Leere Supermarkt-Regale in München: Speiseöl ist das neue Klopapier

Wie schon zu Beginn der Corona-Pandemie leeren sich auch aktuell die Supermarkt-Regale bei vielen Produkten. Diesmal besonders knapp: Speiseöl. Was dahintersteckt.
Michael Schleicher |
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Komplett leergeräumt: Das Speiseöl-Regal in einer Lidl-Filiale.
Komplett leergeräumt: Das Speiseöl-Regal in einer Lidl-Filiale. © ms

München - Wer in Deutschland derzeit Speiseöl kaufen möchte, braucht möglicherweise etwas Glück. Denn in vielen Discountern und Supermärkten sind sowohl Sonnenblumen- als auch Rapsöl vergriffen.

Leere Regale bei Lidl, Edeka und Co.: Manch einer denkt da wohl sofort an den Beginn der Corona-Pandemie. Als damals der erste Lockdown beschlossen wurde, stürmten die Menschen in die Märkte und hamsterten etliche Produkte. Neben länger haltbaren Lebensmitteln wie Nudeln und Konserven besonders begehrt – Klopapier.

Wie zu Lockdown-Zeiten: Es wird wieder gehamstert

Nun wird also das Speiseöl, unabhängig von Hamsterkäufen, knapp – auch in München! Das bestätigt auch ein Test der AZ, die sich am Montag sowohl in einem Edeka- als auch in einem Lidl-Markt in Sendling umgesehen hat.

Bei Letzterem ist der Mangel sogar so groß. dass es Rationierungsangaben gibt. "Max. 2 Flaschen pro Einkauf", steht etwa auf handgeschriebenen Zetteln neben dem Preisschild. Daneben ein weiterer Hinweis: "Leider ist dieser Artikel zur Zeit nicht lieferbar. Wir bitten um Ihr Verständnis."

Rationierungsangaben im Supermarkt.
Rationierungsangaben im Supermarkt. © ms

Leere Regale im Supermarkt: Das sagen Lidl, Edeka und Aldi

Die Warenversorgung in den Filialen sei grundsätzlich sichergestellt, teilte Lidl auf AZ-Nachfrage mit. "Lediglich bei einzelnen Produkten kann es zu Lieferverzögerungen kommen." Unabhängig von der aktuellen Situation gebe man die angebotenen Waren wie bisher nur in "haushaltsüblichen Mengen" ab.

Auch Edeka Südbayern, unter anderem verantwortlich für die Märkte in München, äußerte sich ähnlich zur aktuellen Situation, die ein Sprecher auf AZ-Nachfrage als "sehr dynamisch" bezeichnete.

Aktuell könne eine ausreichende Versorgung mit allen Produkten des täglichen Bedarfs sichergestellt werden. "In Einzelfällen kann es allerdings bei bestimmten Produkten zu kurzzeitigen Lieferengpässen kommen. Dies betrifft insbesondere Speiseöle, die zum Teil auch aus der Ukraine stammen", erklärte der Sprecher weiter. Einen Anlass, sich zusätzliche Vorräte anzulegen, gebe es weiterhin nicht.

Der Discounter Aldi Süd teilte mit, er beobachte eine stärkere Nachfrage bei einigen Warengruppen. So könne es sein, dass einzelne Artikel kurzzeitig vergriffen seien. "Bei größeren Nachfragen behalten wir uns wie immer vor, die Abgabemenge pro Kunde vorübergehend einzuschränken."

Kaum noch Speiseöl vorhanden: Das sind die Gründe

Doch warum sind die Regale aktuell größtenteils komplett leer? Die Öl-Knappheit hat mehrere Gründe.

Einer der wichtigsten ist der Krieg in der Ukraine, der nun schon seit fast drei Wochen tobt. Denn die Ukraine ist einer der wichtigsten Exporteure von Ölsaaten wie Raps oder Sonnenblumen.

Die Bedeutung der Landwirtschaft im Land ist groß – nicht umsonst gilt die Ukraine als Kornkammer Europas: Nach UN-Daten waren Getreidesorten wie Weizen, Roggen und Gerste 2020 mit insgesamt 19,1 Prozent die größte Warengruppe unter allen Ausfuhren – deutlich vor Stahlprodukten (15,6 Prozent). Fette, Öle und Wachse tierischen oder pflanzlichen Ursprungs kamen mit 11,7 Prozent auf den dritten Rang.

Verband: Sonnenblumenöl wird noch knapper

Doch schon vor dem Ukraine-Krieg war die Situation angespannt: Wegen einer Missernte in Kanada sowie coronabedingter Logistikprobleme stiegen die Preise für Sonnenblumenöl bereits vor mehreren Wochen spürbar.

