Indianer-Kostüm beim Münchner Fasching: Verkleidung in Ordnung oder nicht mehr zeitgemäß?

Das Kostüm, das in der aktuellen Faschings-Saison wohl für die meisten Diskussionen sorgt, ist das des Indianers. Ist die Verkleidung noch angemessen oder sollten die Faschings-Fans lieber Abstand davon nehmen? Die AZ hat sich in München umgehört.
AZ/dpa |
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Verkleidete Faschings-Gänger am Marienplatz. Vor allem die Indianer-Verkleidung sorgt aktuell für reichlich Diskussionen.
Verkleidete Faschings-Gänger am Marienplatz. Vor allem die Indianer-Verkleidung sorgt aktuell für reichlich Diskussionen. © imago/Lindenthaler

München - Der Fasching in München neigt sich seinem feierlichen Ende entgegen – und auch dieses Jahr haben sich die Feiernden wieder einiges in Sachen Verkleidung einfallen lassen. Bei einigen Kostümen scheiden sich jedoch die Geister. Als Indianer zum Fasching gehen – geht das noch oder ist das (schon) kulturelle Aneignung?

Darunter versteht man in Fachkreisen grob gesagt die Übernahme von Ausdrucksformen aus einer anderen Kultur – in stereotyper Weise, gegen deren Willen und nicht auf Augenhöhe. Erst im Sommer hat es eine heftige Debatte in der Sache gegeben, damals ging es um zwei Begleitbücher zu einem Winnetou-Film, die ein Verlag zurückzog. Die einen hielten das für komplett übertrieben und sahen eine gottgleiche Helden-Figur ihrer Kindheit in Verruf gebracht. Andere hatten das Gefühl, dass da vielleicht doch etwas dran sein könnte.

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Wer die Diskussion mitbekommen hat, dürfte beim Durchwühlen der heimischen Kostümkiste möglicherweise kurz ins Stutzen geraten sein. Nicht nur, wenn der Federschmuck und die braune Fransen-Jacke zum Vorschein kommen – über Jahrzehnte ja ein Verkleidungsklassiker. Vorsichtig gefragt: Was ist eigentlich mit der orientalischen Prinzessin? Der japanischen Geisha? Und huldigt der Cowboy mit dem Colt nicht dem alten weißen Mann und verhöhnt Schussopfer? Ist das nun ein Problem? Hilfe!

Indianer-Kostüm an Fasching? Das sagen die Münchner zur Debatte

Die AZ hat sich am Rosenmontag in München – bekanntermaßen keine deutsche Hochburg der närrischen Zeit – am Marienplatz umgehört. Was sagen die Faschingsgänger zur Kostüm-Diskussion rund um Indianer und Co.?

Mutter und Reservierungsmanagerin Sabrina als Einhorn, mit ihrer Tochter Piratin Kerby (9), sagt: "Das sind doch Kindheitsträume! Kinder und auch Erwachsene sollten ihre Fantasie weiter ausleben können."

Mutter und Reservierungsmanagerin Sabrina als Einhorn und ihre Tochter Kerby (9) als Piratin.
Mutter und Reservierungsmanagerin Sabrina als Einhorn und ihre Tochter Kerby (9) als Piratin. © Daniel von Loeper

Ähnlich sieht das auch das Rentnerpaar Brigitte und Ludwig  aus Moosach. Sie sagen der AZ: "Schade, dass sich in München nur wenige verkleiden. Es ist Schmarrn, wenn gesagt wird, man solle sich nicht als Indianer verkleiden."

Das Rentnerpaar Brigitte und Ludwig aus Moosach verkleidet sich gern.
Das Rentnerpaar Brigitte und Ludwig aus Moosach verkleidet sich gern. © Daniel von Loeper

Bianca (l.) als Rabe, ansonsten im realen Leben Onlinemarketingberaterin, sagt: "Wir freuen uns, gleich im Ratskeller Fasching zu feiern. Ich möchte nicht gegendert werden. Kulturelle Aneignung kann ich nicht nachvollziehen – sich nicht als Indianer zu verkleiden weil es nicht zeitgemäß sei, das sehe ich anders." Die 42-Jährige sieht in der Ablehnung von Indianer-Kostümen "eine unnötige Problematisierung". "Es trifft nicht den Kern der Lösung. Mein Sohn ist zweieinhalb Jahre – er findet alles toll. Doch ich wüsste nicht, warum er sich nicht später mal als Indianer verkleiden können sollte", erklärt die Faschingsgängerin.

