Skandal auf der Frühchen-Station

Mitarbeiter der Kinderklinik Harlaching erheben in einem offenen Brief schwere Vorwürfe gegen den Chefarzt. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet – und auch ein externer Gutachter.    
Julia Lenders |
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Mitarbeiter der Kinderklinik Harlaching erheben in einem offenen Brief schwere Vorwürfe gegen den Chefarzt. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet – und auch ein externer Gutachter.
dpa Mitarbeiter der Kinderklinik Harlaching erheben in einem offenen Brief schwere Vorwürfe gegen den Chefarzt. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet – und auch ein externer Gutachter.

Mitarbeiter der Kinderklinik Harlaching erheben in einem offenen Brief schwere Vorwürfe gegen den Chefarzt. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet – und auch ein externer Gutachter.

Gegen den Chefarzt der Kinderklinik Harlaching, Professor M., sind schwere Vorwürfe laut geworden. In einem offenen Brief kritisieren Pflegekräfte „nicht nachvollziehbare Behandlungen und Eingriffe“ auf der Frühchen-Station K9.

Diese hätten, so geht aus dem Schreiben hervor, auch zum Tod oder zu Verletzungen von Babys geführt. Die Beschuldigungen sind so heftig, dass die Geschäftsführung des städtischen Klinikums von sich aus die Staatsanwaltschaft und einen externen Gutachter eingeschaltet hat.

Damit steckt das krisengeplagte Klinikum mitten im nächsten Skandal. Auch wenn der medizinische Geschäftsführer Hans-Jürgen Hennes in einer eilig einberufenen Presserunde betonte: „Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anhalt dafür, dass es Fehlbehandlungen in der Neonatologie gegeben hat.“ Nun sollen alle fünf Todesfälle, zu denen es in den vergangenen 15 Monaten gekommen ist – also im Zeitraum, seit der Beschuldigte als Chefarzt in der Kinderklinik anfing – nochmal überprüft werden.

Was konkret wirft das Pflegeteam ihm und übrigens auch einer Oberärztin vor? Auf der Liste der Vorhaltungen steht unter anderem, dass Fehler beim so genannten „Anspülen“ der Frühgeborenen gemacht worden seien. Wenn die Winzlinge zur Welt kommen, funktioniert ihr Darm noch nicht richtig. Deshalb benötigen sie eine Art Einlauf mit einer Kochsalzlösung. Im Fall eines nur 320 Gramm schweren Babys seien bis zu 40 Milliliter dafür verwendet worden – „bis der Stuhlgang aus dem Mund kam“, heißt es in dem Brief vom 31. Juli. Bei mehreren Frühchen sei es, so wird weiterhin behauptet, bei diesem Anspülen „bis zur Darmperforation“ gekommen.

In den knappen Formulierungen ist von „Todesfolge oder mehrfachen OPs mit künstlichen Ausgängen“ die Rede. Die Pflegekräfte berichten außerdem davon, dass sie sich von Äußerungen des Professors M. „tief verunsichert“ fühlten. Auf die Frage, ob man die Sondennahrung bei Frühchen nicht besser anwärme, soll dieser angeblich geantwortet haben: „Egal, Frühchen sind sowieso wie Leichen.“ Harter Tobak. Der Brandbrief ist laut dem Betriebsrats-Chef im Harlachinger Krankenhaus Herbert Schneider von 20 der rund 25 Beschäftigten unterzeichnet worden.

Die Namen liegen aber weder der Klinik-Geschäftsführung vor, noch den Stadtratsfraktionen, die das Schreiben ebenfalls vom Betriebsrat weitergeleitet bekamen. Die Beschäftigten befürchten offenbar Sanktionen. So schreiben sie, dass sie sich bei Kritik durch die Vorgesetzten „zunehmend bedroht“ fühlen. Was sagt die Leitung des Stadt-Klinikums zu alldem? Man nehme das Schreiben „sehr ernst“, versichert Geschäftsführer Hennes. Deshalb habe man auch sofort reagiert.

So ist Professor Dr. Egbert Herting von der Uni-Klinik Lübeck beauftragt worden, die Vorwürfe als externer Gutachter zu untersuchen. „Wir hoffen festzustellen, dass sie nicht haltbar sind“, sagt Geschäftsführer Hennes. Anlass dazu gibt die Statistik: So gebe es keinen Hinweis darauf, dass die Komplikations- oder Sterberaten auf der Station gestiegen seien. Und auch die routinemäßige externe Qualitätssicherung habe keine Auffälligkeiten festgestellt.

Zweifel meldet die Chefetage auch an den Darstellungen des Pflegeteams an. So sei es „physiologisch unmöglich“, dass Stuhlgang aus dem Mund des beschriebenen Babys gekommen sei. Professor M. erklärt in einer eidesstattlichen Versicherung außerdem, er habe Frühchen nie mit Leichen gleichgesetzt. Personelle Konsequenzen gegen ihn gibt es vorerst nicht. Fakt ist: Das Arbeitsklima in der Kinderklinik ist schon seit längerem vergiftet.

Doch auch eine Mediation brachte nicht den gewünschten Erfolg. Die CSU reagierte am Freitag als einzige Partei öffentlich auf den Skandal. In einer Anfrage forderte sie Sofortmaßnahmen – und eine rückhaltlose Aufklärung. Der Münchner Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch bestätigte auf AZ-Anfrage, dass ein so genannter „Vorprüfvorgang“ läuft. Nun soll jedoch erst einmal abgewartet werden, was die Untersuchungen des externen Gutachters ergeben.

 

 

 

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