Immer mehr Schäden: Deutsches Museum kämpft gegen Vandalen

Seit der Neueröffnung im Sommer 2022 stellen die Mitarbeiter im Deutschen Museum viel mehr Schäden fest. Die AZ hat ein Reparaturteam begleitet.
Nina Job
Nina Job
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
12  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Blick aufs Deutsche Museum, wo es zuletzt vermehrt zu Vandalismus-Vorfällen kommt. (Archivbild)
imago/Ulrich Wagner 7 Blick aufs Deutsche Museum, wo es zuletzt vermehrt zu Vandalismus-Vorfällen kommt. (Archivbild)
Die Museumsmitarbeiter Jaman Drexler (61) und Peter Hanickel (60) machen die Druckluftrakete wieder flott.
Bernd Wackerbauer 7 Die Museumsmitarbeiter Jaman Drexler (61) und Peter Hanickel (60) machen die Druckluftrakete wieder flott.
Werden herausgerissen oder auf den Boden geknallt: Einhandhörer.
Bernd Wackerbauer 7 Werden herausgerissen oder auf den Boden geknallt: Einhandhörer.
So viel Kraft braucht's, einen Zahn zu ziehen. Der Griff – gleich kaputt.
Bernd Wackerbauer 7 So viel Kraft braucht's, einen Zahn zu ziehen. Der Griff – gleich kaputt.
Claus Grünewald (59) ist der Leiter der hauseigenen Werkstätten. Er baut zur Zeit an einer Laser-Target-Kugel als Anschauungsobjekt.
Bernd Wackerbauer 7 Claus Grünewald (59) ist der Leiter der hauseigenen Werkstätten. Er baut zur Zeit an einer Laser-Target-Kugel als Anschauungsobjekt.
Ziel von Museumsvandalen: Die verschraubten Plexiglaswürfel wurden herausgerissen. Mittlerweile ist alles wieder repariert.
Bernd Wackerbauer 7 Ziel von Museumsvandalen: Die verschraubten Plexiglaswürfel wurden herausgerissen. Mittlerweile ist alles wieder repariert.
Leopold von der Gönna (35) zeigt, was so alles herausgerissen wird von Besuchern: zum Beispiel solche sogenannten Knochenschrauben.
Bernd Wackerbauer 7 Leopold von der Gönna (35) zeigt, was so alles herausgerissen wird von Besuchern: zum Beispiel solche sogenannten Knochenschrauben.

München - Die Rakete in der Raumfahrt streikt, sie will nicht mehr abheben. "Die Halbwertzeit" ist ebenfalls außer Betrieb: Die 100 Kugeln, die veranschaulichen, wie radioaktive Atome zerfallen, fallen nicht mehr nach unten.

"Außer Betrieb": Medienstationen im Museum defekt

Auch an vielen anderen sogenannten Demonstrationen und Medienstationen im Deutschen Museum klebten in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten rote Wapperl mit der Aufschrift "Außer Betrieb". Sogar eine kleine Überschwemmung gab's in der Brückenbau-Ausstellung. Warum ist schon so viel kaputt im Deutschen Museum, fragen sich Besucher. Es ist ja erst ein gutes halbes Jahr her, dass unter dem Motto "Alles Neu!" groß Wiedereröffnung gefeiert wurde in der generalsanierten ersten Museumshälfte.

"Wir haben deutlich mehr Vandalismus als früher", ist die Erklärung von Leopold von der Gönna (35). Der Ingenieur ist für sämtliche Reparaturarbeiten in den Ausstellungen zuständig. Er stellt die Schäden fest, koordiniert die hauseigenen Handwerker.

Leopold von der Gönna (35) zeigt, was so alles herausgerissen wird von Besuchern: zum Beispiel solche sogenannten Knochenschrauben.
Leopold von der Gönna (35) zeigt, was so alles herausgerissen wird von Besuchern: zum Beispiel solche sogenannten Knochenschrauben. © Bernd Wackerbauer

Die AZ hat ihn und zwei seiner Kollegen vom Reparaturteam an einem Montag getroffen. "Nach dem Wochenende gibt es oft recht viele Defekte", erklärt er. Die Wochenenden sind traditionell besucherstarke Tage. Noch mehr los ist an Feiertagen, in der Weihnachtszeit strömten an einem einzigen Tag 6.800 Besucher auf die Museumsinsel; mehr als eine halbe Million waren es seit der Neueröffnung.

Museums-Ingenieur: "Wir haben deutlich mehr Reparaturen als früher"

Das Deutsche Museum ist auch bekannt dafür, dass es komplexe Technik und naturwissenschaftliche Zusammenhänge anschaulich darstellt. Es gibt Hebel zum Ziehen, Knöpfchen zum Drücken, Kurbeln zum Drehen, Bildschirme zum Anfassen und vieles mehr. Doch immer mehr Besucher gehen offensichtlich alles andere als pfleglich damit um. Seit der Neueröffnung fällt auf: "Wir haben deutlich mehr Reparaturen als früher", sagt Leopold von der Gönna.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Durchschnittlich stünden jede Woche 20 Reparaturen und 15 Wartungen an. Zum Beispiel die Rakete: Sie war erst vor wenigen Tagen "frei" gemeldet worden von den Reparateuren, das heißt, sie funktionierte wieder. Nun hat sich durch starke Beanspruchung schon wieder ein Teil gelockert.

