Kultlokal lebt wieder auf: Ein "Tatort" als Abschied vom Roy

Am Sonntagabend lebte in der ARD das legendäre Nachtlokal am Sendlinger-Tor-Platz nochmal auf. Die AZ klärt auf.
Annette Baronikians |
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Filmszene, gedreht im ehemaligen Plüschlokal - mit Faschingsfan Ivo Batic (Miroslav Nemec, r.) und Spaßbremse Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl).
Filmszene, gedreht im ehemaligen Plüschlokal - mit Faschingsfan Ivo Batic (Miroslav Nemec, r.) und Spaßbremse Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl). © BR, Lieblingsfilm/Luis Zeno Kuhn

München - Auf einmal wischt er sich verstohlen über die Augen - und dass es "nur ein paar kleine Freudentränen" sind, mag man dem sonst so heiteren Günther Grauer nicht so recht glauben.

Im Roy kehrten internationale Stars ein

"Stimmt schon", sagt er schließlich: "Das ist schön und traurig zugleich. Schließlich steckte da auch unglaublich viel Herzblut drin." Die Rede ist von Grauers berühmtem Bar-Bistro Roy, das internationale Stars an den Sendlinger-Tor-Platz zog. Dereinst, denn das Roy ist Geschichte - und wurde jetzt auch zur Geschichte: für den Faschingstatort "Kehraus", der am Sonntagabend im Ersten zu sehen gewesen ist.

Ex-Wirt (und Narrhalla-Präsident) Günther Grauer.
Ex-Wirt (und Narrhalla-Präsident) Günther Grauer. © Annette Baronikians

Das "Roy" am Sendlinger Tor: Ein konkurrenzloser Drehort

Ex-Roy-Wirt (und Narrhalla-Präsident) Günther Grauer konnte den Krimi schon vor dem Sendetermin sehen. Schließlich wurde der Tatort in seinem legendären, inzwischen für immer zugesperrten Lokal gedreht. Eine Entscheidung, die schnell gefallen war. Die anderen Vorschläge des Locationscouts, der sich auf Drehortsuche gemacht hatte, waren chancenlos.

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Hier schien die Zeit stillzustehen

"Die Atmosphäre dieser Münchner Institution war einmalig", sagt Produzent Robert Marciniak (Lieblingsfilm GmbH) der AZ: "Im Roy spürte man die Jahrzehnte, das Flair des alten München." In der Tat schien im Kultlokal die Zeit schon stillzustehen, als das Roy noch sehr beliebter Anlaufpunkt für Nachtschwärmer von nah und fern war.

Wie eh und je gab es dort die große Mahagoni-Bar, handgemalte venezianische Wandgemälde, glitzernde Lüster und viel Deko. Besonderer Eyecatcher: die unzähligen Fotos von Stars, die alle einst schon im Roy waren - ob Freddie Mercury, Sir Peter Ustinov oder selbst Michael Jackson.

Viel Tragik in der Komik

So wie ihre Zeit schon vorbei ist, so war's irgendwie auch mit dem Roy, das der legendäre Namensgeber und Ex-Wirt, Roy Dubowy, bereits anno 1978 erschaffen hatte. Diese Melancholie, die das Plüschlokal umwehte, wurde im Tatort quasi wieder lebendig - und findet sich auch in der Geschichte mit viel Tragik im Komischen wieder.

Die letzte Herbst-Deko 2020 im Roy - mit den vielen Promi-Fotos an den Wänden.
Die letzte Herbst-Deko 2020 im Roy - mit den vielen Promi-Fotos an den Wänden. © Annette Baronikians

Berühmte Faschingsgeschichten

"Denn anders als beim Karneval in Köln begleitet den Münchner Fasching eine gewisse Melancholie", sagt Regisseurin Christine Hartmann und erinnert an Gerhard Polts "Kehraus" und "Herr der sieben Meere" aus Helmut Dietls Monaco Franze. Tatsächlich war der neue Münchner Tatort diesen berühmten Faschingsgeschichten nicht unähnlich, und die vielen Roy-Fans konnten in Erinnerungen schwelgen - wenn Kommissar Ivo Batic in Piloten-Kostümierung in ihrem einstigen zweiten Wohnzimmer tanzt.

