Mietspiegel – wurde bei den Zahlen getrickst?
Im Januar starten die Befragungen für das Zahlenwerk 2017. Hausbesitzer zweifeln allerdings jetzt schon das Ergebnis an – und wollen notfalls vor Gericht Einsicht in die Daten erstreiten.
München – Gleich nach den Weihnachtsferien geht’s wieder los. Dann klingeln bei Münchner Mietern in der ganzen Stadt die Telefone. Am anderen Ende der Leitung: das Marktforschungsinstitut TNS Infratest, das im Auftrag der Stadt Mietpreise, Ausstattung, Lage und vieles mehr abfragt – für den nächsten verbindlichen Münchner „Mietspiegel 2017“.
Alle zwei Jahre lässt die Stadt die Daten neu erheben, um zu klären, wie hoch in welchen Straßenzügen die „ortsübliche Vergleichsmiete“ ist. Denn die begrenzt, was ein Vermieter für eine Wohnung verlangen darf (die aktuelle Durchschnittsmiete für die sechs Wohnlagen liegt bei 10,73 Euro pro Quadratmeter).
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Laut einer Stadtratsvorlage, die gestern im Sozialausschuss auf dem Tisch lag, werden diesmal stichprobenmäßig Mieter und Vermieter aus 30 000 Haushalten nach dem Zufallsprinzip abgefragt. „Wir geben die ersten drei Telefonnummer-Ziffern vor, damit wir Mieter aus dem ganzen Stadtgebiet erreichen“, erklärt eine TNS-Sprecherin auf AZ-Anfrage, „die anderen Ziffern errechnet der Computer nach dem Zufallsprinzip. Wir kaufen keine Telefonnummern.“
Der Streit um die Zahlen
Hinter den Kulissen allerdings tobt ein heftiger Streit um die Verlässlichkeit dieser Erhebung: Der Haus- und Grundbesitzerverein München (Lobby der Wohnungseigentümer mit 30 000 Mitgliedern und 420 000 Wohnungen und Läden) zweifelt schon den aktuell gültigen „Mietspiegel 2015“ an.
In einem Schreiben, das die Eigentümer-Lobby vor zwei Wochen ans Sozialreferat geschickt hat, verlangt sie detaillierte Einsicht in das Zahlenwerk, um die Daten von Experten überprüfen zu lassen.
„Die Zahlen passen vorne und hinten nicht zusammen“, poltert Vereins-Chef und Rechtsanwalt Rudolf Stürzer. Bei vielen Daten sei nicht nachvollziehbar dokumentiert, wie sie ermittelt wurden. „Da sind wahnsinnig viele Ungereimtheiten drin.“
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Warum und nach welchen Kriterien beispielsweise wurden von den 25 626 geführten Interviews 21 398, also rund 83 Prozent, als „nicht mietspiegelrelevant“ aussortiert, fragt sich Stürzer. „Ich würde gerne nachvollziehen können, dass nicht nur die Mieter mit den günstigsten Mieten verwendet wurden.“
Aus seiner Sicht seien im aktuellen Mietspiegel "die Hälfte der Mieten" im Vergleich zu den Zahlen aus 2013 sogar gesunken. Stürzer: „Ich habe viele Zahlen nachgerechnet und das Ergebnis macht mich misstrauisch. Denn ich kenne keinen Vermieter, der ohne besondere Vorkommnisse mit der Miete runtergegangen ist.“ Stürzer hat inzwischen durch einen Rechtsgutachter klären lassen, dass ihm eine detaillierte Einsicht in das Datenwerk zustehe.
Was den Mietspiegel für Vermieter so bedeutsam macht
Dass die Hausbesitzer-Lobby gerade jetzt zum Angriff übergeht, hat einen einfachen Grund: Seit im August die Mietpreisbremse gilt, ist die Bedeutung des Mietspiegels für Vermieter gewachsen. Bislang wurde er nur herangezogen, wenn die Miete in einem bestehenden Mietvertrag erhöht wurde.
Jetzt wird er auch bei Neuvermietungen relevant: Denn beim Einzug in eine neue Wohnung (außer bei einem Erstbezug) darf die Miete maximal zehn Prozent über dem Mietspiegel-Niveau liegen. Damit können Vermieter nicht mehr so einfach wie bisher zulangen.
Die Folgen für Münchens Mieter
Auf Münchens Mieter, gerade die ärmeren, kämen keine guten Zeiten zu, wenn der Mietspiegel nach einer negativen Prüfung das Siegel „qualifiziert“ verlieren sollte, das ihn verbindlich macht.
„Dann könnte er bei Mieterhöhungs-Streitigkeiten vor Gericht nicht mehr verwendet werden. Mieter müssten dann selbst teure Gutachter beauftragen, um die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln. Das wird sich nicht jeder leisten wollen“, fürchtet Mietervereins-Chefin Beatrix Zurek – die den Mietspiegel verteidigt: „Diese Attacke der Hausbesitzer ist Schaumschlägerei und absolut überflüssig. Der Mietspiegel ist wissenschaftlich korrekt, eine saubere Arbeit. Da ist kein Mietniveau künstlich niedrig gerechnet.“
Noch hat Stürzer keine Antwort aus dem Sozialreferat. Aber der Hausbesitzer-Chef droht schon mal an: „Wenn die Stadt uns die Möglichkeit zur Einsichtnahme verweigert, setzen wir die Prüfung vor Gericht durch.“
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