Interview

Immobilienfachmann Erich Roles aus München packt über sein Leben aus: "Es war Größenwahn"

Erich Roles (70) wuchs in den 50ern als Kind eines schwarzen US-Soldaten in der Region München auf. Sein bewegtes Leben hat er nun als Buch aufgeschrieben. Bald gibt es einen zweiten Band.
Hüseyin Ince
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Erich Johannes Roles an einem seiner Lieblingsorte, dem Hofgarten. Im Tambosi kann es passieren, dass man ihn beim Kaffeetrinken trifft. Das Buch (erhältlich bei Amazon) habe er auch geschrieben, damit seine Enkel lesen können, "was denn der Opa für ein Typ gewesen ist".
Erich Johannes Roles an einem seiner Lieblingsorte, dem Hofgarten. Im Tambosi kann es passieren, dass man ihn beim Kaffeetrinken trifft. Das Buch (erhältlich bei Amazon) habe er auch geschrieben, damit seine Enkel lesen können, "was denn der Opa für ein Typ gewesen ist". © Sigi Müller

München - Als Kind wurde er von Mitschülern geschlagen, rassistisch diskriminiert und wäre in den USA fast gehängt worden, wegen eines Spielzeugstreits. Als junger Erwachsener rutschte er ab, machte Geschäfte mit Rotlicht-Größen, wäre dann fast Profi-Musiker geworden, fuhr die teuersten Autos, kam ins Gefängnis und begann von unten.

Der heutige Immobilienvermittler Erich Johannes Roles hat so viel erlebt wie andere in drei Leben nicht. Dazu ist nun ein Buch entstanden: "Normal ist anders – das außergewöhnliche Leben des Erich Johannes". Die AZ traf ihn im Hofgarten. Dort erzählt Roles über seine extremste Phase, die ihn geläutert hat, im Drogenmilieu, zwischen München und Amsterdam.

AZ: Herr Roles, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.
ERICH JOHANNES ROLES: Am besten dort, wo der erste Band aufhört, als ich vor dem Rest meiner Gefängnisstrafe geflohen bin. Mit 23 Jahren.

Erich Johannes Roles: So kam er ins Gefängnis

Sind Sie aus dem Gefängnis geflohen?
Ich hatte Ausgang. Urlaub auf Ehrenwort, hieß das.

Und Sie kamen nicht zurück?
Ich konnte das Gefängnis nicht mehr ertragen.

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Wir sind im Jahr...
1976. Weihnachten, 23. Dezember.

Was war passiert?
Die ersten 23 Jahre meines Lebens verliefen so: Ich baute Mist, kam ins Gefängnis, kam raus und es ging von vorne los. Das zog sich wie ein roter Faden. Ich wollte das nicht mehr.

Wie lange hätten Sie noch absitzen müssen?
Neun Monate. Übrigens, wir können uns gerne duzen.

Gerne. Wohin bist du geflohen?
Zu einem fantastischen Menschen, zu Kim in Amsterdam. Er hieß nicht wirklich so. Ich habe die Namen im Buch geändert.

Warum?
Kim war ein sehr schlauer, großzügiger, aber auch irre gefährlicher Mann. Einer, der als Kind mit seinen Eltern auf dem Boot aus Indonesien geflohen ist. Er handelte mit Drogen, aber nicht nur in kleinen, sondern in rauen Mengen. Ich kannte ihn schon länger. Bei ihm erhoffte ich mir eine Auszeit von diesem Zickzack-Kurs.

"Kim sagte, wenn du mit Drogen Geld verdienst, darfst du nicht auffallen"

Bei einem Drogenkönig?
Er hatte bestimmt Millionen auf seinem Konto, aber er lebte völlig unauffällig und bescheiden.

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Woher kanntest du ihn?
Als junger Mann bin ich im Zug nach Amsterdam gefahren. Im Nachtzug. Dort traf ich jemanden, langhaariger Studententyp. Mein Ziel war damals, mit Anfang 20, Haschisch von Amsterdam nach München zu bringen, um es hier zu verkaufen. Ich fragte den Langhaarigen im Zug, ob er da jemanden kenne. Er gab mir Kims Nummer.

Du hast bei Kim angerufen?
Ja. Er war ein extrem vorsichtiger Typ und fragte erst, woher ich denn bitte diese Nummer habe. Er war skeptisch, hatte gute Menschenkenntnis und ließ sich darauf ein.

Und er gab dir ein paar Kilo Haschisch?
Nein, er fragte: Wie stellst du dir das vor, wie willst du die Ware nach München bringen? Ich sagte: Na mit dem Zug. Toll, sagte er, dann erwischen sie dich auch ganz sicher.

Wie ging das Drogenfachgespräch weiter?
Es entstand ein Businessplan. Wir vereinbarten, dass ich ohne Drogen nach München zurückfahre und er was schickt. Kim ermahnte mich, nicht aufzufallen, wenn ich Geld damit verdiene.