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Im Tatort heißt die Bar "Irmi's Stüberl"

Das Roy mit seinem so speziellen Charme erkannte jeder, der dort auch nur einmal zu Gast war, im Krimi sofort wieder, wenngleich beispielsweise die Promi-Fotos unter der Film-Faschingsdeko verschwinden. Im Tatort trug das legendäre Lokal den Namen "Irmi's Stüberl", womit an eine Wirtin und deren mittlerweile auch verschwundene Münchner Gastro-Institution erinnert wurde: an Gerti Guhl und ihre Fraunhofer Schoppenstube.

Das "echte" Roy von außen.
Das "echte" Roy von außen. © Annette Baronikians

Den Immobilienhaien zum Opfer gefallen

"Leider fiel auch dieses wunderbare Nachtschwärmerlokal den Immobilienhaien zum Opfer", sagt Schauspielerin Johanna Bittenbinder, die in ihrer Irmi-Rolle die (im wahren Leben nach wie vor muntere) Gerti als Münchner Wirte-Original wieder auferstehen ließ.

Seit der Pandemie ist das Roy Vergangenheit

Ganz anders ist es mit den Kultlokalen. Die Schoppenstube gibt's seit 2013 nicht mehr. Das Roy ist seit der Corona-Pandemie samt Lockdown sowie einer anstehenden Generalsanierung des Gebäudes Vergangenheit. Dass es nie mehr aufgesperrt werden sollte, konnte die Tatort-Crew damals beim Dreh im November 2020 noch nicht erahnen.

Am Montag um 23.20 Uhr wird der Tatort in der ARD wiederholt, außerdem ist er noch in der Mediathek zu sehen.

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16 Kommentare
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  • Fußball-Fan am 28.02.2022 14:55 Uhr / Bewertung:

    Ein guter Tatort, der auch ohne den Kitsch der Lokalitäten ausgekommen wäre. Die Realität sieht nämlich anders aus. Immobilienhaie und Immobilienkonzerne quetschen auch noch aus den letzten Quadratmetern Geschichte Geld heraus. Gerade in München muss den Immobilienhaien und Großkonzernen endlich mal ein Riegel vorgeschoben werden. In Zeiten der Wohnungsnot sollten Luxussanierungen verboten werden und Haus- oder Wohnungskäufer gezwungen werden in den erworbenen Immobilien selber wohnen zu müssen. Ein Tatort über Immobilienhaie hätte gute Chancen ein Pzblikumserfolg zu werden.

  • chgmuc am 28.02.2022 14:17 Uhr / Bewertung:

    Das waren noch Zeiten, da war München noch ein netter und friedlicher Ort und das Nachtleben hat diesen Namen noch verdient!

  • Fußball-Fan am 28.02.2022 17:30 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von chgmuc

    Falsch. Mord- und Totschlagzahlen waren damals viel höher als heute. Hinzu gab es noch die nicht strafbaren Mishandlungen und Vergewaltigungen in der Ehe. Heute lebt es sich sicherer in München. Heute gehen Ehemänner zum Glück in den Knast und Serien-Vergewaltiger werden meist ein Leben lang in Sicherheitsverwahrung weggeschlossen. Und von der Misachtung der Menschenrechte bei Schwulen und Lesben ganz zu schweigen. Das war damals die Zeit von CSU-Amigo-Filz und Vetternwirtschaft. Nur bei Kindesmishandlungen durch Mitarbeiter der kath. Kirche hat es sich bis heute nichts zum Besseren gewandelt. Fazit: heute leben wir sicherer in München, dafür ist unsere Luft von Diesel- und Benzinabgasen belastet und SUV-Stadtpanzer parken uns die Straßen und Wege zu. Ich lebe aber gerne in München, denn es tut sich ja was mit den Grünen im Rathaus.

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