Klein-Venedig: Werden die Münchner Stadtbäche geöffnet?

München - Man kann sich’s kaum noch vorstellen – aber München sah mal ein bisschen aus wie ein Klein-Venedig: Die Altstadt war durchzogen von plätschernden Bächen mit so schönen Namen wie Roßschwemmbach, Katzenbach, Strohschwemm-, Münz- oder Krankenhausbächl. Und rund um die alte Stadtmauer war München eingerahmt von Wasser. Bis heute gurgelt und rauscht es im Untergrund dort, wo alte Bachläufe nur überbaut (und nicht – vor allem in den 1960er Jahren – zugeschüttet) worden sind. Am St.-Anna-Platz zum Beispiel kann man das noch hören: Hier fließen der Stadtmühl- und der Stadtsägmühlbach nach Norden, allerdings unterirdisch.
DER NEUE VORSTOSS
Schon in den 1970ern protestierten viele Münchner, die ihre Bäche wiederhaben wollten. Die CSU hat damals viele Anläufe übernommen, Betondeckel wieder aufzureißen. 2004 verkündete der ehemalige Baureferent Horst Haffner (FDP), man werde die Bäche wieder öffnen. Green City stieß das Thema immer wieder an. Jetzt holen es die Grünen im Rathaus wieder aus der Schublade – und beantragen zusammen mit Green City und dem Münchner Forum: Öffnet die Stadtbäche wieder! „Die Lebensqualität der Münchner kann nur gewinnen, wenn wir einige der Bäche wieder zugänglich machen“, sagt Grünen-Fraktionssprecher Florian Roth. „Neue Wasserläufe bringen in der Sommerhitze auch kühle Luft in die Stadt“, argumentiert die Grüne Sabine Krieger. Nun sind acht konkrete Vorschläge auf dem Tisch, die die Stadtverwaltung prüfen und mit den Münchner Bürgern diskutieren soll.
VORSCHLAG 1: Pestalozzistraße
In vier bis fünf Metern Tiefe fließt hier der Glockenbach (genaugenommen ist es die Verlängerung des Westermühlbachs) – exakt unter dem Gehsteig. Würde man auf dem 200-Meter-Teilstück zwischen Müller- und Holzstraße den Beton öffnen, könnte der Bach an den Häusern entlang plätschern. „Hier gibt es kaum Zufahrten zu Hinterhöfen“, sagt Green-City-Mann Wolfgang Heidenreich, „und zu den Hauseingängen könnte man einfach Stege bauen.“ Eine technische Lösung könnte knifflig werden: Entweder würde der Bach in einer Art Kanal tief unten fließen, oder er müsste per Pumpe an die Oberfläche geholt werden. „Die Details müssen Ingenieure klären“, sagt Heidenreich, „das wird so kompliziert nicht sein.“ Nachteil: Auf dieser Straßenseite fielen freilich die Parkplätze weg.
VORSCHLAG 2: Herzog-Wilhelm-Straße und Sendlinger Tor
Hier fließt (ebenfalls vier bis fünf Meter tief) der Westliche Stadtgrabenbach in einem weiten Bogen nach Norden. Erst am Südrand des Englischen Gartens tritt er als Schwabinger Bach an die Oberfläche.
„Man könnte das Wasser mit einer hydraulischen Pumpe am Sendlinger Tor an die Oberfläche holen und ein Stück in die Herzog-Wilhelm-Straße hineinfließen lassen“, meint Klaus Bäumler, langjähriger Chef des Bezirksausschusses Maxvorstadt und Mitglied im Münchner Forum.
VORSCHLAG 3: Sonnenstraße
Als große Alternative ist für die Grünen auch eine Idee denkbar, die Architekt Stephan Braunfels schon 1985 hatte: Den Westlichen Stadtgrabenbach ein paar Meter weiter zur Sonnenstraße umzuleiten und ihn dort in der Mitte der Straße auf einem „Boulevard Sonnenstraße“ verlaufen zu lassen.
VORSCHLAG 4: Lenbachplatz und Maximiliansplatz
Vor dem BMW-Pavillon, westlich der neuen Herzog-Max-Burg und an der Grünanlage am Maximiliansplatz, könnte der Westliche Stadtgabenbach ebenfalls geöffnet werden.
VORSCHLAG 5: Karlstor und Odeonsplatz
Punktuell könnte der Bach auch am Karlstor und am Odeonsplatz geöffnet werden. Immerhin: Bei der Max-Planck-Gesellschaft an der Hofgartenstraße fließt er schon offen. VORSCHLAG 6: St.-Anna-Platz Im Lehel fließt der Stadtsägmühlbach unter der St.-Anna-Kirche zur Unsöld- und weiter zur Prinzregentenstraße. Dort plätschert er schon in einem Privatinnenhof. Warum denn nicht auch am St.-Anna-Platz?
VORSCHLAG 7: Besserer Zugang zum Auer Mühlbach
Der Fußweg entlang des Auer Mühlbachs wird mittendrin rüde unterbrochen: beim Grundstück der „Armen Schulschwestern“. Die weigern sich, einen Streifen Grund abzutreten, damit der Weg dort weiterführen kann. Die Idee: ein über dem Wasser schwebender Steg, der am Grund der Schwestern vorbeiführt. VORSCHLAG 8: Zugang Eisbach Auch an den Eisbach kommt man nicht überall heran: Zwischen Tivolistraße und Mittlerem Ring etwa treffen Spaziergänger auf einen (privaten) Stacheldrahtzaun.
Und wie geht’s jetzt wohl weiter?
Der Stadtrat dürfte dem Thema gegenüber aufgeschlossen sein – sofern es finanzierbar ist. Ob die Fachleute in der Verwaltung in Begeisterung ausbrechen, ist allerdings fraglich: Die St.-Anna-Platz-Idee ist nämlich vor einer Weile geprüft worden, und was rauskam, war ernüchternd: Für ein Wohngebiet wie im Lehel ist ein oberirdischer Bach demnach schlicht: zu laut.
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Hier sprudelt es noch in der Stadt
Ein paar Bäche fließen immer noch oberirdisch durch die Stadt:
- Auer Mühlbach: Von der Marienklause geht dieser Bach von der Isar ab, fließt durch Tierpark, Schyrenbad, bis er Am Maxwerk wieder auf die Isar trifft.
- Hachinger Bach: Von Perlach kommt das Bächlein er ins Stadtgebiet hinein, durchquert den Ostpark bis er schließlich unterirdisch zum Bogenhausener Hüllgraben weiterführt.
- Schwarze Lacke: Abgehend vom Olympiasee fließt er über den Petuelpark durch den Schwabinger See in den Schwabinger Bach im Englischen Garten.
- Oberst-Jägermeister-Bach: Der Länge nach teilt dieses Gewässer den Englischen Garten und fließt dabei ganz gemächlich.
- Eisbach: Der Star unter den Bächen. Wegen der Surfer am Haus der Kunst kennen diesen kalten Bach auch viele Nicht-Münchner.
- Glockenbach: Er gibt seinem Viertel einen Namen. Nur 500 Meter fließen allerdings oberirdisch.