Wie hoch die Schäden sind, wird normalerweise nicht erhoben. 341 der sogenannten Demonstrationen im Museum sind in den hauseigenen Werkstätten gebaut worden und werden auch von den eigenen Mitarbeitern repariert. Fast 100 Menschen arbeiten in den 21 Museumswerkstätten.

Claus Grünewald (59) ist der Leiter der hauseigenen Werkstätten. Er baut zur Zeit an einer Laser-Target-Kugel als Anschauungsobjekt.
Claus Grünewald (59) ist der Leiter der hauseigenen Werkstätten. Er baut zur Zeit an einer Laser-Target-Kugel als Anschauungsobjekt. © Bernd Wackerbauer

Viele Defekte gibt es nach dem Wochenende

Dass es nicht an den Neuerungen liegt, zeigt sich daran, dass auch Darstellungen, die früher schon gezeigt wurden, plötzlich häufiger kaputtgehen. Dabei gab's schon Materialverbesserungen. "Nylonschnur, die früher ausgereicht hat, haben wir durch drei Millimeter dickes Stahlseil ersetzt. Aber auch das ist gerissen", erzählt Gönna. Eine Kurbel, die die Archimedische Schraube antreibt, wurde in der neuen Ausstellung so heftig gedreht, dass es eine kleine Überschwemmung gab. Der Übeltäter entkam.

Auch beim neuen Periodensystem gab's Vandalismus: Dargestellte Elemente, die in Plexiglaswürfeln auf einem Tisch fest verschraubt sind, wurden herausgerissen. Museumsmitarbeiter konnten gerade noch verhindern, dass sie gestohlen werden. Und es gibt noch viel mehr Negativbeispiele. Sebastian Stehle, der für die elektronischen Medien zuständig ist, berichtet, ein Monitor sei eingeschlagen worden. "Das gab's noch nie." Und von den sogenannten Einhandhörern, die man sich ans Ohr hält, gehe etwa alle drei Wochen einer kaputt.

Ziel von Museumsvandalen: Die verschraubten Plexiglaswürfel wurden herausgerissen. Mittlerweile ist alles wieder repariert.
Ziel von Museumsvandalen: Die verschraubten Plexiglaswürfel wurden herausgerissen. Mittlerweile ist alles wieder repariert. © Bernd Wackerbauer

Museum denkt noch nicht an Videoüberwachung

Robert Püttner baut seit 30 Jahren Demonstrationsobjekte fürs Museum. Die Besucher, die seinen Bauten besonders zusetzen, sagt er, sind kräftige junge Azubis, die in Gruppen kommen und im Museum ihre Kräfte messen. "Jungstierklassen", nennt er sie augenzwinkernd.

Wer auch immer die Vandalen sind, an eine Videoüberwachung denken die Museumsleute derzeit nicht. Die Besucher sollen sich frei bewegen können. Und so bleibt derzeit nur: "Wir reparieren alles", sagt Leopold von Gönna. "Wir versuchen, immer alles so schnell wie möglich wieder zugänglich zu machen, damit die Besucher erleben können, wofür sie da sind." Nur bei Demonstrationen, die das Museum gekauft hat, die also externe Hersteller haben, kann es schon mal ein paar Wochen dauern, bis ein Ersatzteil geliefert ist.

Die Rakete und "die Halbwertzeit" gehören nicht dazu. Sie sind Marke Eigenbau und funktionieren wieder – erstmal.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
12 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • glooskugl am 09.02.2023 08:32 Uhr / Bewertung:

    Da helfen Überwachungskameras . Dann kann man sich die Herrschaften gleich beim verlassen des Museums schnappen.

  • Wickie712 am 09.02.2023 08:32 Uhr / Bewertung:

    Das Problem ist der "Nicht Respekt vor fremden Eigentum", zudem drohen keine Konsequenzen.
    Die Eltern mosern eher noch rum, anstatt ihre Aufsichtspflicht nachzukommen, der Betreiber macht nicht viel und die Justiz, würde es zur Anzeige kommen, fässt auch nur mit Satmhandschuhen an.

    Sachbeschädigung bleibt Sachbeschädigung und dann ersetzt man den Schaden. Und wenn einer erwischt wird, ganze Gruppe oder Familie aus dem Museum mit werfen.

  • Newi83 am 08.02.2023 18:10 Uhr / Bewertung:

    Ich war schon zweimal nach Wiedereröffnung da und was musste ich erkennen. Es ist fast unmöglich sich mit den Demonstrationsobjekten zu befassen, da anscheinend sehr viele Eltern meinen alle beweglichen Dinge seien Kinderspielzeug. Da hämmern, drehen, drücken und kurbeln kleine und größere Kinder ohne Beaufsichtigung und Anleitung an allem was sie in die Finger kriegen. Eltern sind meist nicht zu sehen. Kein Wunder das viele Objekte schon beschädigt sind und für interessierte Besucher nicht zur Verfügung stehen. Dabei gibt es so ein tolles Kinderparadies. Vielleicht mehr Ordnungspersonal welches Kinder auch mal davon abhält Schäden anzurichten und Eltern an ihre Aufsichtspflicht erinnert.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.