Dem Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) zufolge gebe es keine flächendeckende Unterversorgung mit Lebensmitteln der Grundversorgung, wie es auf Anfrage der AZ heißt. "Punktuell und in einzelnen Regionen kann sich die Lage anders darstellen, zum Beispiel bei Speiseölen oder Mehl." Dies hänge dann vor allem mit der aktuellen Situation der jeweiligen Lieferkette zusammen, wie Christian Boettcher vom BVLH erklärt.

Teurer als andere Produkte – und deshalb wohl noch im Regal.  Bio-Rapsöl in einem Edeka-Markt.
Teurer als andere Produkte – und deshalb wohl noch im Regal. Bio-Rapsöl in einem Edeka-Markt. © ms

Die Knappheit von Sonnenblumenöl könnte sich in den kommenden Tagen und Wochen aber noch weiter verschärfen. Davon geht der Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (Ovid) aus. "Die Vorräte reichen voraussichtlich noch für wenige Wochen", sagte der Ovid-Geschäftsführer Gerhard Brankatschk am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Nachschub aus der Ukraine - dem wichtigsten Lieferland für Sonnenblumenöl - gebe es derzeit nicht.

Deutschland deckt seinen Bedarf an Sonnenblumenöl zu 94 Prozent über Importe, nur sechs Prozent des verbrauchten Öls stammen aus heimischer Produktion. "Da kommt jetzt nichts mehr", betonte der Verband.

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Bayern fordert unabhängige Lebensmittelversorgung

Auch deshalb will die bayerische Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) bei der Versorgung mit Lebensmitteln "nicht in ähnliche Abhängigkeiten wie auf dem Energiesektor kommen". Angesichts der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs sei klar, dass Europa Ernährungssouveränität brauche, sagte Kaniber zuletzt.

Michaela Kaniber (CSU), Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Michaela Kaniber (CSU), Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. © Peter Kneffel/dpa/Archivbild

Russland und die Ukraine hatten im vergangenen Jahr einen Anteil von 29 Prozent am weltweiten Weizenhandel. "Bei Sonnenblumenöl beträgt dieser Anteil sogar fast 80 Prozent", sagte Kaniber. Europa müsse sich bei der Lebensmittelversorgung unabhängig machen, um nicht erpressbar zu sein.

Wie lange es leere Regale in deutschen Supermärkten geben wird? Das ist noch unklar. Der BVLH appelliert jedoch an alle Kunden, "sich untereinander solidarisch zu verhalten und Produkte nur in haushaltsüblichen Mengen einzukaufen". Denn auf diese Größenordnung seien die Produktionsmengen sowie die Lieferlogistik der gesamten Lebensmittelkette ausgerichtet. Fraglich nur, ob sich angesichts der aktuellen Lage auch wirklich jeder daran halten wird.

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4 Kommentare
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  • SL am 16.03.2022 09:47 Uhr / Bewertung:

    "Speiseöl ist das neue Klopapier"? Sorry, aber wie soll ich mir damit den Allerwertesten putzen?

  • Der wahre tscharlie am 15.03.2022 20:56 Uhr / Bewertung:

    "Lediglich bei einzelnen Produkten kann es zu Lieferverzögerungen kommen."
    Also, alles halb so schlimm, ihr Hamsterer zwinkern

    "Bayern fordert unabhängige Lebensmittelversorgung"
    Und wie stellt sie sich das vor?
    Nudeln, Reis kommt u.a. aus Italien. Der Weizen teilweise auch wieder woanders her. Der weltweit größte Tomatenproduzent kommt aus China, obwohl die Chinesen keine Tomaten essen. Öl kommt aus Italien/Griechenland/Spanien. Nur "Abhängigkeiten".

  • MatthB. am 15.03.2022 22:16 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    Die europäische Abhängigkeit von der Kornkammer Ukraine ist enorm. Vieles kann nicht in DE angebaut werden, weil es hier nicht gedeiht, sprich Reis, Oliven etc. Die Erträge bei Roggen, Gerste, Dinkel, Emmer sind im "kalten und feuchten" Deutschland nicht so groß wie in der Ukraine, wo es im Sommer sehr warm wird und eher trocken ist. Beste Bedingungen für Getreide.
    Der Mangel wird früher oder später dazu führen, dass Deutsche vermehrt auf Altbewährtes zurückgreifen werden, wie Kartoffeln statt Reis und Butterschmalz statt Sonnenblumenöl. Auch Steckrüben gedeihen hier sehr gut, nahrhaft und günstig. Ist auch kein Kriegsgemüse und kein Viehfutter, im Gemüseeintopf schmeckt so was sehr gut. Statt italienischer Tomate gibts rote Beete, gedeiht überall in Deutschland. Wir sind einfach auf eine ununterbrochene Verfügbarkeit gewöhnt, Erdbeeren im Dezember und Weißkohl in Juni. Mit etwas Umdenken, klappt die Versorgung der Bevölkerung auch ohne Importe.

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