Also bist du zurück nach München.
Und das Haschisch kam an. Am Ende haben sie mich auch deshalb erwischt. Sieben Monate Isolationshaft in Stadelheim, als Untersuchungshaft! Danach Landsberg am Lech, vier Jahre. Zeitungen schrieben über mich. Titel: Die treibende Kraft der Münchner Rauschgiftszene. Blödsinn. Da gab es ganz andre.

Ein Foto aus der Kindheit von Erich Johannes Roles, in einem Münchner Vorort. Seinen leiblichen Vater hat er nie kennengelernt.
Ein Foto aus der Kindheit von Erich Johannes Roles, in einem Münchner Vorort. Seinen leiblichen Vater hat er nie kennengelernt. © Repro: Sigi Müller

"Ich tauschte den goldenen Rolls-Royce gegen einen gelben Lamborghini – um nicht aufzufallen"

Wie bist du aufgefallen?
Das Problem war, dass ich selbst ganz gern geraucht habe. Das machte mich größenwahnsinnig. Ich kaufte vom Drogengeld einen goldenen Rolls-Royce und hatte eine Freundin, die als Prostituierte arbeitete.

Einen goldenen Rolls-Royce?!?
Meine Freundin sagte, da kannst du ja gleich allen erzählen, was du so treibst.

Hattest du Einsicht?
Ich merkte, dass das irgendwie dumm war – und tauschte den goldenen Rolls-Royce gegen einen gelben Lamborghini (lacht laut).

Also...
Highfly. Hatte niemanden, der mich erden konnte.

Aber warum gleich so auffällig?
Damals gab es das Citta 2000. Dort hatten die größten Rotlichtbarone Münchens einen Stammtisch. Mit denen wollte ich mithalten.

"Münchner Rotlichtbarone verdienten in den 70ern 100.000 bis 200.000 D-Mark – pro Tag"

Was war das Citta 2000?
Ein Treffpunkt, mit Läden und Cafés. Im Citta erkanntest du die Leute mit den großen Bordellen sofort. Die haben am Tag 100.000 bis 200.000 D-Mark verdient. Unter Lamborghini ging da nix.

Und die sind der Polizei nicht aufgefallen?
Die waren völlig legal, was sollte die Polizei machen?

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Wie ging es weiter?
Am Kurfürstenplatz gab es den Piper-Club. Eine Drogen-Höhle. Da hast du alles bekommen. Die Rotlicht-Barone bekamen das mit, dass ich da ab und zu Gast war. Sie fragten, ob ich Haschisch besorgen könnte.

Warum sind die nicht selbst in den Club?
Die wollten sich die Finger nicht schmutzig machen.

Die wollten auch mal kiffen?
Nein, die wollten Haschisch für ihre Prostituierten.

Du hast das große Geschäft gewittert.
Ich fand das interessant. Wusste aber nicht, woher ich so viel bekommen sollte.

Also bist du in den Nachtzug nach Amsterdam gestiegen.
Ich hatte über einen Freund gehört, dass dort große Mengen gehandelt werden. Dabei hatte ich es gar nicht nötig. Meine Freundin verdiente bis zu 10.000 D-Mark im Monat. Uns ging es gut. Das hätte lebensgefährlich werden können.

Dann der Anruf bei Kim.
Schiffsladungen voller Drogen hatte er in seiner Macht.

Du warst nach der Festnahme sehr lange in Isolationshaft.
Sehr schwierige Phase, 23 Stunden täglich alleine. Da kommt man zu sich oder wird verrückt.

Wie lief die Verhandlung?
Der Richter war streng, aber fair. Er sagte, ich solle geständig sein oder bekomme sehr viel Zeit zum Nachdenken. Ich gestand.

Wollte er Kims Namen?
Den konnte ich nicht nennen, der Mann war zu allem fähig.

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"Im Vergleich zur Isolationshaft war das Landsberger Gefängnis ein Erholungsheim"

Warst du weiter in Stadelheim?
Ich kam nach Landsberg am Lech. Ein Erholungsheim im Vergleich zur Isolationshaft. Diese zirka fünf Quadratmeter große Zelle, ein Fenster ganz oben. Du siehst nur Himmel. Irgendwann hast jeden Groschen-Roman gelesen.

Wie hast du es geschafft, nicht verrückt zu werden?
Ein Grund war die Abendzeitung. Ich bekam alle zwei bis drei Wochen eine ältere Ausgabe, lernte jedes Wort auswendig. Das war Lebenselixier.

Was hat dich auf Kurs gehalten?
Ich war sauer, dachte mir, die kriegen mich nicht klein. Ich hab damals leider kein Unrecht darin gesehen, Haschisch zu verkaufen.

Hat vor Gericht eine Rolle gespielt, dass du etwas dunklere Haut hast?
Nein. Der Richter war hart, aber fair.

