was ist das medizinische Ergebnis für den Patienten?“ Von ihren Vorgängern habe sie „keine belastbaren Zahlen“ bekommen, nur einen „nebulösen“ Plan „mit Sprechblasen und Visionen“.
Zur Diagnose gehören: Die Personalkosten in der Verwaltung sind 35 Prozent höher als in vergleichbaren Häusern, der medizinische Bedarf, Wäscherei und Reinigung sind 30 Prozent teurer. Die AZ erklärt Harrisons Heilungsplan – und was die Patienten davon zu spüren bekommen:
„Die Basisversorgung an allen Häusern wird behalten.“ Dazu gehören Notaufnahme, Kardiologie und Geriatrie.
Harrison will die „medizinische Architektur“ ändern: Statt alles überall – womit die städtischen Häuser einander Konkurrenz machen – wird es Kompetenz-Zentren mit Schwerpunkten geben. Für: Krebs (der Brustkrebs-Bereich wird ausgeweitet), Stoffwechselstörungen, Herz, Lunge oder Kindermedizin. Harrison: „Wir haben viele Schlaganfallpatienten, da müssen wir den neurologischen Bereich ausweiten.“ Dafür werden nach einem Verbundkonzept Bereiche zusammengelegt. Etwa die vier Pathologien. Hep Monatzeder, Aufsichtsratschef der Klinikum GmbH, sagt: „Das vereinfacht dem Patienten die Entscheidung, in welche Klinik er geht.“
Aufbau eines IT-Systems, mit dem niedergelassene Ärzte besser und gezielter Patienten zuweisen können. Aufbau eines IT-Patientensystems, das unnötige und ärgerliche Wartezeiten verkürzt.
Personalabbau: Es geht um 340 Stellen, davon 225 bei Ärzten und im Labor, 115 in der Verwaltung. Erreicht werden soll dies im Rahmen der Fluktuation – dadurch, dass frei werdende Stellen nicht neu besetzt werden. Seit Oktober gibt es einen Überstunden- und Einstellungsstopp. Chefin Harrison sagt: „Wir haben mehr Personal als andere Kliniken und mehr Überstunden.“ Viele durch mangelhaftes Zeitmanagement. Da gab es sogar 320 Neueinstellungen seit 2008.
Zentraler Einkauf für alle: Der soll noch härter verhandeln. Harrison: „Da lernen wir von den privaten Kliniken.“
Bessere Abrechnung mit den Kassen: Heute würden viele Leistungen unter Wert abgerechnet („Codierung“), so die Klinikchefin. Nur bei Privatpatienten gebe es die wenigsten Abrechnungsfehler.
Alle Baupläne sind gestoppt und werden überprüft, ob sie effizienter und billiger gemacht werden können – zum Beispiel durch gemeinsame Wartebereiche. Dazu gehört auch der Neubau Harlaching.
Mehr Freundlichkeit: Harrisson ging mal inkognito durch einige Häuser: „Der Wohlfühlgedanke ist bei anderen Häusern wohl besser, Freundlichkeit und Zugewandtheit größer. Das ist ein wichtiger Faktor für Patienten.“
Fürs erste muss sie den Plan allein umsetzen: Der neue medizinische Geschäftsführer hat abgesagt, weil er in seiner Klinik unabkömmlich sei. Und der Finanz-Chef ist krank geschrieben.
Weniger ambulant, mehr zentral
Die LMU-Häuser kürzen Personal und wollen Kleinkram den städtischen überlassen
MÜNCHEN - Zum ersten Mal seit zehn Jahren meldet das Klinikum der LMU ein Defizit, es fehlen 6,5 Millionen Euro. Als Grund nennen die Chefs höhere Ausgaben für Personal und Energie und zu wenig ansteigende Einnahmen aus Kassen und Staatsmitteln. Jetzt wird gespart:
Personal: Rund 10000 Menschen arbeiten im Klinikum. Die Mitarbeiter wurden schon über Einsparungen informiert. Es soll aber, so sagt der ärztliche Direktor Burkhard Göke, keine Kündigungen geben. 1000 Menschen verlassen pro Jahr die Klinik, von diesen Stellen sollen 10 bis 15 Prozent nicht wieder besetzt werden. Kürzungen beim Pflegepersonal schließt Göke aber aus – im Gegenteil: Da wird gesucht. Weil zu wenige Schwestern da sind, mussten schon Betten gestrichen werden. Ambulanzen: Man will sich auf die Kernaufgaben konzentrieren: lieber Hochleistungsmedizin und Forschung als wenig rentabler Kleinkram. Göke: „Zu uns gehören die komplizierten Fälle.“
Ambulanzen für Laufkundschaft und nächtliche Notdienste bringen wenig ein. In der Mund-, Kiefer- und Gesichts-Chirurgie wurde die Ambulanz schon gestrichen, weitere Abteilungen werden folgen. Auf der Kippe steht zum Beispiel die ambulante Radiologie.DerPatient müsste dann entweder zu einem niedergelassenen Radiologen gehen – oder in eine städtische Klinik.
Doppeltes Angebot: Im Fachjargon heißt es „Doppelvorhaltungen“, wenn an zwei Standorten, in dem Fall Großhadern und Innenstadt, das Gleiche angeboten wird. Das gibt es in dem großen Klinikum nicht selten – jetzt soll geprüft werden, was davon verzichtbar ist.
Generell ist das Klinikum dabei, sich mehr und mehr in Großhadern zu konzentrieren – weil viele Bauten in den Innenstadt veraltet sind, und um genau solche Doppelvorhaltungen zu minimieren. In Großhadern wird deswegen viel gebaut. Es entsteht ein neues OP-Zentrum, das 2013 fertig sein soll, und ein Mutter-Kind-Zentrum. Die Haunersche Kinderklinik wird ebenso umziehen wie die Frauenklinik in der Maistraße.
Mittelfristig sollen nur wenige Kliniken – wie zum Beispiel Augenklinik, Dermatologie und Psychiatrie, im Zentrum bleiben. Man will jetzt auch prüfen, ob manche Umzüge nach Großhadern vorgezogen werden können.
Uni-Klinikum: Fast eine halbe Millione Patienten pro Jahr
Das Klinikum der Universität München besteht aus 28 Kliniken und weiteren 17 Abteilungen und Instituten, die nicht als eigene Klinik gelten, wie zum Beispiel das Friedrich-Baur-Institut. Dazu kommen noch interdisziplinäre Zentren, an denen mehrere Kliniken beteiligt sind, zum Beispiel Rheumazentrum, Brustzentrum und Schlaganfallzentrum.
Das Klinikum hat zwei Standorte: Großhadern und Innenstadt. Der Standort Innenstadt konzentriert sich im Wesentlichen um das Viertel zwischen Sendlinger Tor, Lindwurmstraße, Goethestraße und Pettenkoferstraße. Dort sind zum Beispiel eine Chirurgische Klinik, (Nußbaumstraße) das Haunersches Kinderspital (Lindwurmstraße) eine Medizinische Poliklinik (Ziemssenstraße), zahnmedizinische Kliniken (Goethestraße), die modernisierte Augenklinik (Mathildenstraße) und die neu gebaute Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (Nußbaumstraße). Dazu gehören aber auch die Frauenklinik in der Maistraße und die Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin in der Leopoldstraße. Insgesamt gibt es 2200 Betten, im Jahr 2010 wurden 465.000 Patienten behandelt.