Kind mit Down-Syndrom: Klage der Eltern zurückgewiesen

München - Wir lieben unsere Tochter, sagt der Vater. Die Kleine kann nichts dafür, sagt die Mutter. Und trotzdem hätte Xenia E. Jasmina abgetrieben, wenn sie gewusst hätte, dass die heute Vierjährige an Trisomie 21 erkrankt ist. Von ihrem beratenden Frauenarzt will das Ehepaar deshalb Geld für den Unterhalt des behinderten Mädchens. Und mindestens 10 000 Euro Schmerzensgeld.
„Die Ärzte haben mich falsch behandelt und nicht aufgeklärt“, sagt die 33 Jahre alte Mutter. 2009 war sie an Multipler Sklerose (MS) erkrankt und mit Medikamenten behandelt worden. Kurz darauf wurde sie schwanger. Sie wollte das Risiko für ihr Ungeborenes mit Ärzten abklären. Der Vater ist ebenfalls krank. Seit einem Unfall in einem Chemiewerk sind seine Hände verätzt. Er muss Handschuhe tragen. Ein krankes Kind, so sagt Xenia E. heute, hätte die Grenze ihrer Belastbarkeit überschritten.
Dem Arzt kann man nichts vorwerfen, urteilt das Gericht
Bei der Ultraschalluntersuchung fand der behandelnde Frauenarzt jedoch nichts Auffälliges. Die Eltern bezweifeln das und zogen vor das Landgericht. Dort wurde ihre Klage vergangenen Sommer abgewiesen. Die Behinderungen der Tochter seien wegen einer Verkettung unglücklicher Umstände nicht erkannt worden. Den Ärzten sei kein Vorwurf zu machen. Dagegen haben die Eltern Berufung eingelegt.
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„Es ist ein schweres Schicksal, über das wir hier verhandeln“, sagt der Vorsitzende Richter Thomas Steiner zu Beginn der Verhandlung am Oberlandesgericht. Die Kammer hat einen Sachverständigen geladen, den Pränataldiagnostiker Rainer Bald.
Es geht um den Ultraschall. Auf den Bildern war die Nase der ungeborenen Jasmina 0,2 Millimeter unter dem Sollwert von fünf Millimetern. Das kann ein Hinweis auf das Down-Syndrom sein. Der behandelnde Arzt hat Xenia E. darauf jedoch nicht hingewiesen.
Nach Ansicht von Bald war das in Ordnung: „Bei einem Messwert, der an der Grenze des Normalen liegt, sehe ich keinen Grund, das zu besprechen.“ Zudem habe es andere Faktoren gegeben. Die hatten angezeigt: Das Kind entwickelt sich normal.
„In Großhadern hat man mir gesagt, dass aber der Herzfehler in jedem Fall erkannt werden hätte müssen“, wendet der Vater ein. „Das ist sicherlich nicht korrekt“, erwidert Bald. Herzfehler würden nur in 40 Prozent der Fälle erkannt.
"Ich werde nicht aufgeben"
Jasmina spielt während der Verhandlung in einem Nebenzimmer. Ihr zwölf Jahre alter Bruder passt auf sie auf, die beiden anderen Geschwister (9, 14) sind nicht da. Die Eltern sitzen neben ihrer Anwältin. Sie sehen angespannt aus. Xenia E. vergräbt ihr Gesicht immer wieder in ihren Händen. Thomas Steiner führt die Verhandlung ruhig, fast sanft. Er stellt oft Nachfragen. Es ist kein Fall wie jeder andere, das betont er von Anfang an.
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Doch als die Kammer den Gutachter fertig befragt hat, kommen die Richter schnell zu einem Ergebnis. „Wir werden die Klage zurückweisen.“
In diesem Moment bekommt die Mutter einen Hustenanfall, so stark, dass die Sitzung kurz unterbrochen werden muss. Als es weitergeht, sagt Steiner: „Wir können dem Arzt keinen Vorwurf machen. Ich verstehe, dass man als Eltern hadert.“ Aber dem Arzt sei keine Nachlässigkeit nachzuweisen. „Sie werden hier nicht gewinnen.“
Nach dem Urteilsspruch, die Leuchttafel vor dem Verhandlungssaal ist schon ausgeschaltet. Die Eltern stehen auf dem Gang, niedergeschlagen, aufgewühlt. „Ich werde nicht aufgeben“, sagt der Vater. Man überlege noch, ob man auf die Zulassung einer Revision klage, sagt die Verteidigerin. An der Gruppe schiebt sich der beklagte Frauenarzt vorbei, er zieht leicht den Kopf ein. „Gib zu, dass du einen Fehler gemacht hast“, ruft Abderrazzak E. ihm hinterher. „Darüber hat gerade das Gericht entschieden“, entgegnet der Arzt. Und geht.