Wie bist du da hineingeraten?
Ich war DJ in Schwabing. 1973 oder 1974. Fing an in der Teestube, netter kleiner Pub. War sogar angestellt. Irgendwann legte ich auch im P1 auf. 6.000 Mark habe ich verdient. Highfly, arrogant bis zum Abwinken. Kaufte eine Corvette. Dann fing ich an zu saufen. Hatte das Publikum nicht mehr im Griff. Ich fing auch an, ins Piper zu gehen.

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Die Drogen-Höhle.
Genau. Später in Amsterdam habe ich mit Kim gearbeitet.

Wie genau?
Er sagte, wenn du in der Drogenwelt bist, musst du eine schwarze Seele haben, ohne Hemmungen, kein Fünkchen Skrupel. Und das hat mich dann völlig abgeschreckt. Ich dachte: Was machst du hier eigentlich?

"Bei der Übergabe im Hotelzimmer zielte jemand mit der Waffe auf mich"

Was war passiert?
Mehrere Sachen. Kim schickte mich mal in ein Hotelzimmer. Er sagte, du gehst hoch, gibst das Päckchen ab, nimmst das Geld und kommst wieder.

War aber nicht so einfach?
Im Zimmer saß einer auf dem Bett. Die Tür zum Bad war einen Spalt auf. Ich ging zu dem Typen auf dem Bett. Aus dem Bad stürmte einer mit Waffe und hielt sie auf mich. Wunderbar, dachte ich, das ist das Ende.

Du hast damit gerechnet, sofort erschossen zu werden?
Haben sie aber nicht. Sie haben mich gefesselt und geknebelt und gingen mit dem Päckchen.

Wer hat dich befreit?
Kim kam ins Zimmer und nahm mir Knebel und Fesseln ab. Er sagte: Hmm. Ist ja nochmal gut gegangen.

Erich Johannes Roles in seiner Jugend.
Erich Johannes Roles in seiner Jugend. © Repro: Sigi Müller

Er hat dich als Kanonenfutter vorgeschickt.
Ich kann es nicht genau sagen. Ich merkte: Bei dem Geschäft brauchst du härtere Bandagen. Ich hatte auch ein zweites Schlüsselerlebnis.

Nämlich?
Rotterdam. Kim, sein Bruder und ich waren unterwegs zum Hafen. Jeder von uns trug zwei Lederkoffer, schwer beladen mit Haschisch. Wir wollten über die Straße. Einer von uns übersah einen Radlfahrer. Der knallte gegen einen der Koffer.

Das ist ja Slapstick.
Völlig. Es wird besser. Gegenüber stand ein Rotterdamer Polizist, hatte das Ganze beobachtet. Der Radler stand auf. Wollte weiterfahren. Dann kam der Polizist. Er starrte die Koffer an. Kim merkte das und fragte den Polizisten ausgerechnet, ob er in die Koffer schauen will.

"Kim sagte, du kannst gehen, aber dann darfst du nie wieder zurückkommen"

Wie kaltblütig.
Nur, um ihn aus dem Konzept zu bringen. Und weißt was, es hat funktioniert. Der Polizist sagte, das wäre nicht nötig und ließ uns weitergehen.

Wenn Kim die Frage nicht gestellt hätte...
...hätte der Polizist vielleicht in die Koffer geschaut. Danach stieg ich aus. Im Gefängnis hatte ich gelernt, Gitarre zu spielen. Ich wollte Musiker werden.

Kim ließ dich einfach gehen?
Er sagte: Du kannst gerne gehen, aber dann darfst du nie wieder kommen. Wenn du je wieder auftauchst, kommst du nie wieder raus.

Kein Kontakt seither?
Nie wieder.

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Was wurde aus der Musik-Karriere?
Ich hatte mich reingehängt, ein paar Songs in Amsterdam aufgenommen, bekam ein Angebot von einem Plattenlabel. Unterschriftsreifer Vertrag. Einer der Hauptmärkte war Deutschland.

Wo du deine Gefängnisstrafe noch nicht abgesessen hattest.'
Ich sagte zu dem Label-Boss, dass ich da noch etwas erledigen muss, eine neunmonatige Haftstrafe. Er sagte, wenn du in neun Monaten wieder kommst, kannst du immer noch unterschreiben. Wenn es länger dauert, gibt es keinen Vertrag mehr.

Und dann?
Ich musste 15 Monate absitzen.

Und der Vertrag war weg.
Richtig.

Nach dem Gefängnis?
Da startete ich mit einem Knochenjob. Als Bierfahrer. Und es begann der lange Weg zu dem Menschen, der ich heute bin.

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5 Kommentare
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  • Der wahre tscharlie am 22.10.2023 23:21 Uhr / Bewertung:

    Ein sehr unterhaltsames Interview. Top! zwinkern

  • Frale am 22.10.2023 15:07 Uhr / Bewertung:

    Was soll das ??? Werbung für ein Buch das keiner braucht .

  • ......kann mich mal am 23.10.2023 12:45 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Frale

    .....und wenn sie nicht gestorben sind, dann.........
    der may karl war auch nie in amerika - aber hat wunderbare biografien hingelegt.

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