Onlinemarketingberaterin Bianca (42) als Rabe, Katrin (42) als Leopardin (im realen Leben Fortbildungsreferentin) und Andrea (44) als Piratin.
Onlinemarketingberaterin Bianca (42) als Rabe, Katrin (42) als Leopardin (im realen Leben Fortbildungsreferentin) und Andrea (44) als Piratin. © Daniel von Loeper

Und dann hat die AZ tatsächlich noch einen verkleideten Indianer gefunden. Konditor Rainer sagt – kurz und knapp: "Ich mag es, Indianerhäuptling zu sein." In München scheint man sich also einig zu sein: An Fasching als Indianer zu gehen, ist völlig in Ordnung.

Konditor Rainer verkleidet sich als Indianer.
Konditor Rainer verkleidet sich als Indianer. © Daniel von Loeper

Im Mittelpunkt der Debatte stehen die sogenannten ethnischen Kostüme

Man kann das für eine reichlich akademische Debatte halten und nicht wenige werden auch einwenden: So eine Geister-Diskussion – lasst mir bitte mein Kostüm und zeigt mir den amerikanischen Ureinwohner, der sich durch Bildstrecken vom Karneval aus dem Kreis Mettmann oder Paderborn klickt und beleidigt fühlt.

Offenbar gibt es aber auch einen gewissen Wunsch nach Orientierung. Wer googelt, findet schnell Artikel mit Titeln wie "Indianer-Kostüm: Darf mein Kind das noch tragen?" oder "Warum du dich zu Karneval weder als Pocahontas noch als Inuit verkleiden solltest." Im Mittelpunkt stehen die sogenannten ethnischen Kostüme.

Aktueller denn je: Ein Wagen beim Rosenmontagszug in Düsseldorf.
Aktueller denn je: Ein Wagen beim Rosenmontagszug in Düsseldorf. © imago/Jochen Tack

Wissenschaftler über Indianer-Kostüm: "Muss nicht erwarten, dass andere Applaus klatschen"

Wenn man den Sozialwissenschaftler Lars Distelhorst fragt, der das Buch "Kulturelle Aneignung" geschrieben hat, nach so einer Kostümierung fragt, sagt er: "Das kann man machen. Aber man muss nicht unbedingt erwarten, dass andere Leute dafür Applaus klatschen." Er findet tatsächlich, dass man bei Verkleidungen über kulturelle Aneignung diskutieren könne. Obwohl er andere Begriffe günstiger findet. Etwa Geschichtsvergessenheit oder mangelnde Sensibilität.

"Es fängt eigentlich auch schon bei dem Wort 'Indianer' an", sagt Distelhorst. "Bei vielen ist noch gar nicht angekommen, dass es die nicht gibt." Geschichte ist ja (eigentlich) bekannt: Kolumbus dachte bei seiner Ankunft in Amerika irrigerweise, in Indien gelandet zu sein. Die daraus resultierende Bezeichnung ist nun älter als der Kölner Rosenmontagszug.

"Ich würde Kinder niemals davon abhalten wollen, sich zu verkleiden", sagt Distelhorst. "Nur muss man ja sehen, dass man Kinder hochgradig in die Irre führt, wenn man ihrem Erkenntnisinteresse dadurch zu entsprechen meint, dass man sie in verhohnepipelnde Kostüme steckt."

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Martin Booms, Professor für Philosophie an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, findet die Strenge der Diskussion dagegen befremdlich. "Ich glaube nicht, dass es zielführend ist, dass man jetzt eine Liste macht mit Kostümen und Rollenmotiven, die noch 'gehen' und solchen, die 'nicht gehen'", sagt er.

Man müsse sich doch mal klar machen, was im Karneval passiere. Rollenklischees würden bewusst eingesetzt. "Wer sich ein Kostüm überzieht und in eine fremde Rolle schlüpft, der macht das mit Selbstironie. Genau diese Eigenschaft – über sich selbst lachen zu können – ist eine Kultur, die so etwas wie Diskriminierung und Exklusion verhütet."

AZ-Umfrage: Darf man noch ein Indianer-Kostüm tragen?

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19 Kommentare
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  • Fracking Gas am 22.02.2023 16:51 Uhr / Bewertung:

    Frage: Dürfen nicht Deutsche demnächst in Filmen Nazis spielen? Ist das nicht auch indigene Aneignung?

  • Red Angel am 22.02.2023 15:27 Uhr / Bewertung:

    Uund was die gutmenschen labern geht mir am arsch vorbei

  • Red Angel am 22.02.2023 15:26 Uhr / Bewertung:

    Ich war im Karneval erst recht als Indianer unter wegs lass es mir nicht verbitten

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