Liefergeschäft in München stark angestiegen: Kritik an "Lieferando"

Seit Corona boomt das Liefergeschäft: Das bedeutet vor allem bei den Fahrrad-Kurieren von "Lieferando" Dauerstress.
Agnes Kohtz |
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Die Gewerkschaft fordert bessere Arbeitsbedingungen für "Lieferando"-Kuriere (Symbolbild).
Die Gewerkschaft fordert bessere Arbeitsbedingungen für "Lieferando"-Kuriere (Symbolbild). © dpa/Michael Kappeler

München - Homeoffice, Ausgangssperren und geschlossene Restaurants - da bestellen sich viele Münchnerinnen und Münchner Pizza, Pasta und Co. gerne mal bequem nach Hause. Das bedeutet für den Marktführer "Lieferando" ein sattes Umsatzplus und Dauerstress für Kurierfahrer, die laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) oft mit schlechten Arbeitsbedingungen zu kämpfen haben.

Die Gewerkschaft kritisiert insbesondere den "Anreiz zur Akkordarbeit": Um über den Einstiegsstundenlohn von gerade Mal zehn Euro hinauszukommen, müssten die Beschäftigten möglichst viele Bestellungen in möglichst kurzer Zeit ausliefern. Ab der 25. Bestellung bekommen die Kuriere einen Zuschlag von 25 Cent pro Order, ab dem 100. Auftrag gibt es einen Euro mehr, zwei Euro ab der 200. Bestellung. "Dieses System führt zu großem Stress bei den Fahrern, die jede rote Ampel wertvolle Zeit kostet. Um schnell voranzukommen, setzen sie häufig ihre Gesundheit aufs Spiel. Und ein Großteil profitiert gar nicht von den Zuschlägen, weil sie in Minijobs oder Teilzeitverträgen arbeiten", so Tim Lünnemann, Geschäftsführer der NGG-Region München.

Niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen

Auch werde der Arbeitsschutz nach Beobachtung der NGG nicht ernst genug genommen. Die von "Lieferando" gestellten E-Bikes seien häufig nicht richtig gewartet und nur bedingt verkehrssicher. Eigentlich müsste der Arbeitgeber nach der neuen Corona-Testverordnung seinen Fahrerinnen und Fahrern außerdem zwei kostenlose Corona-Tests pro Woche anbieten, da sie viel Kundenkontakt haben. Laut NGG sind die Testangebote von "Lieferando" aber bislang unzureichend. Die Gewerkschaft fordert: "Lieferando muss sich endlich zu fairen Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen bekennen."

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Weitere Kritikpunkte: Laut NGG versucht "Lieferando", die Gründung von Betriebsräten zu verhindern, Zahlungen kommen nach Gewerkschaftsinformationen teilweise zu spät oder bleiben sogar ganz aus. Auch die Online-Funktion für Trinkgelder, auf die Beschäftigte wegen der niedrigen Löhne angewiesen seien, sorge oft für Probleme. "Im Ernstfall sollten sich Kurierfahrer von der NGG beraten lassen", so Lünnemann. Für Gewerkschaftsmitglieder sei ein Lohn-Check kostenlos. 

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18 Kommentare
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  • MUC1 am 29.04.2021 09:15 Uhr / Bewertung:

    Diese ganzen Vermittlungs- und Vergleichsplattformen sind riesige Mogelpackungen. Die "Arbeit" der Betreiber beschränkt sich auf ausgefeilte Datenbanken in die man sich "einkaufen" muss. Kfz-Versicherung, Hotel, Pizza usw. Zunächst wird angelockt. "Wenn SIE auf unserer Plattform anbieten, erhöht sich IHR Radius/Bekanntheitsgrad/Umsatz usw." Anfangs keine oder wenig Gebühr. Wenn dann z.B. die Hälfte der örtliche Pizzerien gelistet sind, kriecht die andere Hälfte zu Kreuze aus Angst den Zug zu verpassen. Nun hat die Plattform gewonnen. Gebühren rauf, Monopostellung. Lieferando nimmt außer der Grundgebühr um die 14 % Provision JEDER Bestellung!!!. Wobei der Pizzabäcker den Preis nicht erhöhen darf! Von 14 % Reingewinn vor Steuer darf jeder Gastronom träumen, nicht machbar. Pizzabäcker + Pedalritter werden versklavt. Die wenigsten Kunden interessiert das (Hauptsache schnell, lecker, Riesenportion, billig).
    Lösung: Direkt bestellen! Jede Pizzeria hat ein Onlineformular oder Telefon!

  • FredC2 am 29.04.2021 13:01 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von MUC1

    und Du glaubst, dass dann der Fahrer, der direkt vom Restaurant kommt, mehr Geld bekommt? Glaube ich kaum.
    Daher ist die einzige Lösung: per Telefon bestellen und sich *selbst* zum Restaurant zu bequemen, am besten per Rad. Wenn ich nämlich auf jede Pizza neben der Verpackung auch noch 5km Weg mit dem Auto dazurechne, ist das auch ökologisch gesehen Murks.

  • MUC1 am 29.04.2021 21:43 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von FredC2

    Mehr Geld evtl. schon. Er fährt halt für "seine" Pizzeria, sprich Stammkunden, (besonders Mittagstisch), besseres Trinkgeld usw. Ist besser als mit Ohrstöpseln auf dem Radl verschiedenste Lokale nebst verschiedenster Kundschaft abzuhetzen. Megastress um überhaupt auf das Geld zu kommen. Nächstes Problem: Irgendwann kann sich der Pizzabäcker seinen eigenen (Aushilfs)-Fahrer gar nicht mehr leisten, weil zu wenig Aufträge direkt im Lokal ankommen.
    Selbst holen jein. Je nach Wetter. Bei bestem Wetter wird tendenziell weniger bestellt, sonst könnte man ja gleich Essen gehen. Bestellt wird vor allem bei Gruselwetter. Ich ziehe meinen Hut vor denen, die bei strömendem Regen oder gar Minusgraden zur Pizzeria strampeln um dann im Büro oder zuhause durchnässt und ausgefroren ein kalte Pizza vom Karton zu schaben. Verpackung müsste generell überwiegend auf Mehrweg-Pfandsystem umgestellt werden. Mit Öko hast Recht.

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